Midsommer – Mord in der Mittsommernacht [2003]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 31. August 2004
Genre: Thriller / Horror / DramaOriginaltitel: Midsommer
Laufzeit: 92 min.
Produktionsland: Dänemark / Schweden
Produktionsjahr: 2003
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Carsten Myllerup
Musik: Søren Hyldgaard
Darsteller: Kristian Leth, Laura Christensen, Tuva Novotny, Jon Lange, Julie Ølgaard, Nicolai Jandorf Klok, Per Oscarsson, Lykke Sand Michelsen, Birgitte Simonsen, Jesper Hyldegaard
Kurzinhalt:
Am letzten Schultag besuchen Christian (Kristian Leth) und seine Schwester Sofie (Lykke Sand Michelsen) eine Party, bei der sich Sofie mit einer Überdosis Tabletten das Leben nimmt.
Monate später geht Christian zusammen mit seinen und Sofies Freunden Trine (Laura Christensen), Mark (Jon Lange), Jannick (Nicolai Jandorf Klok) und Anja (Julie Ølgaard) in ein verlassenes Haus im Wald, wo sie schon seit Jahren das Mittsommerfest feiern. Doch gerade, als sich Christian und Trine näher kommen, ereignen sich seltsame Vorfälle, die ihn geradezu auf den Tod seiner Schwester stoßen. Zwar wähnt die Gruppe den verschrobenen Einsiedler Persson (Per Oscarsson) dahinter, doch als dann ein Schlüsselbund stets wieder auftaucht, der einmal Sofie gehörte, glaubt Christian, ihr Geist wolle mit ihm Kontakt aufnehmen.
Auch die ortsansässige Linn (Tuva Novotny), die eingeladen wurde, mit den Schulabgängern zu feiern, kann kein Licht in die Sache bringen. Trotzdem scheint alles mit dem Verschwinden eines anderen Mädchens zu tun zu haben, das bis heute nicht aufgeklärt wurde.
Kritik:
Wenn man sich als Zuschauer hin und wieder gern gruseln lässt, blickt man immer erwartungsvoll nach Hollywood, nicht zuletzt weist die Traumfabrik bisweilen mit wirklich guten Schockern auf, die einen zwar unterhalten aber doch Furcht einflößen. Bedenkt man Genreklassiker wie Nightmare - Mörderische Träume [1984], Halloween - Die Nacht des Grauens [1978] oder auch den Kultfilm zum Thema, Nacht der lebenden Toten [1968], dann sieht man eindeutig, dass Potential vorhanden ist und verdrängt dabei gern die zig Tausend Video- und Kinoproduktionen, die das Zelluloid nicht wert sind, auf dem sie festgehalten wurden. Die deutsche Filmindustrie wollte Ende der Neunziger Jahre auf den neu kursierenden Zug der Teenie-Horror-Filme aufspringen, brachte aber abgesehen von dem leider nicht restlos überzeugenden Anatomie [2000] und ein paar Kurzfilmen nicht wirklich etwas zustande.
Allerdings muss man als Gruselfan nicht zwangsläufig die europäischen Gefilde verlassen, die unmittelbaren Nachbarn in Skandinavien haben nämlich mehr zu bieten als man denkt. Sei es nun das dänische Original von Nightwatch – Nachtwache [1995] oder der atmosphärisch immens dichte Spurlos verschwunden [1988], selbst Lars von Trier hat mit seinen Miniserien Geister [1994] und Geister II [1997] für schaurige Stunden gesorgt. Während das skandinavische Kino zuletzt aber vor allem mit Krimis im Stile einer Henning Mankell-Verfilmung von sich Reden machte, versucht sich der bereits 2003 gedrehte Film Midsommer, der so überhaupt nichts vom Flair der bekannten Ikea-TV-Spots mit sich bringt, als Mischung aus übersinnlichem Horror und Thriller mit Jugendlichen. Regisseur Carsten Myllerup gelingt dabei vor allem eine überaus eindringliche, bisweilen schon beklemmende Atmosphäre, die sich vor deutlich teureren Produktionen nicht zu verstecken braucht. Zwar errät der aufmerksame Zuschauer die Auflösung schon eine halbe Stunde vor Schluss, aber man wird dennoch bis zur letzten Minute unterhalten. Dabei stört nur das betont actionreiche (und gerade deshalb unpassende) Finale, das zum Ambiente des besonnenen, einfallsreichen und erfrischenden Films gar nicht passen mag.
Das Drehbuch wartet dabei neben einigen wirklich guten Ideen vor allem mit überzeugenden und realistischen Charakteren auf, die sich auch durch ihre Vertrautheit unter einander auszeichnen. Man sieht der Gruppe, die einen schweren Verlust erlitten hat, sofort an, dass sie schon seit Jahren zueinander gehören. Schon deshalb rechnet man zu Beginn eher mit einem Drama, als einem Mystery-Thriller, denn das Setting im einsamen Haus mit den fünf Beteiligten hätte sich auch hervorragend für ein Kammerspiel geeignet.
Wenn jedoch die unheimlichen Situationen zunehmen, die vor allem deshalb intensiv geraten sind, weil man eben nicht wirklich etwas Erschreckendes zu sehen bekommt, sondern sich zusammen mit dem auf sich allein gestellten Hauptcharakter in einer grundsätzlich alltäglichen Situation befindet. Diesen entwickelt sich aber außergewöhnlich beängstigend, und so folgt der Film seinem natürlichen Weg, bis er bisweilen unerwartete Haken schlägt. Die Hintergrundgeschichte wird ansprechend dargebracht und auch die notwendigen Informationen, die den Zuschauer animieren sollen, mitzudenken, werden geschickt verwoben.
Aber eben da Midsommer aus dem Klischee der Teenie-Slasher ausbricht und stattdessen eigenständig seinen Weg als dicht erzählte Grusel-Geschichte findet, erscheint das actionreiche und auch recht klischeehafte Finale so unnötig. Anstatt nach der immer weiter gestiegenen Spannung das Ganze in einer Aussprache enden zu lassen, müssen im wahrsten Sinne des Wortes Schüsse fallen. Hier wäre mit einem ruhigeren Ausklang – das hat man unter anderem beim kongenialen The Sixth Sense [1999] gesehen – deutlich mehr drin gewesen.
Ansonsten ist das Skript von Rasmus Heisterberg, der bislang hauptsächlich fürs Fernsehen tätig war, wirklich gut geraten und verlässt sich auf eine Story, die eher erwachsene, als jugendliche Zuschauer ansprechen dürfte.
Von den Darstellern sind in ihren Landen vor allem Laura Christensen (unter anderem in den beiden Geister-Produktionen zu sehen) und Tuva Novotny bekannt und werden schon als Stars gefeiert. Auch wenn man von der hier sehr schüchtern erscheinenden Novotny nicht viel zu sehen bekommt, Christensen steht ihre Rolle nicht nur sehr gut, sie überzeugt sowohl in ihren ruhigen, als auch ihren aufbrausenden Szenen und rettet mit ihrer Mimik auch das Finale.
Hauptdarsteller Kristian Leth war bislang noch nicht häufig vor der Kamera zu sehen, umso erfreulicher, dass er gerade durch seine natürliche Ausstrahlung der Rolle neue Facetten verleiht.
Für Jon Lange war es die erste Schauspielarbeit – für Julie Ølgaard ebenso – dabei wirkt er wie eine europäische Version eines ernsten Seann William Scott, und das ist wirklich als Kompliment gemeint; man kann hoffen, dass er in Zukunft auch häufiger in internationalen Produktionen zu sehen sein wird. Ølgaard hat hier zwar die kleinste Rolle, erfüllt sie aber ansprechend, wenngleich nicht übermäßig begeistert. Was bei ihr leider fehlt ist irgendeine differenzierte Ausdrucksweise, ob sie nun über den Tod von Christians Schwester traurig ist, oder nicht. Auch dahingehend wäre mehr möglich gewesen.
Nicolai Jandorf Klok kommt ebenfalls nicht vollends zur Geltung, überrascht aber mit einem guten Spiel sowohl bei den witzigen, als auch ernsten Sequenzen.
Da im Gegensatz zu US-Filmen wie Scream – Schrei! [1996] hier im wahrsten Sinne des Wortes blutjunge Darsteller zu sehen sind, die sich nicht auf einen erfahreneren Kollegen stützen konnten, wie es beispielsweise bei vielen anderen Produktionen der Fall ist, ist es umso überraschender, dass die Besetzung von Midsommer neben dem natürlichen Miteinander auch die schwierigen, anspruchsvollen Szenen und Auseinandersetzungen gut meistert.
Inszenatorisch erinnert Myllerups Film bisweilen eindeutig an Blair Witch Project [1999], auch wenn sich die Optik nur entfernt daran orientiert. Stattdessen fangen Kameramann und Cutter die Sicht der Dinge sehr oft aus Christians Augen ein. Von der Gegenseite (also so, dass man als Zuschauer weiß, dass da jemand ist, der ihn beobachtet) bekommt man nur sehr selten etwas zu sehen; gerade deshalb verstärkt sich bei den Nachtszenen die unbehagliche Atmosphäre ungemein. Eben dadurch, dass man vieles gar nicht zu sehen bekommt (sei es nun die erste Sequenz mit den Autolichtern, die von selbst angehen) erscheinen einem alltägliche Situationen auf einmal unheimlich.
Optisch erzeugt Carsten Myllerup sogar im freiläufigen Wald eine klaustrophobische Atmosphäre und schmückt seinen Film mit ab und an malerischen Bildern, warmen Farben und dem heimeligen alten Haus, das aber schon im nächsten Moment bedrohlich wirken kann.
Zusammen mit der guten Set-Ausleuchtung gelingt dem Regisseur hier eine wirklich gute Inszenierung, die auch bei der Séance mit einigen Klischees bewusst bricht. So ist auch das actionhaltige Finale nicht schlechter umgesetzt, sondern wirkt allenfalls inhaltlich erzwungen.
Der Komponist Søren Hyldgaard tut sein Übriges, um die schauderhafte Stimmung aufrecht zu erhalten. Neben einigen gelungenen Themen unterstützt er die Bilder vor allem mit ruhigen, sphärischen Klängen, die aber durch ihren enormen Bassgehalt ein mulmiges Gefühl erzeugen. Zwar setzt auch er gekonnt laute Instrumente ein, um Schockeffekte im Film zu untermalen, dies ist jedoch bei weitem nicht so aufdringlich geraten, wie bei manch anderen Produktionen.
Sein Score passt sich dynamisch den Ereignissen im Film an und fällt niemals negativ auf.
Ein Meisterwerk mag den Machern hier zwar nicht gelungen sein, betrachtet man das Ganze aber im Verhältnis zu einem Film wie Todesschlaf [1997], so stellt man als erstes fest, dass Midsommer durch seine wirklich eindrucksvolle Stimmung getragen wird. Das macht den Film für sich bereits sehenswert und hebt ihn deutlich über die Masse an Tennie-Horror-Filmen hinaus.
Die natürlichen Figuren und die tadellose Optik trösten aber sogar über das eher unpassende Ende hinweg.
Fazit:
Obgleich die Geschichte nicht neu ist, sie ist von Regisseur Carsten Myllerup zumindest gut erzählt mit einer überlegten Kameraführung, die neben eindrucksvollen Landschaftsaufnahmen auch immer wieder mit einem sauberen, sich bis ins beklemmende steigernden Szenenaufbau überzeugen kann. Den sympathischen und überzeugenden Darstellern, allen voran Kristian Leth ist es zu verdanken, dass man als Zuschauer auch stets das Gefühl hat, die Figuren würden sich nicht nur natürlich verhalten, sondern auch so reden.
Das Finale von Midsommer ist zwar nicht schlecht geraten, fällt hinter dem wirklich sehr guten Mittelteil aber deutlich zurück. Trotz allem bleibt der Film, der in keinster Weise von einem Mord in der Mittsommernacht handelt, stets unterhaltsam und spannend – am besten geeignet natürlich für die Nacht zum 24.6., das Datum des Johannis- / Mittsommerfestes.