In 80 Tagen um die Welt [1989]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 27. Dezember 2023
Genre: Unterhaltung

Originaltitel: Around the World in 80 Days
Laufzeit: 279 min.
Produktionsland: Italien / Deutschland / Jugoslawien / USA
Produktionsjahr: 1989
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren

Regie: Buzz Kulik
Musik: Billy Goldenberg
Besetzung: Pierce Brosnan, Eric Idle, Julia Nickson, Peter Ustinov, Jack Klugman, Christopher Lee, Roddy McDowall, Darren McGavin, Robert Morley, Stephen Nichols, Lee Remick, Jill St. John, Robert Wagner, Arielle Dombasle, Gabriele Ferzetti, Henry Gibson


Kurzinhalt:

Der wohlhabende englische Gentleman Phileas Fogg (Pierce Brosnan) lebt zurückgezogen und ist stark seinen Routinen verhaftet. Sein Badewasser muss eine bestimmte Temperatur haben, Verspätungen toleriert er nicht. Das stellt nicht nur seinen neuen Diener Jean Passepartout (Eric Idle) vor Herausforderungen. Bei einem Kartenspiel im renommierten Reform Club äußert Fogg, dass es nunmehr möglich sei, die Welt in nur 80 Tagen oder weniger zu umrunden, eine Behauptung, die seine Mitspieler vehement verneinen. So gehen sie eine Wette ein: Wenn Fogg es nicht schaffen sollte, die Erde in der Zeit zu umrunden, erhalten seine Mitspieler von ihm das in der Bank befindliche Vermögen. Sie wetten mit ihrem Geld dagegen. So bricht Fogg noch am selben Tag mit Passepartout auf. Da ebenfalls an diesem Tag eine große Summe Bargeld aus der Bank von England gestohlen wird, wird Fogg jedoch auch verdächtigt, zu fliehen, weshalb die Bank den Privatdetektiv Wilbur Fix (Peter Ustinov) auf ihn ansetzt. Foggs Reise gewinnt immer mehr Aufmerksamkeit und in Indien kreuzt sein Weg denjenigen von Prinzessin Aouda (Julia Nickson). Es ist eine Begegnung, die nicht nur Phileas Foggs geordnetes Leben aus der Bahn wirft. Dabei läuft er durch unvorhergesehene Verzögerungen der Reise Gefahr, seine Wette und damit sein gesamtes Hab und Gut zu verlieren …


Kritik:
Basierend auf dem Literaturklassiker Reise um die Erde in 80 Tagen [1872] des französischen Autors Jules Verne erzählt Filmemacher Buzz Kulik in der dreiteiligen Mini-Serie In 80 Tagen um die Welt die Reise des wohlhabenden englischen Gentlemans Phileas Fogg zum Ende des 19. Jahrhunderts rund um den Globus. Prominent besetzt und aufwändig umgesetzt, ist das gelungene Unterhaltung mit durchaus kritischen Untertönen, dabei aber immer unbeschwert und ein Plädoyer dafür, die Welt als Ganzes zu erkunden.

Was heute zeitlich ein Leichtes scheint, wäre nur fünf Jahre vor Veröffentlichung des bereits mehrmals interpretierten Romans ein unmögliches Unterfangen gewesen. Im Jahr 1869 erst wurde die transkontinentale Eisenbahnverbindung durch die Vereinigten Staaten eröffnet und auch durch den indischen Subkontinent gab es bis dahin keine durchgehende Reiseverbindung. Äußert der zurückgezogen lebende und in seiner Pedanterie exzentrische Phileas Fogg während eines Kartenspiels im Londoner Reform Club seine Auffassung, dass man zwischenzeitlich die Welt in 80 Tagen umrunden könne, wird er nachvollziehbar mit Ablehnung und Skepsis konfrontiert. Doch Fogg, der für seine geradezu unnatürliche Pünktlichkeit bekannt ist, gibt nicht nach und schlägt eine Wette vor: Er setzt sein in der Bank von England befindliches Vermögen darauf, dass man die Welt in 80 Tagen oder weniger umrunden kann. Die drei Gentlemen des Spielquartetts halten mit ihrem Vermögen dagegen. So bricht Fogg noch am selben Abend des 2. Oktober 1872 mit seinem Diener, dem erst kürzlich eingestellten Franzosen Jean Passepartout, von London nach Dover auf, um von dort nach Frankreich überzusetzen.

Die Idee klingt so einfach geradeheraus wie machbar, doch Foggs auf die Minute genau ausgearbeiteten Pläne erfahren wiederholte Dämpfer. Angefangen von einer weltbekannten Schauspielerin, die sich weigert, ihre Schiffskabine zu verlassen, weshalb der Kapitän nicht ablegt, bis hin zu den Bürgerkriegskämpfen in Frankreich, die eine schnelle Passage so gut wie unmöglich machen. In 80 Tagen um die Welt stellt in Phileas Fogg nicht nur den Archetypen des introvertierten und allezeit korrekten, englischen Edelmanns vor, sondern findet in Pierce Brosnan die perfekte Besetzung für diese Rolle. Die geradezu enervierende Ruhe, mit der er seine Ziele verfolgt, sich von keinem Rückschlag aus der Bahn werfen lässt und doch jederzeit aufmerksam, höflich und zuvorkommend bleibt, macht den geradezu ansteckenden Charme der Figur aus. Brosnan bringt all diese Punkte schlicht hervorragend zur Geltung, macht sein geradezu körperliches Unbehagen in vermeintlich unangenehmen oder peinlichen Situationen greifbar, wie wenn er die französische Schauspielerin Sarah Bernhardt bei einem Bad überrascht, oder aber als beabsichtigt blinder Passagier unsanft von Bord befördert wird. Gleichzeit ist Foggs Reise um die Welt auch eine Reise der Erkenntnis für ihn selbst.

In Indien beobachten Fogg und der von Eric Idle gleichermaßen charmant gespielte Passepartout, dessen gemeinsame Szenen mit dem unverwechselbaren Peter Ustinov das komödiantische Herz des Mehrteilers ausmachen, wie eine verwitwete Prinzessin als Menschenopfer dargebracht werden soll. Fogg kann nicht anders, als sich einzubringen und Prinzessin Aouda zu retten, die ihn fortan begleitet. Durch sie lehrt Fogg, dass das Leben aus mehr als Routinen und Pünktlichkeit besteht, die Welt kein Ort ist, den man durchreist, um an das beabsichtigte Ziel zu kommen, sondern dass die Reise selbst Teil des Erlebnisses ist. In 80 Tagen um die Welt porträtiert den stets akkuraten Gentleman als jemand, dessen Horizont mit jedem Land, das er bereist, erweitert wird. Nichtsdestoweniger hält er an seinen Prinzipien fest und zeigt einen ungeahnten Einfallsreichtum, wenn es um das Erreichen seines Zieles geht. Anstatt Phileas Fogg zu demontieren, wird die Figur erweitert und im Zuge der Reise menschlicher gemacht. Teil derselben ist auch der Detektiv Wilbur Fix, der von der Bank von England beauftragt wird, einen Bankräuber zu fassen, von dem vermutet wird, dass Fogg derjenige sein könnte, der 55.000 £ gestohlen hat. Fix’ Rolle dient in der Verfilmung insbesondere der Auflockerung der Erzählung und zusammen mit Eric Idle erfüllt Peter Ustinov diese Aufgabe tadellos, selbst wenn der Charakter zur Steigerung der Spannung grundsätzlich nicht erforderlich wäre.

Sieht man sich den Verlauf der Reise von Phileas Fogg im Vergleich zur Romanvorlage an, ergeben sich einige Abweichungen. Viel interessanter sind allerdings die Entscheidungen des Drehbuchs, Fogg mit zahlreichen bekannten und bedeutenden Persönlichkeiten jener Zeit zusammen zu bringen. Angefangen von Weltstar Sarah Bernhardt, über Revolverheld Jesse James, Eisenbahntycoon Cornelius Vanderbilt, dem Naturwissenschaftler Louis Pasteur oder gar der Kaiserin von China. Insoweit präsentiert In 80 Tagen um die Welt sogar so etwas wie eine Geschichtsstunde, ohne jedoch den tatsächlichen Einfluss der meisten dieser Personen auszuführen. Sie sind vielmehr für ein informiertes Publikum eine überaus willkommene Zugabe und runden zusammen mit den zahlreichen Gastauftritten bekannter Darstellerinnen und Darsteller, darunter Christopher Lee, Roddy McDowall, Robert Wagner oder der damals bereits schwererkrankten Lee Remick, die Präsentation ab.

Die überzeugt auch dank der aufwändigen Inszenierung an Schauplätzen im damaligen Jugoslawien, England, Macau, Hong Kong oder Thailand. Regisseur Buzz Kulik fängt den Prunk, in dem Phileas Fogg verkehrt, ebenso gelungen ein wie die unterschiedlichen Länder, die er bereist, sowie ihre Besonderheiten. Dass die Produktion merklich weniger Budget zur Verfügung stand als damaligen Kino-Produktionen, ist nicht nur an den teils klischeehaften Kostümen offensichtlich, die beispielsweise bei dem Abschnitt in Amerika Stereotype heraufbeschwören, anstatt auf Realismus zu setzen. Doch gleichen die Verantwortlichen dies überwiegend durch eine charmante Unbeschwertheit aus, die einem auch dank des Humors oftmals ein Lächeln ins Gesicht zaubert.


Fazit:
Anstatt sich im Serienformat breitgewalzt, modernen Themen zu widmen oder die Reise in einem zweistündigen Spielfilm unnötig zu kondensieren, findet Regisseur Buzz Kulik in etwas mehr als viereinhalb Stunden ein passendes erzählerisches Maß für eine Geschichte, die das Publikum zusammen mit den Figuren einmal um den Globus führt. Die Inszenierung ist für die damalige Zeit und das Budget durchaus aufwändig, vor allem jedoch erstklassig besetzt. Pierce Brosnan könnte als Phileas Fogg nicht besser getroffen sein und seine langsame Wandlung ist so schön anzusehen, wie sie greifbar bleibt. Dass die Rolle des Jean Passepartout nicht von einem französischen Darsteller ausgefüllt wird, ist bedauerlich, doch gelingt es Eric Idle ausgesprochen gut, die Eigenschaften der Figur zum Ausdruck zu bringen. Julia Nickson sowie Peter Ustinov runden die Stammbesetzung gelungen ab und laden das Publikum auf eine Reise ein, bei der nicht erst heutzutage die zur Schau gestellten Stereotypen und Klischees auffallen. Dass jedoch auch Kritikpunkte wie die Kolonialisierung und ihre Auswirkungen auf die betroffenen Länder aufgegriffen werden, ist zu begrüßen. Insgesamt zeichnet sich In 80 Tagen um die Welt durch eine so leichtfüßige wie unterhaltsame Erzählung aus, die im Verlauf nur an Charme gewinnt.
Inzwischen von PLAION Pictures in einer sehenswert restaurierten Fassung auf Blu-ray veröffentlicht, ist das die beste Gelegenheit, den TV-Klassiker (neu) zu entdecken. Heute wie damals ist der einfach schön!