Homer und Eddie [1989]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 04. Juni 2006
Genre: DramaOriginaltitel: Homer and Eddie
Laufzeit: 95 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1989
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Andrei Konchalovsky
Musik: Eduard Artemyev
Darsteller: James Belushi, Whoopi Goldberg, John Waters, Robert Glaudini, Vincent Schiavelli, Nancy Parsons, Fritz Feld, Barbara Pilavin, Angelo Bertolini, James Thiel, Jeffrey Thiel, Andy Jarrell, Anne Ramsey
Kurzinhalt:
Seit er während seiner Schulzeit von einem Baseball am Kopf getroffen wurde, kann Homer (James Belushi) die Welt nicht mehr so erfassen, wie zuvor. Auch körperlich verhält er sich seit seinem Unfall anders. Nachdem ihn seine Eltern in einige Krankenhäuser schickten, landete er irgendwo im Nirgendwo und macht sich nach 14 Jahren auf, seinen kranken Vater in Oregon zu besuchen.
Doch schon wenig später ist er ausgeraubt und mittellos. Als er in einem schrottreifen Wagen übernachtet, lernt er die aufbrausende Eddie (Whoopi Goldberg) kennen, die sich bereiterklärt, diejenigen mit Homer ausfindig zu machen, die ihn beraubten – um das Geld dann für sich zu behalten. Im selben Zug will Eddie Homer nach Oregon bringen.
So beginnt ihre Odyssee durch ein heruntergekommenes, verlassenes Amerika abseits der großen Reiserouten. Anfangs ahnt Homer, dem die Wutausbrüche Eddies immer wieder zu schaffen machen, nichts davon, dass Eddie durch kleine Überfälle immer wieder an Bargeld gelangt – und dabei mehrere Menschen verletzt oder sogar tötet. Doch je näher sie ihrem Ziel kommen, umso größer wird die Freundschaft zwischen den ungleichen Reisenden und umso größer wird die Kluft, die sie trennt...
Kritik:
Bisweilen auf Nischensendern im Spätabendprogramm zu sehen, zählt Homer und Eddie zu derjenigen Art Film, der trotz namhafter Besetzung nie in dem Sinne im Gedächtnis der Zuschauer haften geblieben ist, wie viele andere Produktionen aus jener Zeit. Das mag einerseits daran liegen, dass weder die beiden Hauptdarsteller, noch Beteiligte hinter der Kamera jene steile Karriere beschritten, die anderen Hollywood-Schauspielern vergönnt war, vermutlich aber eher daran, dass der Film gerade aus heutiger Sicht nicht diejenigen Erwartungen erfüllt, die man an eine solche Geschichte mit diesen Akteuren hat. Dass der Film den Ansprüchen nicht gerecht wird, liegt aber weniger an den Darstellern oder am Regisseur, als vielmehr an der Vorlage, der es nicht gelingt, die Talente des Casts auch einzubringen.
Unverständlich ist insofern bereits, wie ein solches Drehbuch überhaupt vom Studio für die Produktion freigegeben werden kann. Zwar orientiert sich Autor Patrick Cirillo, der unter anderem am Skript zum Anti-Kriegs-Drama Tränen der Sonne [2003] mitgeschrieben hat, eindeutig an anderen Road-Movies dieser Art, verpackt dabei seine Grundgeschichte (Reise von A nach B mit Zwischenstopp in C) viel zu einfach und liefert auch keine Erklärung dafür, weswegen Eddies Familie quer durch die USA verstreut ist, wo sie eigentlich her kommt und wie Homer dort landen konnte, wo man ihm zu Beginn des Films begegnet.
Notdürftigst wird die Überfahrt des ungleichen Duos eingeleitet, wobei die Wutausbrüche Eddies zwar unvermittelt eingestreut sind, dabei aber ebenso wenig Sinn ergeben, was sich auf ihre psychotischen Anfälle analog übertragen lässt. Ihre Figur scheint aus unzähligen Klischees zusammengesetzt, ohne dass ihr Verhalten für ihre Situation aber schlüssig wäre.
Die Dialoge der beiden Hauptfiguren sind zu Beginn noch passend, zumal sie Homers Weltanschauung und seine gedachten Erfolge verdeutlichen, wiederholen sich aber gerade bei den Fahr-Szenen recht schnell, ohne neue Erkenntnisse zu beinhalten. Ärgerlich ist in Bezug auf Homer insbesondere, dass man seine Figur am Ende ebenso in medias res verlässt, wie man ihm am Anfang begegnete. Ein erklärender Epilog, eine Off-Erzählung, irgendein Andeuten seines weiteren Werdegangs hätte man sich auf jeden Fall gewünscht.
So hinterlässt das Drehbuch einen ebenso unfertigen wie löchrigen Eindruck, von subtilen Charakterzeichnungen ist nichts zu sehen, die wichtigsten Details zu den Figuren werden zu Beginn bereits eingebracht und im weiteren Verlauf auch kaum ausgebaut, wobei Eddies Verhaltensmuster ohnehin sträflich vernachlässigt wird. Dass Homer und Eddie für ein Road-Movie außerdem sehr zäh, episodenhaft und unspannend geraten ist, hilft der Vorlage nicht.
Die Darsteller, angeleitet von Regisseur Andrei Konchalovsky, geben sich hingegen alle Mühe, ihren Figuren Glaubwürdigkeit zu verleihen, wobei ohnehin nur zwei weiter gefordert sind.
James Belushi bei seiner Verkörperung des geistig beeinträchtigten Homer zu beobachten, ist insofern faszinierend, als dass er zwischen den körperlichen Auswirkungen seines Unfalles und den sprachlich, beziehungsweise geistig artikulierten abzuwechseln versucht, was ihm die meiste Zeit über auch sehr gut gelingt. Gerade im Zusammenspiel mit seiner Kollegin Whoopi Goldberg und den physischen Szenen der beiden Darsteller, entfaltet Belushi sein volles Potential und man kann sich nur fragen, weswegen der Darsteller seither meist auf Unterhaltungsfilme und Komödien setzte, anstatt seine Fähigkeiten im Drama weiter unter Beweis zu stellen.
Dass Whoopi Goldberg einer schwierigen Rolle gewachsen ist, bewies sie bereist mit Die Farbe Lila [1985]; auch hier meistert sie ihre Rolle problemlos, auch wenn man sich wünschen würde, ihrer Figur wäre mehr Hintergrund zugeschrieben worden. So hängen ihre fordernden Szenen mit einer viel zu einfachen und nicht durchgängig ausgeführten Erklärung zusammenhanglos in der Luft. Auch dass sich ihre Figur in keiner Weise entwickelt, trägt zu dem faden Beigeschmack ihrer grundsätzlich wirklich guten Leistung bei, auch wenn sie in den Szenen mit Belushi merklich aufblüht.
Von den übrigen Darstellern ist kaum jemand lange genug zu sehen, um in Erinnerung zu bleiben, Vincent Schiavelli – mit dem Goldberg in Ghost - Nachricht von Sam [1990] keine gemeinsame Szene hatte, obgleich sie beide mitspielen – mimt routiniert, ebenso wie Nancy Parsons und Barbara Pilavin, die aber nur wenige Dialogzeilen zu absolvieren hat.
Die Darsteller sind ordentlich ausgesucht und lassen kaum Wünsche offen, was aber auch daran liegt, dass abgesehen von den beiden Protagonisten kaum jemand etwas zu tun hat.
Handwerklich kann der russische Theater- und Filmregisseur Andrei Konchalovsky, der seit den 1980er Jahren immer wieder Filme in den USA dreht (darunter die Actionkomödie Tango & Cash [1989]), durchaus überzeugen, auch wenn die Inszenierung ohne besondere Höhepunkte auskommt. Kamera und Schnitt warten mit soliden Einstellungen und – gerade bei den Landschaftsaufnahmen der Überfahrt – teilweise atemberaubenden Bildern auf; auch die bürgerkriegsähnlichen Verhältnisse, die die Filmemacher bei ihrem Besuch in Oakland vermitteln wollen, erzeugen eine surreale Atmosphäre.
Woran der Film allerdings krankt ist die völlig unpassende instrumentale Begleitung durch den russischen Komponisten Eduard Artemyev, bei dem es scheint, als habe er lediglich drei verschiedene Stücke für den Film geschrieben und würde diese wahllos abwechseln. Ärgerlich ist das insofern, als dass er bei denjenigen Szenen, in denen die Figuren näher beleuchtet, ihr Innerstes bloß gelegt werden sollte, grundsätzlich auf Synthesizer-Klänge setzt, die durch ihren fremden, unnatürlichen Charakter den Zuschauer weiter von den Figuren wegbringen. Auch die üblichen Motive scheinen zu lapidar, zu fröhlich und unselbständig, als dass sie überzeugen könnten.
Die gesungenen Songs passen hingegen sehr gut zum Road-Movie und bieten auch das bekannte 80er-Jahre-Flair, das diejenigen, die diese Zeit tatsächlich erlebt haben, sofort in ihre Erinnerungen zurück versetzt.
Dass Homer und Eddie kein Erfolg vergönnt war, sieht man schon daran, dass die lange Zeit einzige auf dem Markt erhältliche DVD aus Deutschland stammte. Selbst in den USA erschien das Drama erst 2009 auf DVD. Den Zuschauer erwartet der Film in Vollbild und im 16:9-Format, der Ton in Deutsch und Englisch (jeweils Stereo und ein 5.1-Surround-Sound-Upmix), ein Kinotrailer zum Film und Text-Tafeln mit Hintergrundinformationen.
Ob sich die Anschaffung der Disc allerdings lohnt, muss jeder für sich entscheiden, und dies liegt nicht daran, dass das Bild unwesentlich besser als eine gute VHS-Aufnahme aussieht. Es ist vielmehr so, dass das Drama die letzten 20 Jahre nicht unbeschadet überstanden hat und denjenigen, die es vor 10 bis 15 Jahren zum ersten Mal sahen, meist besser in Erinnerung blieb, als es heute der Fall ist. Das liegt zum einen daran, dass die Art und Weise, wie James Belushis Darbietung gezeigt wird den geistig beeinträchtigten Menschen nicht gerecht scheint (man bedenke Filme wie Forrest Gump [1994] oder Rain Man [1988]), und zum anderen an der schlichten Tatsache, dass der Film einen unstrukturierten, halbgaren Eindruck macht. Dagegen kommen nicht einmal die beiden wirklich sehr gut agierenden Akteure an, die man leider viel zu selten in so anspruchsvollen Rollen sehen darf.
Fazit:
Homer und Eddie ist einer derjenigen Filme, die vor vielen Jahren als besser im Gedächtnis blieben, als sie sich nun herausstellen. Der Grund hierfür ist schnell am Drehbuch ausgemacht, dem es weder gelingt, eine schlüssige Geschichte zu erzählen, noch das gefährliche Potential dieser sehr gegensätzlichen Konstellation der beiden Hauptfiguren zu entfalten. Vielmehr springt das Skript zwischen sich wiederholenden Dialogen und unmotivierten Überfall-Szenen hin und her, ohne jemals eine richtige Dramaturgie aufzubauen. Das unfertige Ende, das gänzlich ohne Epilog auskommen muss, rundet den unterdurchschnittlichen Eindruck ab.
Die Inszenierung ist dabei nicht wirklich schlecht geraten, woran es vielmehr hapert ist die unpassende instrumentale Musik, die im Gegensatz zu den gesungenen Liedern weder zum Road-Movie, noch zum Drama passen will. Sehenswert bleibt Andrei Konchalovskys Film jedoch für Fans von Whoopi Goldberg und James Belushi, die beide in ungewohnten Rollen zu sehen sind und sich gegenseitig zu Höchstleistungen anspornen. Hätte man das besser eingefangen, wäre Goldberg nicht nur mehr gefordert gewesen, sondern das gesamte Drama wäre sehenswerter geworden.
So allerdings spielen die beiden außergewöhnlichen Darsteller gegen eine missratene Vorlage an, gegen die sie im Endeffekt nicht gewinnen können.