I Kill Giants [2017]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 17. Juli 2018
Genre: Drama / FantasyOriginaltitel: I Kill Giants
Laufzeit: 106 min.
Produktionsland: Belgien / Großbritannien / USA
Produktionsjahr: 2017
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Anders Walter
Musik: Laurent Perez Del Mar
Darsteller: Madison Wolfe, Sydney Wade, Zoe Saldana, Imogen Poots, Art Parkinson, Jennifer Ehle, Rory Jackson, Allanah O'Connor, Maya Peters, Don Wycherley
Kurzinhalt:
Auch wenn ihr niemand Glauben schenken möchte, bleibt Barbara (Madison Wolfe) bei ihrer Aussage: Riesen gibt es wirklich! Die Zerstörung, die sie anrichten, wirft unzählige Menschen regelmäßig ins Verderben. Barbara hat es sich zur Aufgabe gemacht, ihre Heimatstadt vor den bösen Riesen zu beschützen und erzählt dies nicht nur der neu an die Schule gekommenen Sophia (Sydney Wade). Auch Schulpsychologin Mrs. Mollé (Zoe Saldana) ist bereits auf Barbara aufmerksam geworden und darauf aus, der eigenbrötlerischen Teenagerin zu helfen. Doch sobald jemand Barbara fragt, weshalb sie an Riesen glaubt, vergräbt sie sich tiefer in ihrer Überzeugung und kapselt sich weiter von den Menschen um sie herum ab, selbst von ihrer Schwester Karen (Imogen Poots). Sie ist überzeugt, dass ein großer Angriff eines Riesen, eines mächtigen Titans, bevorsteht. Und nur sie wird in der Lage sein können, ihn zu besiegen …
Kritik:
Das auf dem gleichnamigen Graphic Novel von Joe Kelly und J. M. Ken Niimura basierende Fantasy-Drama I Kill Giants ist ein bedeutend überraschenderer Film, als man erwarten würde. Überaus sehenswert gespielt, entspricht die Geschichte überhaupt gar nicht dem, was der Titel suggeriert. Das bedeutet nicht, dass er ungünstig gewählt wäre, vielmehr ist es die Erwartungshaltung von Seiten des Publikums, die hier in die Irre führt. Doch bis das Drama seine größten Stärken ausspielt, dauert es sehr lange, so dass der Weg dorthin holpriger erscheint, als gut für die Geschichte ist.
In deren Zentrum steht die zwölfjährige Barbara, die vom ersten Moment an wie eine Außenseiterin auftritt. Ausgestattet mit einem Haarreif mit Hasenohren, stellt sie sich dem täglichen Mobbing durch die anderen Mitschüler und kämpft in ihrer Freizeit gegen Riesen, die als Katastrophen oder Unfälle das Land heimsuchen. Durch die neue Mitschülerin Sophia erhält das Publikum immer größeren Einblick in Barbaras Alltag, in dem sie auch mit ihren eigenen Dämonen zu kämpfen hat. Sie aus ihrem trotzigen Dasein als Einzelgängerin zu befreien, hat sich auch die Schulpsychologin Mrs. Mollé vorgenommen, die an Barbara jedoch nicht herankommt.
So fragt man sich als Zuseher bzw. Zuseherin bei I Kill Giants zu Beginn, ob die Riesen und Titanen, von denen Barbara erzählt, tatsächlich existieren – dies somit ein wirkliches Fantasy-Abenteuer ist – oder allein in ihrer Vorstellungskraft ihr Unwesen treiben. Die Antwort darauf gibt Filmemacher Anders Walter erst sehr spät und konzentriert sich bis dahin auf eine Charakterzeichnung, die schließlich mehr Tiefe offenbart, als zunächst erkennbar.
In der tragenden Rolle gibt Madison Wolfe eine vielschichtige und insbesondere zum Ende hin nuancierte Darbietung, die auch dann eine Tragik ausstrahlt, wenn Barbaras Hintergrund noch gar nicht entsprechend beleuchtet wurde. Von der übrigen Besetzung stehen sowohl Imogen Poots als Barbaras Schwester Karen und Zoe Saldana als die Schulpsychologin hervor. Sie bieten gewissermaßen eine Perspektive von außen auf Barbara und ihren Kampf gegen die Dämonen. Die muss sich in der Schule gegen das brutale Mobbing der gleichaltrigen Taylor wehren. Ob Barbaras Mitschüler/innen über ihre private Situation tatsächlich nicht Bescheid wissen, oder sie ignorieren, verschweigt I Kill Giants jedoch. Auch scheint die Geschichte an den übrigen Figuren so gut wie gar nicht interessiert. Über die neu an die Schule gekommene Sophia erfährt man beispielsweise kaum etwas.
Dass sich die Story auf Barbara konzentriert, wäre auch nicht weiter tragisch, sofern sie als Figur facettenreich genug wäre. Aber da ihr Verhalten in den ersten zwei Dritteln des Films im besten Fall sonderbar ist, ohne dass die Ursachen erklärt würden, fesselt sie nicht in dem Maße, wie es notwendig wäre, um die langsame Erzählung voranzubringen. Man würde sich angesichts der immer wieder eingestreuten, kleinen Hinweise auf die Riesen stattdessen wünschen, dass diese prominent in Szene gesetzt würden bzw. der Fantasy-Aspekt stärker in den Vordergrund rückt. Doch dies geschieht – aus gutem Grund – nicht.
So enttäuschend das klingen mag, glänzt I Kill Giants mit einem stark gespielten und lebensnah erzählten letzten Akt, in dem die Machtlosigkeit, die Barbara verspürt, treffend kanalisiert wird. Hier verstecken sich auch die zuvor erwähnten, sehenswert gespielten Momente, die für ein sehr junges Publikum vermutlich nicht greifbar genug sind. Nur bis es soweit ist, lässt sich Filmemacher Anders Walter (zu) viel Zeit.
Die bei Koch Media erschienene Heimvideoveröffentlichung wartet neben dem Film in deutscher und englischer Sprachfassung mit dem zugehörigen Trailer, einem kurzen Making-of sowie der leider ebenfalls knappen Featurette „Anatomy of a Scene“ auf. Einen Audiokommentar des Regisseurs sucht man indes bedauerlicherweise leider vergebens. Fans können bei Amazon.de eine Sonderedition erstehen, die neben der Blu-ray und DVD, Postkarten sowie das Graphic Novel als Hardcover-Ausgabe in einem aufwändigen Schuber enthält.
Fazit:
Auch wenn der Titel vermuten lässt, dass es sich bei Anders Walters erstem abendfüllendem Spielfilm um ein Fantasy-Abenteuer handeln würde, verbirgt sich dahinter eine ganz andere Geschichte. Verpackt in ein solches Gewand, muss sich Hauptfigur und Riesen-Töterin Barbara zwar Dämonen stellen, doch die sind gänzlich anderen Ursprungs. Als charakterbezogenes Drama funktioniert insbesondere das letzte Drittel von I Kill Giants dank der tollen Darbietungen, allen voran von Madison Wolfe in der Hauptrolle, ausgesprochen gut. Doch bis es soweit ist, hält sich der Film zu lange mit den eigentlichen Hintergründen zurück und präsentiert Barbara als Jugendliche, die sich aus unerfindlichen Gründen in eine Fantasiewelt flüchtet. Dass die Auflösung der Dramatik wegen bis zum Ende aufgespart wird, macht durchaus Sinn, nur ist was zuvor geschieht zu langsam erzählt und präsentiert keine Figur, mit der man sich wirklich identifizieren könnte. Auch deshalb packt das Drama nie – und das, obwohl es in den tragischen Momenten an sich mitten aus dem Leben gegriffen ist.
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