Just Mercy [2019]

Wertung: 5.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 17. Februar 2020
Genre: Drama

Originaltitel: Just Mercy
Laufzeit: 137 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2019
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Destin Daniel Cretton
Musik: Joel P. West
Besetzung: Michael B. Jordan, Jamie Foxx, Brie Larson, Rafe Spall, Tim Blake Nelson, Rob Morgan, O’Shea Jackson Jr., Michael Harding, Darrell Britt-Gibson, Lindsay Ayliffe, C.J. LeBlanc, Ron Clinton Smith


Kurzinhalt:

Im Jahr 1987 wird in Monroe County, Alabama, der Holzfäller Walter McMillian (Jamie Foxx) bei einer Straßensperre verhaftet. Ihm wird vorgeworfen, eine junge Frau ermordet zu haben. Das ursprüngliche Urteil einer lebenslangen Haft wird vom zuständigen Richter in eine Todesstrafe umgewandelt. Zwei Jahre später wartet Walter auf seine Hinrichtung, als der idealistische junge Anwalt Bryan Stevenson (Michael B. Jordan) erscheint, der sich nach seinem Abschluss freiwillig nach Alabama aufmacht, um dort ein Zentrum für rechtlichen Beistand von zum Tode verurteilten Häftlingen zu gründen. Zusammen mit seiner Mitarbeiterin Eva Ansley (Brie Larson) sehen sie sich von Grund auf vielen Anfeindungen gegenüber. Dabei entdeckt Bryan Unstimmigkeiten bei Walters Prozessprotokollen, die der Strafverfolger Tommy Chapman (Rafe Spall) jedoch nicht als Anlass nehmen will, den Fall erneut zu untersuchen. So beginnt Bryans Kampf gegen ein System, das nicht so sehr auf Grund von Beweisen verurteilt, als auf Grund der Hautfarbe. Die Widrigkeiten, denen er sich gegenübersieht, übersteigen dabei seine schlimmsten Befürchtungen …


Kritik:
An sich erzählt das auf wahren Begebenheiten basierende Drama Just Mercy von zwei Ungerechtigkeiten. Dass sie oft miteinander verbunden sind, schmälert weder die eine, noch die andere. Von einer erstklassigen Besetzung vorgetragen, schildert Filmemacher Destin Daniel Cretton, wie sich ein idealistischer junger Anwalt gegen Rassismus und die Todesstrafe zugleich starkmacht. Das ist öfter inspirierend als bewegend, aber dabei nichtsdestoweniger wichtig – oder aktuell.

Dabei haben sich die Ereignisse vor beinahe 30 Jahren zugetragen, als der Harvard-Absolvent Bryan Stevenson als junger, farbiger Anwalt nach Alabama zieht, um zum Tode Verurteilten Strafgefangenen Rechtsbeistand zu gewähren. Dass dies in dem konservativen County, in dem er sich niederlässt und wo er mit der ebenso ehrgeizigen Eva Ansley eine Organisation gründet, nicht auf Verständnis stößt, bemerken sie bereits bei seiner Ankunft, als ihnen kurzerhand die Büroräume nicht zur Verfügung gestellt werden, die sie an sich anmieten wollten. Als Bryan entscheidet, den als Mörder verurteilten Walter „Johnny D.“ McMillian zu vertreten, der ein paar Jahre zuvor eine 18jährige, weiße junge Frau erwürgt und erschossen haben soll, weil Bryan eklatante Fehler in den Zeugenaussagen findet, werden die Anfeindungen nur noch spürbarer und bedrohlicher. Dies reicht von einer erniedrigenden Leibesvisitation, die der Anwalt bei seinem ersten Besuch im Gefängnis über sich ergehen lassen muss, bis zu Bombendrohungen und sogar eine unmittelbare Einschüchterung durch die Polizei. Die war damals nicht in der Lage gewesen, den Mord innerhalb eines Jahres aufzuklären, besitzt im County durch Sheriff Tate jedoch eine unvorstellbare Macht.

Dabei ist Just Mercy kein Krimi, der sich darum dreht, wer den Mord begangen hat, sondern nur um die Fragen, welche Verfahrensfehler und Einflussnahme Bryan aufdeckt, und ob es ihm gelingen kann, Walter frei zu bekommen. Als solches erzählt Regisseur Cretton ein ruhiges Gerichtsdrama, das erstaunlich wenig Zeit vor Gericht verbringt. Vielmehr zeigt er die Vorbereitungen und Ermittlungen, die am Ende helfen sollen, eine Aufarbeitung von Walters Verurteilung zu erreichen. Dass dies ausgerechnet in Monroeville, Alabama geschieht, dem Ort, an dem das Museum zu Harper Lees mit dem Pulitzerpreis ausgezeichneten Roman Wer die Nachtigall stört [1960] steht, der die Rassendiskriminierung in den Südstaaten zum Thema hat, scheint wie ein Wink des Schicksals. Dass Bryan selbst von Strafverfolger Chapman gesagt bekommt, er werde viele Menschen wütend machen, wenn er sich Fällen wie dem von McMillian annimmt, spricht ebenso Bände. Regisseur Destin Daniel Cretton stellt Walter McMillian für das Publikum wie für Bryan indirekt vor. Durch Bryans Besuch bei Walters Familie erhält er einen anderen Blick auf die Person, die in jener Todeszelle auf ihre Hinrichtung wartet. Die ist nicht ohne Fehler, aber nicht dessen schuldig, was ihr vorgeworfen wird.

Die Szenen, die Walter innerhalb des Todestrakts zeigen, präsentieren weitere Insassen, bei denen man meinen könnte, ihre Auftritte wären nicht notwendig. Doch gerade hier zeigt es sich, wie behutsam das Drama seine Figuren entwickelt und was sie über das System der Todesstrafe an sich aussagen. Sie alle tragen zur Authentizität des Dramas bei und sind durchweg hervorragend besetzt. Als zum Tode verurteilter Kriegsveteran ist Rob Morgan schlicht fantastisch und in der Rolle des wichtigsten Belastungszeugen für Walters ursprüngliche Verurteilung, ist Tim Blake Nelson preiswürdig packend. Dem gegenüber hat Michael B. Jordan in der Rolle des ambitionierten und idealistischen Anwalts erstaunlich wenig zu tun, selbst wenn die feinen Schattierungen seiner Darbietung toll zur Geltung kommen. Als Walter McMillian ist Jamie Foxx bemerkenswert stark, selbst wenn es nur wenige Momente gibt, in denen seine Wut angesichts dieser ihn betreffenden Ungerechtigkeit nach außen dringen.
Just Mercy ist ein Justizdrama, das langsam aufgebaut wird und sich nicht einem Krimi gleich entwickelt. Als solches ist der Film nicht nur gelungen, er trifft an den richtigen Stellen ins Mark, selbst wenn sein Fokus immer wieder zwischen der angeprangerten Ungleichbehandlung von Afroamerikanern im Justizsystem und der Todesstrafe als solches hin und her schwankt. Ein starker Film.


Fazit:
Bekundet ein zum Tode Verurteilter am Tag seiner Hinrichtung, dass ihn noch nie so viele Menschen gefragt hätte, ob sie ihm helfen könnten, wie an diesem Tag, dann sagt das viel über die Gesellschaft an sich aus. Mit starken Dialogen, einer hervorragenden Besetzung bis in die Nebenrollen und einem Gespür, die Ungerechtigkeit des Geschehenen hervorzubringen, ohne die Fassungslosigkeit, die sie bedingt, durch Wut zu ersetzen, gelingt dem Drama ein sehenswertes Porträt eines Systems, das mehr nach der Hautfarbe als der Wahrheit entscheidet. Dabei gerät Regisseur Destin Daniel Cretton nie wütend, oder wütend genug, und so fehlt es Just Mercy trotz der fantastischen Stimmung etwas an emotionalem Gewicht. Nichtsdestotrotz ist dies ein ebenso erstklassiges und wichtiges wie sehenswertes Drama, das nichts von seiner Aktualität verloren hat. Wenn überhaupt, regt es das Publikum an, darüber nachzudenken, was sich in den vergangenen drei Jahrzehnten tatsächlich geändert, geschweige denn verbessert hat. Die Antwort darauf sollte einem zu denken geben.