Im Reich der Raubkatzen [2011]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 29. April 2013
Genre: Unterhaltung / Dokumentation

Originaltitel: African Cats
Laufzeit: 89 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2011
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung

Regie: Keith Scholey, Alastair Fothergill
Musik: Nicholas Hooper
Erzähler: Patrick Stewart (Britische Fassung), Samuel L. Jackson (Amerikanische Fassung), Thomas Fritsch (Deutsche Fassung)


Kurzinhalt:
In der Savanne Afrikas ist jeder Tag ein Kampf ums Überleben. Kein Tier, das nicht hervorragend an dieses Leben angepasst ist, kann dort existieren. So ist es für den Geparden Sita eine Herausforderung, ihre fünf Jungen, die überdies blind geboren werden, vor anderen Jägern zu beschützen und dennoch dafür zu sorgen, dass sie nicht verhungern. Und selbst wenn sie die ersten Monate überstanden haben, müssen sie das Jagen erst noch erlernen, bevor sie für sich selbst sorgen können.
Nicht weniger schwierig ist die Situation jenseits des Flusses für Layla, eine Löwin im Rudel von Fang. Sie ist die Anführerin und muss gleichzeitig ihre Tochter Mara aufziehen. Bei einer Jagd verletzt sie sich schwer und als wäre das nicht genug, wird Fangs Autorität vom rivalisierenden Löwen Kali in Frage gestellt, der mit seinen vier Söhnen eine nicht zu unterschätzende Gefahr darstellt ...


Kritik:
Im Reich der Raubkatzen erzählt in malerischen Bildern vom Leben der Raubkatzen in der Savanne Kenias. Oder vielmehr, was wir Menschen uns unter ihrem Leben vorstellen. Die Regisseure Keith Scholey und Alastair Fothergill stellen zwei Familien und ihre natürlichen Feinde vor. Einerseits die allein erziehende Gepardenmutter Sita mit ihren fünf Jungen und das Löwinnenrudel um Löwe Fang, wobei hier das Hauptaugenmerk auf Layla und ihrer Tochter Mara liegt. Der Film begleitet ihren Werdegang, angefangen von ihren ersten Spielversuchen, bis hin zu ihrer Ausbildung in der Jagd und dass sie selbständig werden. Die Formulierungen bezüglich der Familienbande und der Beschäftigung der verspielten Jungen sind bewusst so gewählt, weil sie in der Dokumentation auch so verwendet werden.
Wie viele Filmemacher, die sich mit der Natur heute beschäftigen, versuchen Scholey und Fothergill, den Zugang des Publikums (und insbesondere der Kinder) zum Gezeigten dadurch zu erleichtern, dass sie die Tiere nicht mehr als wilde Raubtiere vorstellen, sondern sie domestizieren. Es werden ihnen soziale Strukturen verliehen, mit denen sich die Menschen identifizieren können, um so einen einfacheren Bezug zu ermöglichen. Bei kaum einer Tierart ist dies so einfach und effektiv wie bei Katzen, die ohnehin auf Grund ihrer Bewegung, ihres Verhaltens und vor allem ihres Aussehens als Jungtiere so große Ähnlichkeit mit den bekannten Stubentigern bieten.

Wer bei Im Reich der Raubkatzen eine Dokumentation im eigentlichen Sinn erwartet, wird enttäuscht werden. Es wird wenig über die Tiere oder ihre Entwicklung verraten. Die wichtigsten Erkenntnisse sind, dass Löwen Rudeltiere sind und Geparden Einzelgänger. Der grundsätzliche Überlebenskampf in der Wildnis Afrikas wird ebenfalls nur angedeutet und die namentliche Vorstellung anderer Tierarten, die kurz zu sehen sind, wird beim Abspann kindgerecht humorvoll, aber ohne zusätzlichen Informationsgehalt aufgehübscht. Dabei würde eine jede vorgestellte Art der Katzenfamilie, seien es nun die Löwen oder die Geparden – selbst einen Serval bekommt man gezeigt –, ihre eigene Dokumentation rechtfertigen. Das soziale Gefüge der Geparden wird anhand von Sita und ihren Jungen aufgezeigt, deren schlimmster Feind in den Monaten nach der Geburt ebenso die Hyänen wie die ausgewachsenen männlichen Artgenossen sind. Dass der Gepard das schnellste lebende Landtier ist, dürfte vielen Zuschauern schon bekannt sein. Doch nicht einmal über ihre Höchstgeschwindigkeit von mehr als 110 km/h verliert der Erzähler von Im Reich der Raubkatzen, im amerikanisch-englischen Original der bekannte Darsteller Samuel L. Jackson, auch nur ein Wort. Auf der anderen Flussseite bahnt sich ein Generationenwechsel bei den Löwen an, als deren Anführer Fang vom jüngeren Kali mit dessen vier Söhnen herausgefordert wird. Wie es der erfahrenen Layla und deren Tochter Mara ergeht, erinnert ein wenig an Der König der Löwen [1994], an dessen Charme die Dokumentation nicht nur durch ihre malerischen Naturaufnahmen erinnert.

Überhaupt sind es die Bilder, durch die Im Reich der Raubkatzen am meisten besticht. Sei es die sonnengetränkte Landschaft, das Portrait der Löwen im Hitzewabern oder die unvorstellbaren Herden, die sich über den sandigen Boden in Bewegung setzen. Der von DisneyNature präsentierte Film ist fantastisch fotografiert und die Nahaufnahmen der Raubkatzen atemberaubend. Eine jede Einstellung kann man sich als Bilddruck einer Fotografie-Ausstellung vorstellen. Die musikalische Untermalung unterstützt die Atmosphäre zudem gekonnt und trägt zum Drama, das die Filmemacher mit ihren pelzigen Hauptdarstellern erzählen, zusätzlich bei.
Dass Im Reich der Raubkatzen wie ein klassischer Abenteuerfilm aufgebaut ist, soll wohl vor allem das junge Publikum ansprechen. Doch bleibt die Frage, ob das für ein so ambitioniert gedrehtes Filmprojekt der größte Ansporn sein sollte. Haben die Regisseure nicht vielmehr den Auftrag, bei einer Dokumentation das Drehbuch der Natur, anstatt ihr eigenes zu verfilmen? So beeindruckend wie diese Geschöpfe sind, reicht dies nicht aus, das Publikum zu begeistern? Das Herunterspielen ihres ungezähmten Hintergrunds geht sogar so weit, dass man sie zwar jagen aber nur sehr selten fressen sieht. Und zumindest bei einer Einstellung scheint es, als würde die blutverschmierte Schnauze durch den Einsatz von Farbfiltern weniger rot erscheinen. Das ist ein neuartiger Dokumentationsstil, gewissermaßen "scripted nature light".


Fazit:
Durch die Aufnahmen von Im Reich der Raubkatzen ist man den Tieren näher, als es die meisten Menschen in Wirklichkeit je sein werden. Doch nicht nur, dass sie menschliche Namen bekommen, was sie tun wird uns Menschen gleich gestellt und ihnen Gefühle zugeschrieben, die sie uns ähnlicher, zumindest aber wenig fremd machen. Wenn dies die beste Möglichkeit ist, einem jungen Publikum die Wunder der Natur und ihrer Geschöpfe nahezubringen, dann sei es so. Könnte man allerdings sehen, wie groß der Abstand der Filmemacher beim Dreh war, würde man auch verstehen, welchen Respekt sie diesen wilden Raubtieren zollen. Und auch dies sollte man als Zuseher nicht vergessen.
Malerische Aufnahmen verleihen dem Film eine Atmosphäre, die ebenso majestätisch wie die Löwen erscheint und gleichzeitig so traurig wie das Fleckenmuster die Geparden. Es ist fantastisch anzusehen und bindet einen durchaus emotional ein, auch wenn der Erzähler zu dick aufträgt, um mitzureißen. Doch verlieren die Regisseure dabei den Informationsgehalt einer richtigen Dokumentation aus den Augen und schwelgen stattdessen in Bildern jener Raubtiere und ihrer ebenso faszinierenden Umgebung.