Im Feuer [2004]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 27. Juni 2005
Genre: Drama / Action

Originaltitel: Ladder 49
Laufzeit: 115 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2004
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Jay Russell
Musik: William Ross
Darsteller: Joaquin Phoenix, John Travolta, Jacinda Barrett, Robert Patrick, Morris Chestnut, Billy Burke, Balthazar Getty, Tim Guinee, Kevin Chapman, Jay Hernandez, Kevin Daniels, Steve Maye, Robert Lewis, Brooke Hamlin, Spencer Berglund


Kurzinhalt:
Bei einem verheerenden Hochhausbrand wird der Feuerwehrmann Jack Morrison (Joaquin Phoenix) schwer verletzt und liegt allein, eingeschlossen inmitten der brennenden Trümmer, während das Gebäude langsam in sich zusammenfällt. Seine Kameraden, darunter Lenny Richter (Robert Patrick), tun was in ihrer Macht steht, um zu ihm durchzukommen.
Während er auf seine Rettung hofft, erinnert sich Morrison an seine Anfänge bei der Einheit 49 vor über 10 Jahren, wie er seine Frau Linda (Jacinda Barrett) kennen lernte, die Geburt seiner Kinder erlebte, und immer wieder Freunde und Kameraden bei schweren Bränden verlor, oder diese schwer verletzt wurden.
Unterdessen versucht Chief Mike Kennedy (John Travolta), ein persönlicher Freund Morrisons und Patenonkel seiner Kinder, von außen alles, um rechtzeitig zu dem verletzten Feuerwehrmann durchzudringen, ehe ihn die Flammen vollends umschließen.


Kritik:
Als Regisseur Ron Howard seinerzeit Backdraft - Männer, die durchs Feuer gehen [1991] auf die Leinwand brachte, waren die Zuschauer reihenweise sprachlos; nie zuvor waren solche Aufnahmen von brennenden Gebäuden, Feuerwalzen oder dem Berufsalltag von Feuerwehrleuten gezeigt worden. Das Ganze mit einer Thrillerstory zu verweben brachte zusätzlich einen nicht zu unterschätzenden Unterhaltungswert mit ein. Ansich schon 2001 sollte Im Feuer in Produktion gehen, damals in New York angesiedelt – dann kam der 11. September. Und während einige Serien das Thema und die Würdigung der über 2000 Opfer – unter denen auch 300 Feuerwehrmänner waren – aufgriffen, darunter die Dramaserie Third Watch - Einsatz am Limit [1999-2005], schien es nicht angebracht, einen Film in diesem Setting zu platzieren.

Backdraft markiert bis heute den erfolgreichsten Feuer-Film in Hollywoods Geschichte, auch wenn Im Feuer in den USA nur drei Millionen Dollar weniger einspielte. Was die beiden Werke allerdings grundlegend unterscheidet ist ihre Herangehensweise: Statt wie in Ron Howards Film eine fiktive Story eines Brandlegers zu erzählen und die persönlichen Erlebnisse der Feuerwehrmänner vor diesem Hintergrund aufzuzeigen, erzählt Im Feuer im Rückblick die Karriere eines Feuerwehrmanns, Jack Morrison, von seinem ersten Tag bei der neuen Wache, über seine Hochzeit, seine Karriere, bis hin zu dem tragischen Feuer, das ihn in dem Hochhaus einkesselt, verletzt und ohne Aussicht auf Unterstützung.
Was Drehbuchautor Lewis Colick dabei wirklich gut gelingt ist die Zeichnung seiner Hauptfiguren, die nicht nur plastisch und vielschichtig dargebracht werden, sondern einem – zusammen mit der gesamten Truppe der Einheit 49 – auch schnell ans Herz wachsen. Ihre Entwicklung zu sehen, wie sie zusammenhalten, Kameraden zu Grabe tragen müssen und sich trotz ihrer Erfahrung immer wieder Situationen gegenüber sehen, auf die sie nicht vorbereitet sind, ist eindrucksvoll und in gewissem Sinne überraschend, denn gerade nach der Werbekampagne um Ladder 49, so der Originaltitel, die eher das Gefühl vermittelte, es erwarte den Zuschauer ein gut gemachtes Remake von Backdraft, hätte man mit einem emotional fordernden und sehr fein gezeichneten Portrait der Hauptfiguren nicht gerechnet.
Hier liegen die Stärken des Skripts, das es versteht, menschliche Figuren ohne die Heldenbeweihräucherung zu präsentieren, und ihre Entscheidungen und deren Motivation eher in den Vordergrund zu stellen, als eine actionbetonte Story. Zwar gibt es auch hier zahlreiche Einsätze mit gefährlichen Szenen, doch wenn sich Jack Morrison an seine Laufbahn erinnert, nimmt er sich immer viel Zeit, die familiären Hintergründe auszuleuchten, beschreibt Streitereien mit seiner Frau, die verständlicherweise seine tagtägliche Arbeit zur Grundlage haben, und auch wie es die Truppe trifft, wenn einer von ihnen dem Feuer zum Opfer fällt.
Während letzteres ausgesprochen gut gelungen ist, und mitunter für einen Kloß im Hals sorgt, lässt aber nicht nur das Tempo der Erzählung bei den Momenten mit Linda Morrison nach; hier bekommt man all jene Klischees zu sehen, die man in zahlreichen Produktionen zuvor zu sehen bekam, die deswegen aber nicht weniger richtig oder wichtig sind – auch die Art und Weise ihrer Streitgespräche mag realistisch und nach vollziehbar sein, bringt aber keine neuen Argumente oder Erkenntnisse zu Tage. Dass dieser Aspekt des Berufes beleuchtet werden muss, steht außer Frage, und doch hätte man sich hier neue Impulse für das Genre gewünscht, anstatt Bekanntes erneut aufzuwärmen.
Doch hiervon einmal abgesehen, entpuppt sich das Drehbuch mit seinem frischen und sehr persönlichen Ansatz sehr durchdacht und mit Augenmerk für das menschliche Drama, anstatt eine actionbetonte Story in den Vordergrund zu stellen – mehr kann man ansich nicht erwarten.

Dass bei der Darstellerriege ansich kaum etwas falsch zu machen ist, versteht sich von selbst, und in der Tat überzeugen hier auch diejenigen Schauspieler, die meist nur in Nebenrollen zu sehen sind, hier dafür wirklich zum Zug kommen.
Angeführt von einem zurückhaltenden, verschlossenen und doch im Verlauf des Films aufgewühlten Joaquin Phoenix, dessen dezentes Spiel zu Beginn hervorragend zu seinem Filmcharakter passt, und der auch die schwierigen Szenen problemlos meistert. Zur Vorbereitung des Films – Phoenix litt selbst an horrender Höhenangst – trainierte er einen Monat lang an einer Akademie für Feuerwehrmänner und fuhr darüberhinaus vier Wochen bei einem Einsatztrupp in Baltimore mit, wo er inzwischen als Ehrenmitglied aufgenommen wurde. Nach dem Dreh hatte er seine Höhenangst überwunden.
An seiner Seite steht John Travolta, der auch in der zweiten Filmhälfte deutlich mehr zum Zug kommt, und mit seiner Routine auch die übrigen Akteure anspornt. Ihm zuzusehen ist ohnehin eine Freude, wenn ihm wie hier die Rolle auch noch anspruchsvoll genug erscheint, umso mehr.
Von Jacinda Barrett ist recht wenig zu sehen, doch sie macht ihre Sache wirklich gut und verdeutlicht in den letzten Minuten eindrucksvoll, weswegen die Produzenten mit ihr eine ausgezeichnete Wahl getroffen haben. Ebenso bei Robert Patrick, der nach seinem Karrieretief in den Mit-1990ern dank seiner Beteiligung bei Akte X - Die unheimlichen Fälle des FBI [1993-2002] wieder in großen Hollywood-Produktionen zu sehen ist, und nach Cop Land [1997] auch hier beweist, dass er lange Zeit als Charakterdarsteller unterschätzt wurde.
Morris Chestnut hat ebenso wie Billy Burke, Balthazar Getty und Tim Guinee nicht durchgehend viel zu tun, doch machen alle ihre Sache wirklich gut und überzeugen mit einem natürlichen und doch ergreifenden Spiel. Dass die verschiedenen Akteure bereits zu Beginn des Films die Kameradschaft und Zusammengehörigkeit ihrer Truppe so eindrucksvoll darbringen spricht darüberhinaus nicht nur für ihr Können, sondern auch die Qualität der Produktion.

Mit Kameramann James L. Carter arbeitete Regisseur Jay Russell bereits in Tuck Everlasting [2002] und Mein Hund Skip [2000] zusammen, und auch hier kleiden die beiden das Geschehen in erstklassige Bilder, die einem die Gefahr der Feuerwehrmänner bisweilen näher bringt, als einem lieb ist. Die Aufnahmen des brennenden Hochhauses sind sowohl bei den Außendrehs, als auch den Setaufnahmen durchweg eindrucksvoll, auch wenn dahingehend die bombastischsten Einstellungen in den ersten fünf Minuten zu sehen sind.
Der Schnitt der beiden Cutter Bud S. Smith und M. Scott Smith ist durchweg solide, überrascht bisweilen sogar mit exzellenten Szenenwechseln und mitreißenden Sequenzen.
Handwerklich gibt es an Im Feuer nichts auszusetzen, den Machern gelang das intime Portrait von Jack Morrison überaus gut und ist sowohl in den Momentaufnahmen, als auch den Rückblenden sehr gut fotografiert.

Komponist William Ross dürfte Filmfans nach seiner undankbaren Rolle bei Harry Potter und die Kammer des Schreckens [2002] ein Begriff sein, wo er die von John Williams geschriebenen Themen nur abwandeln durfte, anstatt einen eigenen Score zu schreiben. In Hollywood ist Ross dabei kein Unbekannter, war als Orchestrator bei Lethal Weapon - Zwei stahlharte Profis [1987], Stirb langsam 2 [1990] und über 60 weiteren Produktionen zuständig, dabei auch aktuelle Produktionen wie Lilo & Stitch [2002] oder Matrix: Reloaded [2003]. Als Komponist ist er zudem seit über 20 Jahren aktiv, zu Beginn bei Fernsehserien wie unter anderem bei Die Schöne und das Biest [1987-1990], später bei Kinoproduktionen, darunter auch Jay Russells letzte Filme.
Sein Score für Im Feuer ist dabei ebenso überraschend wie der Film selbst, denn neben einem fröhlichen Thema, das stark an W.G. Snuffy Walden erinnert, gibt es auch ruhige, minimalistisch-düstere Themen, die in ihrer Steigerung Erinnerungen an James Horner hervorrufen, und ein Thema für die Einheit 49, das im Film so geschickt abgewandelt wird, dass es mit anderen Tempi ein gänzlich anderes Gefühl vermittelt.
Dass die Musik gerade zu Beginn ständig präsent ist, mag manch einen Zuschauer stören, und über die Lautstärke, in der der Soundtrack eingespielt ist, mag man streiten, doch an der Abwechslung und der erfrischenden Melodienvielfalt gibt es nichts zu rütteln, und so gelingt William Ross ein passender und ebenso bewegender Score, der vom Titellied des Films "Shine Your Light" von Robbie Robertson treffend abgerundet wird.

Professionelle Unterstützung bekam das Filmteam unter anderem vom Baltimore City Fire Department, denn Mark Yant, ein wirklicher Feuerwehrmann, ist nicht nur im Film zu sehen, sondern trainierte die Filmcrew auch während der Dreharbeiten. Dabei ist jede Feuerszene im Film einem tatsächlichen Ereignis nach empfunden. Die Dreharbeiten des großen Brandes zu Beginn und am Schluss lösten beim Drehen in Baltimore überdies eine kleine Panik aus, denn die Flammen waren noch aus großer Entfernung zu sehen, und so riefen zahlreiche Leute bei den Notrufnummern an, um das Feuer zu melden.
Der Aufwand war groß bei Im Feuer, umso tragischer, dass das Einspielergebnis weltweit bei nicht einmal 100 Millionen Dollar lag. Zu unrecht, denn hinter Ladder 49 verbirgt sich ein erfrischend anderer Ansatz an ein eigentlich bekanntes Thema, der zwar nicht Fans actionreicher Feuerfilme zufrieden stellen wird, aber all diejenigen positiv überrascht, die sich auf ein ruhiges, in gewissem Sinne als Chronik angelegtes Feuerdrama einlassen möchten. Deswegen gibt es dennoch genügend mitreißende und spannende Szenen, aber der Mut der Filmemacher, ihren Film kompromisslos zu gestalten und auch unbeliebte Entscheidungen zu treffen, ist bewundern- und sehenswert.


Fazit:
Der Feuerwehrmännern ein Denkmal, eine Würdigung zu setzen, war ganz offensichtlich das Ziel der Filmemacher – weswegen Ladder 49 dann aber nicht denjenigen Menschen gewidmet ist, die tagtäglich ihr Leben riskieren, um das von anderen zu rettern, verstehe wer will. Mit seinem sehr persönlichen Portrait eines einzigen Feuerwehrmannes, der sich in einer neuen Truppe zurecht finden muss, in seinem Beruf täglich Gefahren eingeht, und dabei doch ständig zwischen seiner Berufung und seiner Rolle als Vater und Ehemann abwägen muss, ist Jay Russell ein wirklich guter Film gelungen, dessen Ausgangslage erfrischend anders und doch ungemein ergreifender ist.
Exzellent gemacht, sehr gut gespielt, aufwändig ausgestattet und hoffnungsvoll bedrückend lässt Im Feuer den Zuschauer mit einem traurigen Gefühl zurück, anstatt ihn mit Heldenpathos zu überschütten – das mag zwar keine leichte Kost sein, doch dafür muss man sowohl den Autor, als auch Regisseur und Darsteller bewundern, und genau deshalb ist der Film für aufgeschlossene Zuschauer uneingeschränkt empfehlenswert.