I Am Mother [2019]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 10. Juli 2019
Genre: Science FictionOriginaltitel: I Am Mother
Laufzeit: 113 min.
Produktionsland: Australien
Produktionsjahr: 2018
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Grant Sputore
Musik: Dan Luscombe, Antony Partos
Darsteller: Clara Rugaard, Hilary Swank, Rose Byrne (Stimme), Luke Hawker
Kurzinhalt:
Für die Tochter (Clara Rugaard) ist es die einzige Umgebung, die sie kennt. Aufgewachsen in einer Einrichtung, in der sich der Androide, genannt „Mutter“ (Rose Byrne / Luke Hawker), um sie kümmert, sie versorgt und unterrichtet, kennt sie auch keine anderen Menschen. Nach Mutters Aussage ist die Oberfläche nicht bewohnbar und niemand anderes mehr übrig. Die Einrichtung wurde für die Neubesiedlung errichtet, zehntausende Embryonen sind hier gelagert, abgeriegelt von der Außenwelt. Während die Tochter sich in den Prüfungen, die Mutter ihr vorgibt, hervorragend schlägt, wächst in ihr der Wunsch nach Mehr. Als sie an der Luftschleuse Hilferufe vernimmt, lässt die Tochter eine verletzte Fremde (Hilary Swank) in die Anlage. Was diese ihr erzählt, stellt alles, was die Tochter zu wissen glaubte, auf den Kopf. Gesetzt den Fall, sie vertraut der Fremden – mehr als ihrer eigenen Mutter …
Kritik:
Das an sich einzige Problem an Grant Sputores Spielfilmregiedebüt I Am Mother ist, dass es nicht bereits vor 20 Jahren in den Lichtspielhäusern zu sehen war. Damals mögen die Themen, die er behandelt und die nicht erst heute, da künstliche Intelligenz in aller Munde ist, frisch geklungen haben. Inzwischen jedoch wurde dies im Science Fiction-Genre in allen nur erdenklichen Weisen so oft erzählt, dass was hier als Überraschung gedacht ist, altbekannt klingt. Doch das heißt nicht, dass der Film für Genrefans nicht einige Pluspunkte bereithält, angefangen bei der sehenswert agierenden Besetzung.
Im Zentrum des Kammerspiels stehen lediglich drei Charaktere, angesiedelt, wie eine Einblendung zu Beginn informiert, in einer Einrichtung für die Neubesiedlung. Der hochtechnisierte Komplex beherbergt 63.000 menschliche Embryonen und wird einen Tag nach der „Auslöschung“ in Betrieb genommen. Was genau dieses Ereignis war, was geschehen ist, gilt es, herauszufinden. Eine weitere Einblendung, die rechnerisch falsch zu sein scheint, lässt tatsächlich bereits darauf schließen, dass mehr geschehen ist, als man im ersten Moment vermutet.
Der Anroidenroboter „Mutter“ zieht eines der Embryonen zu einer jungen Frau auf, die sie „Tochter“ nennt. Ihr mangelt es in der Einrichtung an nichts, außer an menschlicher Gesellschaft. Die vielen Jahre in Betrieb fordern aber auch bei Mutter ihren Tribut. Erste Ausfallerscheinungen sind sichtbar und auch wenn die Einrichtung hermetisch abgeriegelt ist, dass dort draußen eine Welt existiert, bleibt Tochter nicht verborgen. Sie wird unterdessen unterrichtet, auch in Moral und Ethik. Stellt Mutter sie vor die Aufgabe, zu entscheiden, welchen Patienten Tochter als Arzt retten würde, dann würde man vermuten, dass dieses Thema im Film später wieder aufgegriffen wird, und Tochter tatsächlich vor einem solchen Dilemma stehen würde, doch dem ist nicht der Fall.
Eine der ersten Fragen, die man sich bei I Am Mother stellt ist, weshalb die Tochter nicht neugierig ist, wie die Erde aussieht und was geschehen ist. Die nichtssagende Antwort der Mutter, dass die Oberfläche nicht sicher sei, eine Kontamination eine Gefahr nicht nur für sie, sondern auch die Embryonen darstelle, die irgendwann ebenfalls geboren werden sollen, würde den Wissensdurst eines jungen Menschen kaum stillen. So wundert es auch nicht, dass die Tochter die Luftschleuse öffnet, als sie jemanden draußen um Hilfe rufen hört. Sie lässt eine verletzte Frau in die Anlage, die sie eingangs vor Mutter sogar versteckt. Die Frau behauptet, von einem Androiden angeschossen worden zu sein und liefert damit ein weiteres Puzzlestück zu der über allem schwebenden Frage, was geschehen ist. Dass die Tochter keine klaren Antworten erhält, weder von Mutter, noch der Frau, ist weniger frustrierend als die Tatsache, dass sie nicht mit Nachdruck und offen danach fragt.
Die inhaltliche Unentschlossenheit verzeiht man Grant Sputores Erzählung auf Grund der durchweg gelungenen Präsentation. Nicht nur, dass die Atmosphäre stimmig wirkt, es kommt trotz der ruhigen Geschichte in den richtigen Momenten Spannung und eine klaustrophobische Stimmung auf, vom tadellosen Design ganz abgesehen. Insbesondere der „Mutter“-Roboter, aber auch die Technik allgemein überzeugt, weil sie mehr Science- als Fiction-geprägt sind. „Mutter“ stammt dabei von den Der Herr der Ringe [2001-2003]-Trickkünstlern des Weta Workshop.
Nicht zuletzt auf Grund der wenigen Beteiligten kommt auch der Besetzung eine besondere Bedeutung zu. Hilary Swank ist wie gewohnt sichtbar und immens investiert in ihre Rolle. Sieht man ihre Darbietung bei der Operationsszene, wird einem selbst regelrecht heiß und kalt. In der Rolle der Tochter ist Clara Rugaard eine wahre Entdeckung. Ab eben jener Szene fasst ihre Figur Fuß und baut sich in kurzer Zeit zu einer Persönlichkeit aus, deren Entscheidungen – bis auf eine – überzeugen können. Dabei erinnert sie, was ihren Kampfgeist und ihre Stärke angeht, durchaus ein wenig an Sigourney Weaver in Alien - Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt [1979].
Angesichts der gezeigten Operation, sollte man auch die FSK-Freigabe in Frage stellen. Doch das ändert nichts daran, dass I Am Mother ein handwerklich tadellos gemachter Science Fiction-Film ist, der sich auf das Notwendige beschränkt und von zwei sehenswerten Darbietungen getragen wird. Die vermeintlichen Story-Wendungen werden Genrefans zwar lange kommen sehen und tatsächlich bereitet der Filmemacher mehr bekannte Themen auf, anstatt neue zu finden, doch das schmälert nicht die Wirkung.
Fazit:
Lange Zeit bleibt das Rätsel, ob die Tochter nun von der Mutter, oder der Fremden manipuliert wird. (Und ja, keine der Figuren erhält im Film einen Namen.) Allerdings löst Grant Sputore diese Frage zu früh und zu wenig unvorhersehbar auf. Die Besetzung ist hervorragend und sichtbar gefordert. Insbesondere Clara Rugaard überrascht durch ihre Präsenz. Das klaustrophobische Element, wonach die Menschen von einer allgegenwärtigen Maschine beobachtet werden, gelingt gut, auch wenn die Einflüsse (nicht nur von HAL 9000) aus 2001 - Odyssee im Weltraum [1968] zu sehen sind. Dennoch bleibt das Gefühl, dass I Am Mother länger dauert, als es die Story sollte. Es gäbe 15 bis 20 Minuten vor Schluss die Möglichkeit, die Geschichte mit der ersten grundlegenden Entscheidung der Tochter enden zu lassen. Stattdessen folgt eine weitere, offenbar gar nicht so endgültige, die gerade angesichts dessen, dass der Fortbestand der Menschheit davon abhängt, keinen groß Sinn ergibt. Sie mag zwar im Rahmen der lehrreichen Botschaft der Story passen, aber zu sehr darüber nachdenken sollte man nicht. Doch das schmälert nicht, wie merklich ambitioniert und dicht erzählt dieses Spielfilmregiedebüt ist. Dass es trotz der ruhig erzählten Geschichte durchaus spannend wird, empfiehlt es für Genrefans nur noch mehr.