Indiana Jones und das Rad des Schicksals [2023]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 21. Juni 2023
Genre: Action / Fantasy

Originaltitel: Indiana Jones and the Dial of Destiny
Laufzeit: 142 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2023
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: James Mangold
Musik: John Williams
Besetzung: Harrison Ford, Phoebe Waller-Bridge, Mads Mikkelsen, John Rhys-Davies, Toby Jones, Boyd Holbrook, Ethann Isidore, Antonio Banderas, Shaunette Renée Wilson, Thomas Kretschmann, Karen Allen, Olivier Richters, Mark Killeen


Kurzinhalt:

25 Jahre, nachdem er auf der Suche nach der Longinus-Lanze gegen Ende des Zweiten Weltkriegs erstmals auf die von Archimedes gebaute und in zwei Teile aufgespaltene Antikythera stieß, die besondere Kräfte beinhalten soll, holt das unvollständige Artefakt den Dozenten Dr. Henry Jones, Jr., seinen Freunden bekannt als Indiana Jones (Harrison Ford), wieder ein. Die Tochter seines Archäologie-Kollegen Basil Shaw (Toby Jones), Helena (Phoebe Waller-Bridge), will die Suche nach der Antikythera beenden, die ihren Vater verrückt werden ließ. Obwohl Jones das Artefakt auf sich bewenden lassen will, mit dem skrupellosen Wissenschaftler Voller (Mads Mikkelsen) und seinen vielen Schergen ist eine weitere Partei auf die Antikythera aus. So setzt Indiana Jones ein letztes Mal seinen Fedora-Hut auf und stürzt sich in ein Abenteuer, das den Lauf der Geschichte ändern könnte …


Kritik:
James Mangolds Indiana Jones und das Rad des Schicksals ist nicht nur der inzwischen fünfte Teil der beliebten Abenteuerfilmreihe um den Titel gebenden, berühmten Archäologen, es ist gewissermaßen deren dritter Abschluss. Dabei ist die Verabschiedung der von Harrison Ford unnachahmlich gespielten Figur hier besser gelungen, als zuletzt. Doch davon, ein moderner Klassiker wie die ursprüngliche Trilogie zu sein, ist sie weit entfernt. Das liegt nicht an der Geschichte, sondern wie wenig zeitlos sie mitunter präsentiert wird.

Sie beginnt zum Ende des Zweiten Weltkriegs, als Indiana Jones zusammen mit seinem archäologischen Kollegen Basil Shaw auf der Suche nach einem anderen Artefakt nicht nur auf eine Unmenge an Nazisoldaten trifft, sondern auch auf den Wissenschaftler Jürgen Voller, der es sich zum Ziel gesetzt hat, die sagenumwobene Antikythera zu finden. Das Gerät des griechischen Mathematikers und Physikers Archimedes soll über magische Fähigkeiten verfügen. 25 Jahre später sind die Vereinigten Staaten als erste Nation auf dem Mond gelandet. Die Begeisterung hierfür ist in der Bevölkerung größer, als für Jones’ Vorlesungen an der Universität. Gerade, als er in den Ruhestand eintritt, sucht ihn Shaws Tochter und Indianas Patennichte Helena auf, die seit dem Tod ihres Vaters mit Hilfe von dessen Notizen die Suche nach der Antikythera fortführt. Doch ist sie nicht allein auf dieser Suche, dicht auf den Fersen sind Voller, der sich nach Ende des Krieges als Wissenschaftler im Raketenprogramm der NASA einen Ruf erarbeitet hat, und dessen Schergen. So kommt es, dass Indiana Jones kurz darauf des Mordes verdächtigt wird und er versucht, vor Helena und Voller die in zwei Teile aufgeteilte Antikythera zu finden.

Auf diesem Weg begleiten ihn Vertraute wie der aus Indiana Jones - Jäger des verlorenen Schatzes [1981] bekannte Sallah und später auch Helena mit dem nicht von ihrer Seite weichenden Straßenjungen Teddy. All das sind die besten Voraussetzungen für ein geradezu klassisch anmutendes Abenteuer mit mystischem Flair, während Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels [2008] einen bei vielen Fans wenig beliebten Abstecher ins Science Fiction-Genre wagte. Die Story ist auch überraschend gelungen, der lange Auftakt hinter feindlichen Linien durchaus packend und die Mystik so greifbar wie faszinierend. Allerdings fällt auf, dass manche Aspekte wie der Umstand, dass Indiana Jones des Mordes verdächtigt wird und er seine Unschuld beweisen muss, irgendwann keine Rolle mehr spielen und auch nicht aufgelöst werden. Die Suche nach dem Rad des Schicksals führt die Figuren zwar an viele interessante Orte, aber gerade Abstecher wie derjenige zu dem von Antonio Banderas verkörperten Renaldo sind inhaltlich nicht wirklich notwendig und hätten mühelos gestrichen werden können.

Geradezu störend ist jedoch der Umstand, dass kaum etwas hiervon tatsächlich „echt“ erscheint. Zeichneten sich die ersten drei Filme durch eine greifbare Authentizität der exotischen Schauplätze aus, hat man in keinem einzigen Moment das Gefühl, auch nur eine Außenaufnahme von Indiana Jones und das Rad des Schicksals wäre tatsächlich vor Ort entstanden. Angefangen von den Straßenzügen New Yorks, bis hin zu den engen Gassen im marokkanischen Tanger, die mit einem starken Farbfilter eingefangen sind. Das ist umso bedauerlicher, da die zahlreichen Actionszenen im Grunde durchaus gefallen können. Insbesondere die Tuk Tuk-Verfolgungsjagd besitzt eine Verspieltheit, die fabelhaft zur Figur Indiana Jones passt und wie gut dies Filmemacher James Mangold im Grundsatz gelingt, sieht man eingangs an den Szenen im Zug, die durchweg Spaß machen. Doch sobald die Action nach draußen verlagert wird, bei einer Motorradverfolgungsjagd oder den Actionszenen auf dem Zug, ist die Illusion durch das künstliche Aussehen oftmals dahin. Vor allem, da beide Ideen für diese Actionhighlights bereits in Indiana Jones und der letzte Kreuzzug [1989] zu sehen waren und dort nicht (nur) per computergeneriertem Trickeffekt zum Leben erweckt wurden, erscheint es hier umso auffälliger.

Die Trickeffekte sind dabei nicht die offensichtlichste Schwäche und die digitale Verjüngung von Harrison Ford bei der Eingangssequenz die beste, weil meist unscheinbar, die es je zu sehen gab. Doch der künstliche Look des Lichts und die teils so schnellen Schnitte, die eine Übersichtlichkeit vermissen lassen, sind eine Enttäuschung. Das klingt negativer, als es insgesamt gemeint ist, denn Vieles bei Indiana Jones und das Rad des Schicksals gefällt. Die Geschichte insgesamt ist eine tolle Ergänzung der langgedienten Figur des Archäologen. Der Wettlauf gegen die Zeit, ein Artefakt, das den Kurs der Weltgeschichte beeinflussen könnte und ein von Mads Mikkelsen gut verkörperter Bösewicht bleiben ebenso in Erinnerung, wie Charaktermomente, die nicht verbittert oder deprimiert erscheinen, sondern das bewegte Leben der Titelfigur widerspiegeln. Vor allem jedoch fängt Mangold die Atmosphäre eines Indiana Jones-Abenteuers ein und das ist ebenso wie viele Verweise an und die Figuren seiner vorigen Auftritte, einfach schön.


Fazit:
Auf den ersten Blick scheint es, als würde Filmemacher James Mangold den beliebten Archäologen als jemanden präsentieren, der in vielerlei Hinsicht gescheitert ist. Statt in einem Haus, wohnt er in einem kleinen Apartment, er ist geschieden und allein, während seine Studierenden am liebsten woanders wären. Doch das Skript zeigt ihn als Abenteurer, der immer noch Feuer besitzt und seine Situation ist nicht ohne Grund, wie sie ist. Hier verbergen sich tolle Momente, wie wenn Indy erzählt, was er tun würde, könnte er die Zeit zurückdrehen. Der Schluss selbst wird Fans auch dank einer tollen Darbietung von Harrison Ford zu Tränen rühren und er ist ein ebenso gelungener wie respektvoller Abschied für diesen so greifbaren Helden. Doch das tröstet nur bedingt darüber hinweg, dass die solide Inszenierung kaum echt wirkende Aufnahmen unter freiem Himmel präsentiert (weder bei Tag, noch bei Nacht) und die Story Umwege nimmt, die den Film nur länger machen, selbst wenn die Geschichte für sich genommen interessant und mystisch ist. Nicht nur dank Auftritten wie demjenigen von John Rhys-Davies als Sallah fängt Indiana Jones und das Rad des Schicksals dennoch das Flair und den Spaß der Reihe gekonnt und dies besser, als der vorige Teil. Einen Vergleich zur ursprünglichen Trilogie sollte man jedoch nicht ziehen, doch das muss auch gar nicht sein. Ein Publikum, das sich freut, noch einen letzten Abend mit Indiana Jones zu verbringen, wird keinen verbitterten Mann vorfinden und keinen, der sich jenseits seines Alters in ein Abenteuer stürzt. Es findet den bekannten Helden vor, der so viel erlebt hat und der den Fedora-Hut am Ende mehr als verdient an die Wäscheleine hängen darf.