Matrix Resurrections [2021]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 21. Dezember 2021
Genre: Science Fiction / Action / Thriller

Originaltitel: The Matrix Resurrections
Laufzeit: 148 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2021
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Lana Wachowski
Musik: Johnny Klimek, Tom Tykwer
Besetzung: Keanu Reeves, Carrie-Anne Moss, Jessica Henwick, Yahya Abdul-Mateen II, Jonathan Groff, Neil Patrick Harris, Priyanka Chopra Jonas, Jada Pinkett Smith, Daniel Bernhardt, Eréndira Ibarra, Max Riemelt, Brian J. Smith, Toby Onwumere, Lambert Wilson


Kurzinhalt:

Spieledesigner Thomas Anderson (Keanu Reeves) ist eine Berühmtheit. Seine Spiele-Trilogie „The Matrix“ hat nicht nur das Medium neu definiert, sondern die Frage aufgeworfen, was ist Wirklichkeit und was nicht. Daran ist Thomas selbst beinahe zerbrochen und wird immer wieder von Visionen heimgesucht, als sei, was er in seinen Spielen verarbeitet hat, wirklich geschehen. Sein Therapeut (Neil Patrick Harris) begleitet ihn auf dem Prozess der Genesung, als Thomas von einer jungen Frau aufgesucht wird, Bugs (Jessica Henwick), die ihm erklärt, dass er nicht verrückt ist, sondern tatsächlich in einer Computersimulation gefangen. Zusammen mit Morpheus (Yahya Abdul-Mateen II) begibt sich Thomas, unter dem Namen Neo, auf eine Reise, die ihm vertraut vorkommt. Doch die Spielregeln haben sich geändert, selbst wenn ihm Widersacher wie Smith (Jonathan Groff) erneut begegnen. Neos Weg führt ihn unweigerlich zu Trinity (Carrie-Anne Moss), die als Tiffany in der Matrix ein glückliches Leben führt, nicht ahnend, dass sie wie Neo Teil der Gleichung ist …


Kritik:
Bei späten Fortsetzungen ist oftmals die Befürchtung groß, dass damit die Wirkung der in die Popkultur übergegangenen Geschichten und Figuren geschmälert wird. Was aber, wenn von einer Trilogie nur der erste Film überhaupt diese Wirkung hatte und dessen Fortsetzungen damals bereits mit stark gemischten Gefühlen aufgenommen wurden? Hat ein Sequel, das beinahe 20 Jahre später ansetzt, dieselben Hürden zu nehmen? Die Skepsis jedenfalls war groß, als Lana Wachowski, die mit ihrem Bruder die Matrix-Filme erschaffen hatte, eine Fortsetzung ankündigte. Umso mehr, da die Geschichte um den Auserwählten Neo, der entdeckt, dass er in einer Computersimulation lebt und die Menschheit in Wirklichkeit von Maschinen versklavt wurde, einen definitiven Abschluss hatte. Sowohl für die Story als auch die Figuren. Matrix Resurrections hatte daher eine enorme Aufgabe zu erfüllen, um einerseits mit einer teils zurückkehrenden Besetzung eine Weitererzählung der Geschichte überhaupt zu ermöglichen, und andererseits eine Idee zu präsentieren, die ähnlich überraschend und verblüffend ist, wie die von Matrix [1999] damals. Letztlich herausgekommen ist eine Fortsetzung, die sich nicht nur sehr viel auf ihre Vorgänger bezieht, sondern der Erzählung des ersten Films lange Zeit geradezu versessen folgt. Dass es den Verantwortlichen trotz allem gelingt, diese Figuren auf so überzeugende Weise erneut zum Leben zu erwecken, wird Fans freuen, wie auch das Ende, das mehr ermöglicht.

Dabei beschleicht einen vom ersten Moment an das Gefühl eines Déjà-vu. Von den leicht flackernden Logos über die Musik, bis hin zur gesamten Eröffnungssequenz könnte dies ein Remake des ersten Matrix-Films sein. Mit kleinen Variationen. Wie sich herausstellt, ist dies derselbe Moment, beobachtet durch die Augen von Bugs, die vor Jahren bereits befreit wurde und nun in dieser Iteration der Computersimulation der Matrix auf der Suche ist – nach Neo, dem Auserwählten, um den sich Geschichten ranken. Sie trifft auf Morpheus, der hier nicht von Laurence Fishburne gespielt wird. Auch dies ist eine Abweichung, aber eine, die die Verantwortlichen erklären. Im Zentrum steht erneut Neo, auch bekannt als Thomas Anderson. Kenner der vorigen Teile mögen sich fragen, wie das sein kann und es soll genügen zu sagen, dass Matrix Resurrections seinen Titel nicht umsonst trägt. Thomas ist ein Spieledesigner, dessen bekanntestes Werk eine Trilogie mit dem Titel „The Matrix“ ist. Wie das Publikum lernt, glaubt Thomas offenbar, dass die Ereignisse der vorigen Filme nur eine Illusion waren, die er selbst als Videospiel aufgearbeitet hat. Ausschnitte daraus sind hier auch immer wieder verteilt eingestreut. Nun teilt sein Boss, Smith, ihm mit, dass die Muttergesellschaft seiner Spielefirma „Deus Machina“, Warner Bros., eine Fortsetzung verlangt, und so sitzt Thomas mit den übrigen Spieledesignern an einem Tisch, die ihm in einer langgezogenen Sequenz erklären, was (das Spiel) „The Matrix“ so besonders gemacht hat und was eine Fortsetzung beinhalten sollte.

Es ist ein Abschnitt im ersten Drittel, der sich so auffällig an das Publikum richtet, als wollten die Verantwortlichen mit dem Fingerzeig von der Leinwand sagen, dass sie wüssten, welch große Verantwortung es ist, eine Fortsetzung zu Matrix zu versuchen und dass sie sich der Herausforderung bewusst sind. Doch funktioniert das nur bedingt, auch, weil nichts davon im späteren Verlauf noch relevant wird. So wird Thomas, der sich auf Grund seiner vermeintlichen Halluzinationen bei dem von Neil Patrick Harris überaus amüsant gespielten Therapeuten in Behandlung befindet, eher zufällig von Bugs gefunden und daraufhin in die wirkliche Welt gebracht. Bis es soweit ist, trifft er auf Trinity, die nun Tiffany heißt, verheiratet ist und zwei Kinder hat. Sie beide fühlen die gegenseitige Anziehung, ohne genau sagen zu können, weshalb. Knapp die erste Hälfte erzählt so in groben Zügen, bis hin zu Trainingseinheiten und unter Verweis auf Matrix: Reloaded [2003] Matrix: Revolutions [2003] die Story des ersten Matrix-Films nach. Das ist nett, aber nicht wirklich packend, zumal es einige entscheidende Fragen nicht beantwortet. Die Antworten kommen später, wenngleich sie dann eher unspektakulär vorgetragen, anstatt herausgefunden werden.

Erst, wenn Neo in der richtigen Welt angekommen ist und eine alt gewordene Bekannte trifft, hat man das Gefühl, dass die Geschichte auch eine neue Richtung einschlägt. Welche das ist, sollte ein interessiertes Publikum am besten selbst erleben. Wichtig ist dabei zu wissen, dass die Story die vorigen Filme nicht ungeschehen macht, sondern auf ihnen aufbaut. Wer mit diesen vertraut ist, wird sich hier somit besser zurecht finden. Nicht nur, weil es einige Auftritte von bekannten Figuren gibt, die aber bis auf zwei kaum ins Gewicht fallen. Gerade Darsteller wie Fishburne und Hugo Weaving als Morpheus bzw. Agent Smith, werden hier aber schmerzlich vermisst, insbesondere, weil ihre Figuren durch Akteure wiederbelebt werden, die schlicht nicht deren Ausstrahlung wiedergeben können. Neben Keanu Reeves als Neo und Carrie-Anne Moss als Trinity, die beide nicht nur wieder eine enorme physische Präsenz ausstrahlen, sondern zu ihren Figuren zurückfinden müssen, bleibt vor allem Jessica Henwick als Bugs Erinnerung. Dass auch sie immerhin eine gelungene Kampfsequenz für sich in Anspruch nehmen darf, rundet ihren Charakter gelungen ab.

Handwerklich kann Lana Wachowskis Inszenierung durchweg überzeugen, wobei die einzelnen Actionsequenzen nie den Eindruck erwecken, sie wären in der gleichen Art und Weise komponiert wie damals bei Matrix. So sucht man hier Highlights, die haften bleiben, über weite Strecken vergebens, obwohl die Action mitunter durchaus packend umgesetzt ist und einzelne Einstellungen malerisch ausgewählt sind. Umso gelungener ist die Symbolik am Ende, die das Prinzip des Auserwählten gelungen auf den Kopf stellt und gleichzeitig unterstreicht, was für die tragenden Figuren im Lauf dieses Films nur mehr gilt, aber auch auf die vorigen Filme angewandt werden kann. Es ist vielleicht die wichtigste Erkenntnis dieser späten Fortsetzung, dass selbst wenn Matrix Resurrections den existenziellen Fragen des ersten Films nur wenig hinzufügen kann und die Grundprinzipien dieselben bleiben, es doch Variationen zu entdecken gibt. Darunter die Frage, ob es überhaupt so etwas wie einen freien Willen, eine Wahl, das Richtige zu tun, gibt. Das ist mehr, als manch andere geistige Nachfahren des ersten Films von sich sagen können.


Fazit:
Die in Schnipseln eingestreuten Momente der vorigen Filme unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich des Alters der Figuren, sondern auch hinsichtlich der Optik und der Farbgebung. Eine solche Handschrift lässt Lana Wachowski vermissen, selbst wenn ihr immer wieder Einstellungen gelingen, die verblüffen und die wohl ausgesucht sind. Doch selbst wenn sich ihr spätes Sequel kürzer anfühlt, als die zweieinhalb Stunden Laufzeit (inklusive der Szene nach dem Abspann) vermuten lassen, dass das erste Drittel mehr Nacherzählung als eigenständige Geschichte ist, kann sie nicht verbergen. Für ein Publikum, das mit den vorigen Filmen vertraut ist, ist das nie langweilig, zumal man sich fragt, wie all dies überhaupt sein kann, aber es dauert zu lang und wird erst dann wirklich interessant, wenn die Story eigene Wege geht. Auf diesem Pfad fehlt vor allem ein greifbarer, Furcht einflößender Widersacher wie Agent Smith, zumal der „Schwarm“, wenn die Matrix Zivilisten übernimmt, anstatt Agenten zu senden, Abschnitte wie das Finale nur brutaler erscheinen lässt. Die Befürchtung, dass dieser Film die vorigen Ereignisse ungeschehen macht, ist unbegründet und tatsächlich ist Matrix Resurrections besser als manche Abschnitte des zweiten, ganz zu schweigen der dritte Teil. Doch es ist eben nur eine Variation des bekannten Themas, die das abschließende Ende von Revolutions öffnet und die Figuren versöhnlicher zurücklässt. Für manche Fans der vorigen Filme mag dies genau der falsche Weg sein, man kann es aber auch als Chance sehen und daraus machen die Verantwortlichen einen überaus unterhaltsamen Science Fiction-Action-Film, der den Figuren treu bleibt. Das ist viel mehr, als viele im Vorfeld erwartet haben.