Inception [2010]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Lars Adrian  |   Hinzugefügt am 17. August 2010
Genre: Science Fiction / Action / Drama

Originaltitel: Inception
Laufzeit: 148 min.
Produktionsland: USA / Großbritannien
Produktionsjahr: 2010
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Christopher Nolan
Musik: Hans Zimmer
Darsteller: Leonardo DiCaprio, Ken Watanabe, Ellen Page, Joseph Gordon-Levitt, Tom Hardy, Dileep Rao, Cillian Murphy, Tom Berenger, Marion Cotillard, Michael Caine, Pete Postlethwaite, Lukas Haas


Kurzinhalt:
Dominic "Dom" Cobb (Leonardo DiCaprio) ist einer der Besten seiner Zunft: Zwecks Industrie-Spionage vernetzt er sich mit Schlafenden in einem gemeinsamen Traum, um ihnen auf diese Weise geheime Informationen zu entlocken. Da er allerdings des Mordes an seiner Frau Mal (Marion Cotillard) verdächtigt wird, befindet er sich auf der Flucht und kann nicht in seine Heimat, den USA, zurückkehren, wo die beiden gemeinsamen Kinder von seinem Schwiegervater Miles (Michael Caine) aufgezogen werden.
Da unterbreitet ihm der einflussreiche Industrielle Saito (Ken Watanabe) ein Angebot, das Cobb nicht ablehnen kann: Wenn es Cobb gelingt, bei Saitos Konkurrenten Robert Fischer (Cillian Murphy) eine sogenannte "Inception" durchzuführen, sorgt Saito anschließend dafür, dass die Strafverfolgung bezüglich Cobb eingestellt wird. Unter "Inception" versteht man das Einpflanzen einer Idee in der Traum-Phase, die das Opfer nach Aufwachen für seine eigene hält. Fischer soll auf diesem Weg dazu bewogen werden, nach dem Tod seines Vaters (Pete Postlethwaite) das Familien-Unternehmen zu Gunsten von Saito aufzuteilen.
Cobb stellt für den aufwändigen Auftrag mit ungewissem Ausgang ein Team zusammen, das aus seinem Freund Arthur (Joseph Gordon-Levitt), der Traum-Architektin Ariadne (Ellen Page), dem Fälscher Eames (Tom Hardy) und dem Chemiker Yusuf (Dileep Rao) besteht.
Mittels einer List zwingen sie dem schlafenden Fischer ihr besonderes Traum-Konstrukt in mehreren Ebenen auf und machen sich ans Werk. Doch Fischer kämpft durch zahlreiche Manifestationen seines Unterbewusstseins, wie seinem Berater Peter Browning (Tom Berenger), gegen die Eindringlinge an.
Währenddessen verschweigt Cobb den wahren Hintergrund seiner ganz persönlichen Traum-Projektionen, und bringt auf diese Weise das gesamte Team in Gefahr, für immer im ewigen Dämmerzustand, dem Limbus, gefangen zu bleiben.


Kritik:
Welcher Herausforderung stellt sich ein Filmemacher, dessen letztes Werk eher unerwartet weltweit über eine Milliarde US-Dollar in die Kassen gespült hat und damit für fast eineinhalb Jahre auf Platz 4 der erfolgreichsten Filme aller Zeiten war (bis sich James Camerons Avatar [2009] auf dem ersten Platz niedergelassen hat)?
Mit dieser Frage sah sich Christopher Nolan 2008 konfrontiert, nachdem sein zweites Batman-Epos The Dark Knight [2008] die Kino-Charts stürmte und Heath Ledger posthum zur Legende erhob.

Nolan entschied sich bei seinem siebten Spielfilm für ein Projekt, das er schon seit rund zehn Jahren verwirklichen wollte und dem Studio "Warner Bros." bereits vor acht Jahren nach Insomnia [2002] vorstellte. Seitdem arbeitete er selbst an dem Drehbuch und machte sich erst jetzt daran, dieses auch als Regisseur umzusetzen.
Die obige kurze Inhaltsangabe mag vielleicht zunächst ein wenig verwirrend wirken, und in der Tat verlangt die Handlung von Inception vom Zuschauer höchste Aufmerksamkeit, um zu verstehen, in welcher der verschiedenen Traum-Ebenen sich die Protagonisten gerade befinden und was sie dort zu erreichen versuchen. Doch wer sich auf die zugegebenermaßen ziemlich konstruierte und in psychologischer Hinsicht eher abstrakte Ausgangslage einlässt, sollte keine größeren Schwierigkeiten haben, dem Geschehen zu folgen und eine entsprechende örtliche und zeitliche Einordnung vornehmen zu können.
Dies gilt insbesondere dann, wenn der Zuschauer eine gewisse "Vorbildung" mitbringt: Science Fiction hat sich schon häufig mit den Fragen hinsichtlich Realität und Illusion auseinandergesetzt, und so begegnen einem in Inception Konzepte wieder, die bereits in den Matrix-Filmen [1999/2003], Dreamscape – Höllische Träume [1984], Total Recall [1990], Dark City [1998] oder sogar einigen Star Trek-Episoden, die sich mit dem Holo-Deck beschäftigen, erforscht wurden.
Christopher Nolan schafft das Kunststück, dass er die angesprochenen Themen in ein neues Gewand steckt, das tatsächlich frisch und auf besondere Art einzigartig erscheint, obwohl – oder möglicherweise gerade weil – er auf die zugrunde liegende Technik, die das Eindringen in Träume überhaupt erst ermöglicht, kaum eingeht und nie wirklich klar wird, in welchem Jahr sich die Ereignisse des Filmes zutragen.
Die Erzählstruktur von Inception – insbesondere die Verschachtelung der verschiedenen Traum-Ebenen – und die Tatsache, dass Cobb und sein Team immer wieder gegen weitestgehend gesichtslose, schwerbewaffnete Gegner antreten und sich Schusswechsel mit ihnen liefern müssen, erinnert dramaturgisch in gewissem Sinn an ein Videospiel, in dem die Traum-Ebenen neuen Leveln entsprechen. Durch die zahlreichen Schauplatz-Wechsel verstärkt sich dieses Gefühl noch weiter. Der Umstand, dass der Zuschauer weiß, dass es sich um eine Traumwelt handelt, sorgt für eine Distanz zu den Protagonisten, die verhindert, dass man mit ihnen in gleichem Maße mitfiebert, wie man es tun würde, wenn ihr Auftrag in der realen Welt stattfinden würde. Auch wenn Nolan den Einsatz durch das Element des Limbus erhöht, ist das Gefangensein in einem ewigen Dämmerzustand – aus dem es möglicherweise doch einen Ausweg geben könnte – nicht gleichbedeutend mit einer tatsächlichen Gefahr für Leib und Leben.
Insofern – und auch unter Berücksichtigung von manchen etwas gezwungenen Dialogen – macht Inception bisweilen den Eindruck eines theoretischen und philosophischen Gedankenspiels, das die Form einer Science-Fiction-Story nutzt, um die Reaktionen von Individuen aufzuzeigen, bei denen Realität und Fiktion verschwimmen. Die daraus resultierende Charakter-Studie ist allerdings weniger komplex und im Ergebnis recht vorhersehbar, so dass der Film nicht immer fesselt, und sich der eine oder andere Genre-Fan in den rund zweieinhalb Stunden Laufzeit genötigt sehen könnte, hin und wieder einen Blick auf die Uhr zu werfen.

Eine der Stärken Christopher Nolans, die in allen seinen früheren Werken zum Tragen kam, sorgt auch bei Inception dafür, dass man über die Einschränkungen bei der Geschichte gerne hinweg sieht: Der Regisseur besitzt ein großartiges Gespür für überwältigende Optik und ausgefeilte Action-Sequenzen. Einige der Bilder sind so beeindruckend, dass sie als Inspiration für zukünftige Filmemacher dienen dürften.
Die exzellente Ausstattung, die brillanten Spezial-Effekte, das faszinierende Design der unterschiedlichen Traum-Welten, die Kostüme, Kamera und Schnitt – in all diesen Disziplinen verdient der Film Auszeichnungen der Branche.

Wie schon bei den beiden Batman-Filmen setzt Nolan für die Musik auf die Dienste von Hans Zimmer, der hier jedoch nicht von James Newton Howard unterstützt wird.
Zimmers Score für Inception erinnert ein wenig an seine Kompositionen für The Da Vinci Code [2006], passt wunderbar zu der düsteren Traum-Stimmung des Filmes und hat ein paar mitreißende Momente, bietet aber nicht die Vielseitigkeit und thematische Harmonie seiner Musik für Illuminati [2009].

Christopher Nolan konnte für Inception eine bemerkenswerte Riege an Darstellern gewinnen:
In der Hauptrolle brilliert einmal mehr ein hervorragender Leonardo DiCaprio (Titanic [1997], Shutter Island [2010]) als innerlich zerrissener Cobb.
Er wird ergänzt durch eine Reihe vollends überzeugender Kollegen, die sein Team verkörpern: Joseph Gordon-Levitt (G.I. Joe – Geheimakte Cobra [2009]) als Arthur, Ellen Page (Juno [2007]) als Ariadne, Tom Hardy (Star Trek: Nemesis [2002]) als richtig cooler Eames und Dileep Rao (Avatar) als Yusuf.
In den Nebenrollen sind ebenfalls hochkarätige Schauspieler vertreten, darunter die Nolan-Veteranen Michael Caine und Cillian Murphy (Batman Begins [2005]), aber auch Tom Berenger (Mörderischer Vorsprung [1988]), Pete Postlethwaite (Im Namen des Vaters [1993]) und sogar Lukas Haas (Der einzige Zeuge [1985]).
Der charismatische Ken Watanabe verkörpert den ambivalenten Saito, und setzt starke Akzente wie schon in Last Samurai [2003] mit Tom Cruise.
Eine wichtige Rolle kommt der gebürtigen Französin Marion Cotillard als Cobbs Frau Mal zu, die mit La vie en rose [2007] internationale Bekanntheit erlangte und sich in der Rolle der Edith Piaf einen Oscar erspielte. Interessanterweise hat Piafs Chanson "Rien de rien" eine wichtige Bedeutung in Inception, und die Verwendung des Stückes war geplant, noch bevor Marion Cotillard verpflichtet wurde. Nolan wollte auf "Rien de rien" anschließend sogar verzichten, doch Hans Zimmer überredete ihn, es beizubehalten.

Mit einem Einspielergebnis von weltweit rund 570 Millionen US-Dollar in den ersten vier Wochen bei Produktionskosten von geschätzten 160 Millionen US-Dollar gilt Inception schon jetzt als kommerzieller Erfolg. Sicher ist indes, dass das Werk kaum in die Regionen von The Dark Knight kommen wird. Denn obgleich der Film auch von den meisten professionellen Kritikern positiv bewertet wird, spricht er nicht das breit gefächerte Massenpublikum aller Altersstufen an, das beispielsweise Avatar in die Kino-Säle gezogen hat.
Nichtsdestotrotz ist Christopher Nolan ein insgesamt durchaus faszinierendes und toll in Szene gesetztes Science-Fiction-Epos gelungen, das ein interessantes Thema unterhaltsam und anspruchsvoll aufbereitet. Es spricht für den Filmemacher, dass er den Mut besitzt, trotz Erfolgsdruck seiner ganz persönlichen Vision treu zu bleiben, auch wenn dies nicht zwangsläufig dem Mainstream-Geschmack entspricht.
Inception regt zum Nachdenken und Diskutieren an. Beweis hierfür sind unzählige Internet-Seiten, die unterschiedlichste Erklärungen und Interpretationsmöglichkeiten vorstellen. Nur wenigen Filmen gelingt es heutzutage, dass sich die Zuschauer auch nach dem Kino-Besuch noch längere Zeit mit ihnen beschäftigen.


Fazit:
In technischer Hinsicht liefert Christopher Nolan eine perfekte Arbeit ab. Inception bietet eine hervorragende Ausstattung, engagierte Darsteller, überzeugende Spezial-Effekte und eine makellose Inszenierung.
Doch bei allem anzuerkennenden und in mehrerelei Hinsicht auszeichnungswürdigem Aufwand suggeriert die Traum-im-Traum-im-Traum-Geschichte letztlich eine Komplexität, die sich bei nüchterner und aufmerksamer Betrachtung als nicht so vielschichtig erweist, wie erhofft, und aufgrund der nicht vorhandenen Unmittelbarkeit der Bedrohung – immerhin findet das Geschehen in Träumen statt und nicht in der Realität – auch an Spannung einbüßt.
Inception ist schon visuell und im Hinblick auf die Umsetzung zweifellos ein sehr guter und unbedingt sehenswerter Film; nach Nolans absolut fesselndem The Dark Knight bleibt das Werk allerdings ein wenig hinter den Erwartungen zurück.