Mission: Impossible II [2000]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 21. August 2005
Genre: Action / Thriller

Originaltitel: Mission: Impossible II
Laufzeit: 120 min.
Produktionsland: USA / Deutschland
Produktionsjahr: 2000
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: John Woo
Musik: Hans Zimmer
Darsteller: Tom Cruise, Dougray Scott, Thandie Newton, Ving Rhames, Richard Roxburgh, John Polson, Brendan Gleeson, Rade Serbedzija, William Mapother, Dominic Purcell, Anthony Hopkins


Kurzinhalt:
Etwas unsanft wird der IMF-Agent Ethan Hunt (Tom Cruise) aus seinem Urlaub gerissen; ein mit ihm befreundeter Biologe, Dr. Nekhorvich (Rade Serbedzija) wurde bei einem Flugzeugabsturz getötet, doch Mission Commander Swanbeck (Anthony Hopkins) vermutet hinter dem Unfall etwas anderes.
Wie es scheint, hat sich Hunts Kollege Sean Ambrose (Dougray Scott) über Nekhorvich eines biologischen Kampfstoffes bemächtigt, den er nun an die Firma Biocyte – oder jeden anderen Höchstbietenden – verkaufen möchte. Doch während Ambrose das Gegenmittel für den Kampfstoff gestohlen hat, fehlt ihm noch eine Probe des Virus selbst, um alle Trümpfe in der Hand zu haben.
Zusammen mit den beiden IMF-Agenten Luther Stickell (Ving Rhames) und Billy Baird (John Polson) muss Hunt herausbekommen, wie groß die Gefahr wirklich ist, die von Ambrose ausgeht, und was er überhaupt vor hat. Dafür rekrutiert er Nyah Hall (Thandie Newton), die mit Ambrose eine gemeinsame Vergangenheit hat. Doch zwischen Hunt und Hall entwickelt sich mehr – und schon bald muss sich Hunt entscheiden, ob ihm das gelingen seiner Mission wichtiger ist, als Nyahs Leben ...


Kritik:
Möchte man Tom Cruise Glauben schenken, war von Anfang an geplant, die Mission: Impossible-Filmreihe in jedem Teil mit einem neuen Regisseur zu versehen, um so die Vielseitigkeit der Agententhematik zu erhalten. Weswegen einige Fans der Meinung sind, John Woo habe die Reihe zu stark stilisiert, ist unverständlich, was ihm in Hinblick auf Eleganz, Optik und Choreografie gelang, lässt sich kaum in Worte fassen; seine Umsetzung von Mission: Impossible II hat das unverwechselbare Flair einer bisweilen sehr romantischen Ballett-Inszenierung, gespickt mit erstklassigen Actionszenen und zusammengehalten von einer interessanten, wenn auch recht vorhersehbaren Story.
Und doch – oder gerade deshalb – funktioniert der Film in gewissem Sinne sogar besser als der erste Teil, erlaubt es dem Zuschauer dennoch, mit den Figuren mitzufiebern, und überrascht mit einigen sehr gut gelaunten Darstellern, die sich hier die Klinke in die Hand geben.

Die Story stammt aus der Feder der beiden Star Trek-Autoren Ronald D. Moore und Brannon Braga (Star Trek: Der erste Kontakt [1996]), wobei Drehbuchautor Robert Towne später anmerkte, dass er das eigentliche Skript nur um die Story und zahlreiche Actionsequenzen, die John Woo im Vorfeld bekannt gab, herum schrieb. So verwundert es nicht, dass das Drehbuch ohne großartige Dialogeinlagen vom Kaliber der Vorlage zu Mission: Impossible [1996] auskommen muss, und die Story selbst bedeutend geradliniger erzählt wird, als in Brian De Palmas vier Jahre eher gedrehtem Agententhriller.
Das Skript ist es auch, das die größte Angriffsfläche für Kritik bietet, gleichwohl die Story selbst nicht schlecht ist, und in unserer heutigen Zeit vor allem nicht unwahrscheinlich. Es ist allerdings offensichtlich, dass sich Towne die erste Hälfte des Films Zeit nimmt, die Geschichte zu erzählen, wobei manche Sequenzen wie eine Variation des ersten Films erscheinen, um in den zweiten 60 Minuten John Woo das Spielfeld zu überlassen. Leider – und trotz zahlreicher Fanrufe – wird aber auch Mission: Impossible II nicht als Team-Arbeit angepackt, und erneut steht Ethan Hunt alias Tom Cruise im Mittelpunkt, wobei seiner Figur selbst keinerlei neue Facetten verliehen werden. Die Charakterzeichnungen insgesamt sind überaus schwach geraten, und auch der Bösewicht vermag nur leidlich zu überzeugen.
Dafür bietet die Vorlage aber immerhin genügend Grundlage für die exzellente Inszenierung und auch die Story ist bedeutend ernster geraten, als die eigentliche Umsetzung. Dass das Skript aber ohne große Überraschungen auskommt (von ein paar Wendungen innerhalb der Szenen einmal abgesehen), muss der Autor sich gefallen lassen.
So scheint alles in allem bedeutend weniger Arbeit in das Drehbuch geflossen zu sein, als beim ersten Teil – und auch weniger, als in die handwerkliche Umsetzung; deshalb bietet Drehbuchautor Towne trotzdem eine solide Grundlage für den Actionthriller, der immerhin auf eine aktuelle Story basiert, und sich letztlich doch nicht durch sie definiert.

Sichtlich genießt Tom Cruise die One-Man-Show, die er sich als Produzent und Hauptdarsteller auf den Leib schreiben ließ, doch anders als in Teil eins gibt es hier nur wenige Szenen, in denen er über sein gewohntes Maß hinaus gefordert ist. Dafür wird er, gestützt vom Drehbuch und den abgehobenen Actionsequenzen als unantastbare Pop-Action-Ikone dargestellt, womit er sich offensichtlich auch wohlfühlt. Das heißt nicht, dass er schlecht spielen würde, auch wenn seine Szenen mit Anthony Hopkins ausgesprochen schwach seinerseits geraten sind, sondern vielmehr, dass er in nur wenigen Szenen die Vielschichtigkeit seiner Figur ausnutzt, die im ersten Film ansich etabliert wurde. Dass er sich trotz seines Star-Ruhmes für die gefährlichen Szenen nicht zu schade war, bereitete allerdings John Woo Kopfschmerzen; Cruise drehte große Teile der anfangs zu sehenden Bergsteigertour selbst und bestand auch darauf, dass ein echtes Messer bei einer bestimmten Szene im Finale benutzt wurde – und dass es tatsächlich so knapp vor seinem Auge zum Stehen kam.
Was Cruise zweifelsfrei gut gelingt ist das Zusammenspiel mit Thandie Newton, die zwar etwas zu passiv erscheint, aber eine wirklich gute Darbietung liefert. Die Chemie zwischen ihre und Cruise ist stimmig, und ihre gemeinsame Einführung ist ebenso prickelnd wie mit gekonnt subtiler Anziehung versehen.
Als Bösewicht hinterlässt Dougray Scott insofern einen Zwiespältigen Eindruck, weil seine Motivation fehlt; doch auch er macht eine gute, wenn auch nicht preisverdächtige Arbeit, wobei seine stärksten Szenen in der zweiten Filmhälfte liegen – auf Grund der in die Länge gezogenen Dreharbeiten konnte er seine ansich zugesagte Rolle als Wolverine in X-Men [2000] nicht annehmen. Stark unterfordert ist hingegen Richard Roxburgh als sein Helfer Hugh Stamp; sein Spiel ist zwar überzeugend, man hätte sich jedoch gewünscht, dass er mehr zu tun hätte.
Eine gewohnt gute Darstellung liefert Ving Rhames, der für die witzigsten Momente des Films verantwortlich ist, und von John Polson (inzwischen als Regisseur aktiv, unter anderem bei Hide and Seek - Du kannst dich nicht verstecken [2005]) passend ergänzt wird.
Nur sehr kurz zu sehen ist Brendan Gleeson (Dark Blue [2002]), der aber ebenfalls keine Wünsche offen lässt und vom Skript auch nicht großartig gefordert wird.
Dass Anthony Hopkins nicht einmal in den Credits gelistet wird, überrascht nicht, scheint dies doch (im Hinblick auf den ersten Teil) bei der Reihe ein Markenzeichen zu sein – seine Filmfigur ist zwar alles andere als sympathisch geraten, und man wird das Gefühl nicht los, dass Tom Cruise mit ihm nicht gut zu Rande kam, aber auch er macht mit seiner leichtfüßigen Art eine gute Arbeit und verleiht der Story trotz des ansich ernsten Hintergrunds einen weit schwächeren Effekt, was dem Film sichtlich gut tut.

Eine Bereicherung für das Mission: Impossible-Franchise ist auch Regisseur John Woo, der nach einer Reihe zum Kult erkorener Hongkong-Action-Thriller mit einer bestechenden Optik (und einem nicht zu verleugnenden Gewaltfaktor) seinen US-Einstand mit Harte Ziele [1993] gab, aber erst mit Operation - Broken Arrow [1996] wirklich Fuss fassen konnte. Zu Recht wurde Face/Off - Im Körper des Feindes [1997] auch international ein voller Erfolg, immerhin überzeugte das Action-Thriller-Drama nicht nur mit zwei erstklassigen Darstellern, sondern einen schwelgerischen, theatralischen und exzellenten Inszenierung, weswegen John Woo häufig als charakteristischer Action-Regisseur genannt wird.
Doch unterscheidet sich Woo vor allem darin von Michael Bay und Konsorten, dass er statt ziellos verwackelten Handkamera-Einstellungen und rasenden Schnitten eine wohl überlegte Choreografie walten lässt, die ihresgleichen sucht. Das wird nach dem beinahe schon klassisch gefilmten Teaser sichtbar, wenn man Ethan Hunt bei einem höchst außergewöhnlichen Hobby beobachten kann, das trotz einiger Zeitlupen und vieler bewegter Kamerafahrten doch übersichtlich eingefangen ist.
Doch das wahre Talent von John Woo offenbart sich bei der ersten Begegnung zwischen Nyah und Ethan, die mit einem Volkstanz so gekonnt untermalt und veredelt ist, dass man sich der Magie der Szenerie kaum entziehen kann. Tagelang drehte man an dieser Einstellung allein, die von Woo selbst erdacht wurde; ihm gelang mit der recht witzigen und doch höchst romantisch angehauchten Einführung der Beziehung zwischen den beiden Hauptfiguren ein Glanzstück, das nur durch die exquisit gefilmten und hervorragend geschnittenen Actionszenen übertroffen wird, die dann stark John Woos Handschrift tragen und mit Pattsituationen, ausschweifenden Zeitlupen und sehr viel Symbolik versehen sind.
So wird Nyah nicht von ungefähr engelsgleich bei ihrer schicksalsträchtigen Entscheidung portraitiert, und wenn wenig später erneut die Kugeln (und Tauben) fliegen, schlägt das Herz eines jeden Actiofans sichtbar höher. So gehört auch das Finale bestehend aus zahlreichen Shootouts, einer adrenalinsteigernden Motorradverfolgungsjagd und einem Zweikampf zu den besten Sequenzen des Genres und sind bis heute unübertroffen.
Wie es dem Regisseur samt Kameramann Jeffrey L. Kimball (True Romance [1993]) und seinen verschiedenen Cuttern gelingt, dem Actionthrillergenre ein kunstvolles Ambiente einzuhauchen, mit einer exquisiten und doch leicht altertümlichen Ausstattung in Spanien, die immens zur romantischen Atmosphäre beiträgt, den symbolträchtigen Farbgebungen beim Diebstahl der Medikamentenprobe und den langen, aber nie langweiligen oder gar überflüssigen Zeitlupeneinstellungen, ist ein Fest für die Sinne. Vor allem wird bereits bei den ersten Actionszenen festgelegt, dass die Action selbst in Mission: Impossible II sehr comicartig umgesetzt wird, und nicht ernst zu nehmen ist; so kann es auch sein, dass bei der Motorradhatz die Regeln der Physik außer Kraft gesetzt werden und auch die übrige Handlung mit zahlreichen Storylöchern und Fehlern versehen ist, die man jedoch nicht wahrnimmt, angesichts des Augenschmauses, den John Woo auf Zelluloid bannte.

Sehr viel zur gelungenen Atmosphäre trägt auch die Musik von Hans Zimmer bei, der auch hier wieder auf ein bekanntes Team aus Ko-Komponisten und Künstlern setzen konnte, die ihn bei der Arbeit unterstützten. An dem vom Flamenco inspirierten Nyah-Thema schrieb Heitor Pereira mit, und auch Lisa Gerrard, die mit Zimmers häufig zusammenarbeitet (Gladiator [2000]), steuerte einige Themen bei.
Dem gebürtigen Deutschen gelang ein – wie im Film an unterschiedlichen Locations gezeigter – Mix aus verschiedenen Stilrichtungen, die in der ersten Filmhälfte stark von traditionellen Themen inspiriert wurde, und mit fortschreitender Laufzeit immer elektronischer, aber auch agressiver gerät. Dass hierbei auch die Neuinterpretation von Lalo Schifrins Thema nicht fehlen darf, versteht sich von selbst, und auch hier kommt das flottere Tempo und die lautere Instrumentierung der Musik zu gute, spiegelt aber vor allem die Atmosphäre des Films wider.
Dass die Mischung aus ruhigen Themen und kraftvollen Motiven in einem Stück – auf der Score-CD unter dem Titel "Injection" als bestes Beispiel zu finden – ebenso gelungen sind, wie die temporeichen Tracks ansich (z.B. "Bare Island"), ist ein Verdienst des Komponisten, dem eine hervorragende Untermalung der Szenen gelingt; so liefert Hans Zimmer vier Jahre nach The Rock – Fels der Entscheidung [1996] erneut einen Action-Score, den man auch ohne den Film genießen kann, und der doch einen ganz eigenen Grundton besitzt.

Als der Film vor fünf Jahren in die Kinos kam, wurde immer wieder berichtet, dass Woos erste Schnittfassung des Films dreieinhalb Stunden lang gewesen wäre – und auch wenn es heute immer wieder angebracht wird, so ist es doch höchst unwahrscheinlich. Vielmehr handelte es sich dabei um eine frühe Schnittfassung, die ohnehin weiter nach unten korrigiert werden musste.
Mit knapp zwei Stunden ist Mission: Impossible II deutliche fünfzehn Minuten länger, als der Vorgänger, bietet aber gleichzeitig weniger Inhalt. Kompensiert wird das durch eine rundum gelungene Inszenierung, die das Geschehen in bisweilen schon anmutige Bilder kleidet und für Fans von Actionfilmen eines der bestinszenierten Feste bietet, die man sich wünschen kann – vorausgesetzt, man stört sich nicht an der comicartigen Umsetzung und der zugegebenermaßen schwachen Drehbuchvorlage, der es zwar gelingt, die Zuschauer für die Figuren zu interessieren, das aber versäumt, diese auch weiter zu entwickeln.
Mit einem Einspielergebnis, das international knapp 100 Millionen Dollar über dem von Mission: Impossible lag, fand der Film immerhin sein Publikum, und so kann man nur abwarten, was die Macher für den dritten Teil im Petto haben, der derzeit gedreht wird.


Fazit:
Dass Fans des ersten, sehr thrillerlastigen Mission: Impossible von Mission: Impossible II schnell enttäuscht sein können, sei unbestritten; mit der sichtlichen Verlagerung des Schwerpunkts von einer komplexen, realistischen Handlung auf eine einfach strukturierte Story mit bisweilen überdrehten Actionszenen, spricht John Woos Ansatz an das Action-Thriller-Franchise ein anderes Publikum an.
Keine Kritik ist jedoch gerechtfertigt bei der kongenialen Inszenierung, mit der Woo seinen Film veredelt; ausgiebige Kamerafahrten, exzellent eingesetzte Zeitlupen und eine beinahe schon opernartige Inszenierung der Actioneinlagen zeugen von einem Talent, das man so zuletzt nur in seinem Face/Off sehen konnte. Handwerklich überzeugt der zweite Teil der Reihe mit einer umwerfenden Optik, durchweg sehr guten Effekten und auch Hans Zimmers extravaganter, bisweilen actionreich-lauter, mitunter aber auch ruhiger und doch intensiv-kraftvoller Score trägt zum überzeugenden Ambiente der exzellent umgesetzten Agentenhatz bei.
Die Schwachpunkte im Drehbuch verzeiht man dabei nicht nur, weil Mission: Impossible II von Anfang an so angelegt ist, sondern auch, weil die gut gelaunten und überzeugend agierenden Darstellern mitzureißen vermögen, wo das Skript ansich nicht genügend Tiefe offenbart.