Liebesgrüße aus Moskau [1963]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 20. April 2013
Genre: Thriller

Originaltitel: From Russia with Love
Laufzeit: 115 min.
Produktionsland: Großbritannien
Produktionsjahr: 1963
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Terence Young
Musik: John Barry
Darsteller: Sean Connery, Daniela Bianchi, Pedro Armendáriz, Lotte Lenya, Robert Shaw, Bernard Lee, Eunice Gayson, Walter Gotell, Francis De Wolff, Nadja Regin, Lois Maxwell, Martine Beswick, Vladek Sheybal, Anthony Dawson, Desmond Llewelyn


Kurzinhalt:
Der Leiter der Verbrecherorganisation "Phantom" hat einen Plan ersonnen, wie er sowohl eine russische Dechiffriermaschine in seinen Besitz bringen und sich für den Tod seines Mitarbeiters Dr. No rächen kann. Hierfür beauftragt er Rosa Klebb (Lotte Lenya), eine treue KGB-Agentin auszuwählen, die angeben soll, zu den Briten überzulaufen. So zitiert M (Bernard Lee) wenig später Geheimagent James Bond (Sean Connery) zu sich; es habe sich die in Istanbul stationierte Tatiana Romanova (Daniela Bianchi) gemeldet, die sich in Bond verliebt habe und überlaufen wolle. Als Zeichen ihrer Aufrichtigkeit, würde sie die Dechiffriermaschine Lector dazu liefern.
Der MI6 wittert eine Falle, doch ist die Aussicht auf ein solches Gerät zu verlockend, um es komplett auszuschlagen. So reist Bond in die Türkei und trifft dort Kerim Bey (Pedro Armendáriz), Leiter des dortigen Geheimdienstes. Als er sich mit Romanova trifft, scheint diese aufrichtig, dabei weiß weder Bond, noch sie selbst, dass beide dem Phantom zuspielen, das sämtliche Schritte der verschiedenen Parteien geplant und berücksichtigt hat ...


Kritik:
Nach dem Millionenerfolg von James Bond 007 jagt Dr. No [1962] meldet sich der Geheimagent in Liebesgrüße aus Moskau nicht nur mit einem damals aktuellen Bezug zum Kalten Krieg zurück, sondern zeigt sich ebenso humorvoller wie actionreicher. Nichtsdestotrotz schlägt im zweiten Agentenabenteuer das Herz eines Spionagethrillers, der erstaunlich viele Bezüge zum vorangegangenen Film bietet. Eine solch direkte Überleitung gab es in der 50jährigen Geschichte der Kinoreihe selten und wird den deutschen Zuschauern hier durch eine bedeutende Namensänderung unnötig schwer gemacht. Wurde in Dr. No die Verbrecherorganisation G.O.F.T.E.R. erwähnt, welcher der Titel gebende Bösewicht angehörte, ist nun vom "Phantom" die Rede. Hierhinter versteckt sich (ein Blick ins Englische Original offenbart beides Mal den Namen S.P.E.C.T.R.E.) jedoch ein und dieselbe Gruppierung, deren Nummer eins man sogar zu sehen bekommt – zumindest ansatzweise, seine schneeweiße Katze ist sein Markenzeichen. Er steckt auch hinter dem Komplott, dem sowohl der britische, wie auch der russische Geheimdienst auf den Leim geht.

So berichtet der Leiter des britischen MI6, dass die russische Agentin Tatiana Romanova sich in James Bond verliebt habe und überlaufen wolle, allerdings nur, wenn Bond selbst die Übergabe überwachen würde. Zudem würde sie die Dechiffriermaschine Lector beschaffen, deren Code die Westmächte bislang nicht entschlüsseln konnten. Auch wenn der MI6 eine Falle vermutet, Bond wird losgeschickt, Romanova auszukundschaften. Dass sie von der Phantom-Mitarbeiterin Rosa Klebb mit eben diesem Plan beauftragt wurde, um einerseits an die Maschine zu gelangen und auch, um James Bond auszuschalten, ist zwar dem Publikum bekannt, doch nicht einmal Romanova weiß, für wen sie tatsächlich arbeitet.

So schlicht die Grundgeschichte von Liebesgrüße aus Moskau gestrickt ist, zusammen mit der Verwicklung des türkischen Geheimdienstes in Istanbul und des KGB ergibt dies ein verschachteltes Spiel um Loyalität und Verrat, in dem auch Bond lange Zeit im Dunkeln tappt. Nur bleibt die Geschichte leider eines schuldig, nämlich eine Erklärung für die Wandlung der staatstreuen Kommunistin Romanova, die sich tatsächlich in James Bond verliebt. Dass dem so ist, wird vom Skript unterstellt, doch wie es geschieht, bleibt ein Rätsel.
From Russia with Love, so der Originaltitel wartet mit dem ersten Gastauftritt einer Figur des Bond-Universums auf, welche die Reihe über dreieinhalb Jahrzehnte hinweg begleitet hat: Waffenmeister Q stellt dem Doppelnullagenten hilfreiche Ausrüstung vor, die er beim kommenden Einsatz wird verwenden können. Auch gibt es in diesem Film bereits die Eröffnungsszene durch den Pistolenlauf zu sehen, die ebenso zum Markenzeichen der Reihe geworden ist, wie der Teaser vor dem eigentlichen Vorspann, der vom Filmsong begleitet wird. Dieser wird hier zwar erst später gespielt, trägt allerdings denselben Namen wie der Film im Englischen.

So bekommen Zuseher mehr noch als im ersten Film das Gefühl, einen klassischen James Bond-Film zu sehen, vollständig mit einer erstklassig eingefangenen Actionszene als Zweikampf im Zugabteil. Was aus heutiger Sicht verwundert ist die Tatsache, dass es wenige ausladende Actionsequenzen gibt und sich Liebesgrüße aus Moskau als klassischer Agententhriller entpuppt. Doch dies ist kein Kritikpunkt, sondern verdeutlicht nur, was Autor Ian Fleming mit seiner Romanfigur im Sinn hatte. Für ihn war es der letzte Film, dessen Premiere er selbst erlebte.
Beginnt nach knapp zwei Stunden der Abspann über den Bildschirm zu rollen, ist die Welt im Film nicht nur wieder ein bisschen sicherer geworden, man hat das Werken der Geheimdienste zu sehen bekommen, wie es vermutlich durchaus gewesen ist: Intrigen werden gesponnen und verschiedene Seiten eines Konflikts so gegeneinander ausgespielt, dass eine dritte Partei den größten Nutzen daraus zieht. Und selbst wenn die Supermächte wie hier der Meinung sind, sie hätten am Ende gewonnen, tatsächlich wissen sie noch nicht einmal, wer dahinter steckt. Insofern hält sich Liebesgrüße aus Moskau einige Fragen offen, die in späteren Filmen beantwortet werden können.


Fazit:
Dass die Atmosphäre zwischen James Bond und Tatiana Romanova zu knistern beginnt, ist angesichts des Kalten Krieges in jener Zeit mit Sicherheit skeptisch beäugt worden. Doch dank des charmanten Auftretens von Sean Connery, der sich in der Rolle sichtlich wohlzufühlen scheint, ist es auch nicht weiter verwunderlich. Dennoch verkommt Daniela Bianchi, die sich nur wenige Jahre später aus dem Filmgeschäft zurückzog, über weite Strecken zur Randfigur, was hauptsächlich daran liegt, dass die Hintergründe ihrer Sinneswandlung nicht erläutert werden.
Sieht man darüber hinweg, gibt sich Liebesgrüße aus Moskau als tadellos gemachter Agententhriller, der die verworrene Situation der verschiedenen Mächte innerhalb Europas und des Balkan anschaulich vorstellt, ohne eine Seite zu verurteilen. Vielmehr werden sie von einem Verbrechersyndikat vorgeführt, das immer mehr an Form gewinnt. Spannend und atmosphärisch lebt der Film ebenso von seiner geerdeten Geschichte, wie von seinen Darstellern. Das macht ihn zu einem Klassiker der Reihe.