Hotel Mumbai [2018]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 2. März 2020
Genre: Drama

Originaltitel: Hotel Mumbai
Laufzeit: 123 min.
Produktionsland: Australien / USA / Großbritannien / Indien / Singapur
Produktionsjahr: 2018
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Anthony Maras
Musik: Volker Bertelmann
Besetzung: Dev Patel, Armie Hammer, Nazanin Boniadi, Anupam Kher, Jason Isaacs, Tilda Cobham-Hervey, Suhail Nayyar, Manoj Mehra, Amandeep Singh, Natasha Liu Bordizzo, Angus McLaren, Dinesh Kumar, Kapil Kumar Netra, Amritpal Singh


Kurzinhalt:

Als am Abend des 26. November 2008 die indische Metropole Mumbai von einer Reihe von Terroranschlägen erschüttert wird, fliehen die Menschen entweder aus der Stadt, oder darin in sicher scheinende Gebäude wie das berühmte Taj Mahal Palace Hotel. Doch ist eben das opulente und von zahlreichen Prominenten besuchte Luxushotel eines der Hauptziele der Angreifer, eine zehnköpfige Gruppe islamistischer Terroristen. Darin suchen sie gezielt nach amerikanischen oder britischen Gästen, die sie als Geiseln halten und bei größtmöglicher medialer Aufmerksamkeit hinrichten wollen. Doch zahlreiche Angestellte, darunter Arjun (Dev Patel) oder Chefkoch Hemant Oberoi (Anupam Kher) verstecken sich und die Gäste vor den Angreifern. Unter ihnen David (Armie Hammer), seine Frau Zahra (Nazanin Boniadi) sowie ihr gemeinsames Baby und die Nanny Sally (Tilda Cobham-Hervey). Aber auch der russische Geschäftsmann Vasili (Jason Isaacs). Während die Terroristen das von ihnen in Brand gesteckte Hotel nach Geiseln durchkämmen und zahlreiche Menschen ermorden, beginnen für die übrigen Verbliebenen im Hotel ungewisse Stunden zwischen Hoffen und Bangen. Jeder Fluchtversuch kann den Tod bedeuten – ebenso, wie wenn sie an Ort und Stelle bleiben …


Kritik:
Das auf Tatsachen basierende Thriller-Drama Hotel Mumbai um die Belagerung des Taj Mahal Palace Hotel in der indischen Millionenmetropole durch islamistische Terroristen, erzählt weniger von heroischen Taten der Menschen, die sich den Angreifern stellten, als von Mut und Tapferkeit. Sowohl der Überlebenden als auch der Opfer. Es schildert dabei auf erschreckende und greifbare Weise die unbegreiflichen Verbrechen, die sich dort im Jahr 2008 zugetragen haben. So wichtig es ist, dies zu sehen, so schwierig ist es auch, sich dem zu stellen.

Vier Tage dauerte der Angriff der Terroristen, die am 26. November in Mumbai bei einem dutzend Anschlägen 165 Menschen töteten. Das renommierte Taj Hotel, Anlaufpunkt für Politiker und Prominente in der Stadt, sollte das letzte Anschlagziel sein. Filmemacher Anthony Maras sucht sich einige Figuren aus, die er während dieser Ereignisse begleitet. Darunter den Angestellten Arjun, hervorragend verkörpert von Dev Patel, den wohlhabenden Amerikaner David, der mit seiner Frau Zahra, ihrem Baby und Nanny Sally als Gäste untergebracht sind, aber auch den russischen Geschäftsmann Vasili oder den Chefkoch Oberoi. Mit ihnen zusammen wird das Publikum hier Zeuge menschenverachtender Gewalt, deren Durchführung ebenso fassungslos macht wie die perfide Planung.
Dabei beginnt der Tag wie jeder andere, bis die Terroristen, die nicht nur miteinander über Handys ständig in Kontakt stehen, sondern ihre Anweisungen von einem Mann am Telefon, den sie nur „Bruder Stier“ nennen, erhalten, mit automatischen Maschinenpistolen, Granaten und Bomben eine Spur der Verwüstung in der Stadt hinterlassen.

Hiervon erfahren die Mitarbeiter und Gäste des berühmten Hotels anfangs nichts, ehe sich vor ihren Türen Menschen einfinden, die auf der Flucht vor nahegelegenen Anschlägen in dem sicher scheinenden Haus Zuflucht suchen. Darunter auch ein australisches Backpacker-Paar, das Hotel Mumbai kurz zuvor als Überlebende eines Angriffs in einem Café zeigt. Es beginnt für die Angestellten und Gäste ein Alptraum, der Tage andauern wird und den viele von ihnen nicht überleben werden. Hier gibt es keine Helden, die sich den Terroristen in den Weg stellen, oder solche Verbrecher, die angesichts ihrer Opfer ein Gewissen entdecken und ihre Taten hinterfragen. Zu sehen, mit welcher gleichgültigen Berechnung sie die Menschen regelrecht niedermähen, wie sie das Personal zwingen, in den Zimmern anzurufen, damit die dort verschanzten Gäste die Türen öffnen im Glauben, die Polizei wäre gekommen, nur um ihre Mordserie fortzusetzen, ist gelinde gesagt schockierend. Schildert Filmemacher Anthony Maras gleichzeitig, dass die Metropole ohne eigene Spezialeinheit auf diesen Angriff nicht im Geringsten vorbereitet war und die Opfer deshalb tagelang auf das Eintreffen speziell ausgebildeter Einsatzkräfte warten mussten, lässt einen dies nur fassungslos zurück.

In dieser Zeit wird die Verzweiflung der Betroffenen stündlich größer, die anfangs noch auf Rettung hoffen und irgendwann erkennen müssen, dass diese nicht kommen wird. Versteckt sich währenddessen Sally mit dem Baby vor den Angreifern, die immer dichter rücken, oder kauern sich die Überlebenden in einem exklusiven Club-Raum inmitten des Hotels zusammen, während die Spannungen auch unter ihnen immer größer werden, dann bedient Hotel Mumbai zweifellos Klischees des Genres. Ebenso, wenn die Gespräche der Terroristen wiedergegeben werden. Nur sollte man bedenken, dass allen möglichen Ungenauigkeiten oder historischen Fehlern zum Trotz die Filmemacher Zugang zu den Mitschnitten der Telefonate der Angreifer hatten und viele davon wortgetreu wiedergegeben werden. Dass es hier darüber hinaus keine klassischen Heldengeschichte zu entdecken gibt, mag auch der Tatsache geschuldet sein, dass in Vorbereitung auf den Film viele Interviews mit Überlebenden geführt wurden.

All das trägt zu einer bedrückenden und spürbar belastend authentischen Atmosphäre bei, die jedoch zahlreiche Elemente vermissen lässt. Seien es die zum Teil geglückten Rettungs- und Fluchtversuche bereits in den ersten beiden Nächten, oder die Erklärung, welche Figuren und Schicksale bei den Opfern real oder nacherzählt sind. Vielleicht hätte es hierfür auch einen anderen Rahmen gebraucht oder eine deutlich längere Laufzeit, die den Ablauf der Ereignisse im Hotel greifbarer gemacht hätte. So erscheinen manche Entwicklungen wie der Fluchtversuch am Ende oder das Eintreffen der Einsatzkräfte zu sehr dramatisiert, zumal man von den vielen weiteren Gästen, die im Hotel eingeschlossen waren, gar nichts erfährt.
Doch diese Punkte verblassen angesichts des Horrors, den Hotel Mumbai spürbar werden lässt.


Fazit:
Auch wenn manche Szenen scheinen, als würden sie das Leid der Betroffenen in Szene setzen, um da Publikum zu fesseln und nicht, als wäre das Publikum gefesselt angesichts der Schrecken, die hier zu sehen sind, wie wichtig es Filmemacher Anthony Maras ist, diese Geschichte zu erzählen, ist durchweg spürbar. Nicht nur, dass er im ersten Drittel seine Figuren und die Umgebung genügend erklärt, um sich später dort und mit ihnen zurecht zu finden, er erzeugt eine Authentizität, der man sich schwerlich entziehen kann. Dank einer hervorragenden Besetzung und einer schonungslosen, aber nie respektlosen oder reißerischen Darstellung der Opfer jener Angriffe, gelingt ihm ein packendes und erschreckendes Porträt jener Ereignisse in Mumbai im November 2008. Die menschenverachtende Grausamkeit hier ohne Effekthascherei dargestellt zu sehen, macht Hotel Mumbai zu einem ebenso wichtigen und sehenswerten wie schwer zu ertragenden Zeitzeugnis, das den Betroffenen ein Denkmal setzt und ihren Mut in den Mittelpunkt stellt, anstatt sie als Actionhelden zu glorifizieren. Ein starkes Thriller-Drama.