Hidden Figures: Unerkannte Heldinnen [2017]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 6. Januar 2018
Genre: Drama / Biografie

Originaltitel: Hidden Figures
Laufzeit: 127 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2016
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung

Regie: Theodore Melfi
Musik: Benjamin Wallfisch, Pharrell Williams, Hans Zimmer
Darsteller: Taraji P. Henson, Octavia Spencer, Janelle Monáe, Kevin Costner, Kirsten Dunst, Jim Parsons, Mahershala Ali, Aldis Hodge, Glen Powell, Kimberly Quinn


Kurzinhalt:

Es ist das Jahr 1961. Die farbige Mathematikerin Katherine (Taraji P. Henson) arbeitet mit ihren Kolleginnen Dorothy (Octavia Spencer) und Mary (Janelle Monáe) in einer Rechen-Abteilung der NASA in Virginia. Als das sowjetische Raumfahrtprogramm den ersten Menschen erfolgreich ins Weltall bringt, steigt nicht nur für Al Harrisons (Kevin Costner) „Space Task Group“ der Druck. Nachdem Katherine in Harrisons Team aufsteigt, setzt ihr trotz dessen Unterstützung die alltägliche Ausgrenzung, die sie von Paul Stafford (Jim Parsons) und den anderen weißen Männern im Team erfährt, merklich zu. Währenddessen werden Mary weitere Hürden aufgebaut, so dass sie als gelernte Ingenieurin nicht in diesem Beruf arbeiten darf. Auch Dorothy wird bei ihrem beruflichen Vorankommen von der ihr vorgesetzten Mrs. Mitchell (Kirsten Dunst) blockiert. Einzig ihre Freundschaft lässt die drei Frauen angesichts der andauernden Diskriminierung, die sie auf Grund ihrer Hautfarbe und ihres Geschlechts erfahren, nicht kapitulieren …


Kritik:
Hidden Figures: Unerkannte Heldinnen ist eine mitunter berührende, nie kitschige und inspirierende Biografie um drei farbige Frauen, die eine zentrale Rolle bei einer der größten wissenschaftlichen Meilensteine des vergangenen Jahrhunderts gespielt haben – der (zweiten) Erdumrundung eines Menschen in einer Weltraumkapsel. Regisseur Theodore Melfi erzählt ihre Geschichte mit einem Feingefühl, das ihre Schlagfertigkeit und ihr Selbstbewusstsein ebenso in den Mittelpunkt rückt, wie die Diskriminierung, die ihnen alltäglich entgegenschlägt. Das gelingt so gut, dass es umso ärgerlicher ist, wie sehr ein einzelnes Element viel vom Flair des Historiendramas kaputtmacht und dass die Figuren insgesamt nur wenig Tiefe verliehen bekommen.

Auch wenn zu Beginn die mathematisch hochbegabte Katherine vorgestellt wird, im Zentrum des Films stehen sowohl sie als auch ihre Freundinnen Dorothy und Mary. Sie alle arbeiten im Jahr 1961 für die NASA, die in einem verzweifelten Wettlauf mit dem Raumfahrtprogramm der UdSSR um die Hoheit im Weltraum Gefahr läuft, das Rennen zu verlieren. Die drei arbeiten mit einer ganzen Gruppe farbiger Frauen den verschiedenen Teams zu, darunter Ingenieuren und Mathematikern, die verzweifelt versuchen, vor den Sowjets einen Menschen in den Weltraum zu befördern und sicher zurückzubringen. Obwohl die Rassentrennung seit einem Jahrzehnt faktisch aufgehoben ist, sind die Frauen in einem separaten Gebäude untergebracht, dürfen nicht dieselben Toiletten wie Weiße benutzen und werden immer noch als Menschen zweiter Klasse behandelt.

Es ist eine Situation, die man sich aus heutiger Sicht schlicht kaum vorstellen kann und aus der Sicht eines männlichen Weißen wohl am allerwenigsten. Umso treffender sind die Momente, in denen Regisseur Melfi die alltägliche Diskriminierung aufgreift und dem Publikum vor Augen führt. Mitunter beinahe beiläufig, manchmal jedoch im Mittelpunkt der Erzählung. Als wäre die Situation nicht ungerecht genug, kommt für die drei Hauptfiguren die Schlechterbehandlung, die sie nur deshalb erfahren, weil sie Frauen sind, erschwerend hinzu.
Als die alleinerziehende Witwe Katherine dem Team um Al Harrison zugeteilt wird und die Berechnungen von anderen Mathematikern überprüfen soll, legt ihr Paul Stafford beispielsweise alle möglichen Steine in den Weg, da sie weder als Frau, noch auf Grund ihrer Hautfarbe dafür wohl qualifiziert ist. Gleichzeitig wird Mary mit allen Mitteln davon abgehalten, als Ingenieurin im Team zu arbeiten, indem urplötzlich die Anforderungen nach oben gesetzt werden. Dorothy muss erkennen, dass ihre und die Arbeit ihrer Kolleginnen in Bälde dem technischen Fortschritt zum Opfer fallen wird, während man ihr die Möglichkeit verweigert, in der Hierarchie aufzusteigen.

Was die drei Damen – und Hidden Figures in dem Zug gleich mit – bemerkenswert macht ist die Tatsache, dass sie sich von den Hindernissen, die ihnen mutwillig entgegengesetzt werden, nicht unterkriegen lassen. Und statt zu einem gewaltsamen Protest zu greifen, überzeugen sie gleichermaßen durch ihre Beharrlichkeit, ihr Talent und eine geradezu entwaffnende Schlagfertigkeit. Das zu erleben ist mitunter amüsant, ihre Rückschläge ernüchternd, aber am Ende ist es dennoch ermutigend. Regisseur Melfi findet in den richtigen Momenten die passende Stimmung und setzt auch die Aspekte des Rennens um die Präsenz im Weltraum ansprechend um. Dass dies nie in dem Maße packt wie z.B. bei Apollo 13 [1995], liegt bereits daran, dass Schwerpunkt des Dramas ein ganz anderer ist. Bedauerlich ist allenfalls, dass man über die Nebenfiguren kaum etwas erfährt. Kevin Costner ist wie immer eine Bereicherung und Kirsten Dunst lässt erahnen, dass hinter der Figur mehr steckt. Einzig der aus The Big Bang Theory [seit 2007] bekannte Jim Parsons scheint seine Serienfigur zu verkörpern. Ärgerlich wird das durch die Tatsache, dass auf der Heimvideoveröffentlichung entfallene Szenen enthalten sind, die genau diesen Schwachpunkt ausbessern würden. Auch bekämen damit Dorothy und Mary jeweils einen Moment mehr, in welchem sie etwas zu tun bekommen. Dass man sich dagegen entschieden hat, ihre Szenen mit aufzunehmen, hat den Film an Profil gekostet.

Für eine Biografie verrät das Drehbuch mit der Ausnahme von Katherine überraschend wenig über seine Hauptfiguren. Dafür macht der Film am Ende deutlich, welchen Einfluss sie alle tatsächlich hatten. Dank der tollen Ausstattung von Kleidung über Design bis hin zu Dokumentaraufnahmen jener Zeit, bietet das Drama einen gelungenen Einblick in den alltäglichen Kampf, den diese Frauen damals ausgefochten haben. Das Zeitkolorit wird somit toll getroffen – mit einer Ausnahme. Die Musik weist den deutlichen Einfluss von Pharrell Williams auf, der zahlreiche Songs beigesteuert hat. Die sind dabei zwar inhaltlich auf die jeweiligen Szenen abgestimmt, passen aber weder auf Grund des für den Musiker so charakteristischen Stils, noch hinsichtlich der Instrumentierung zur Zeit, in welcher die Geschichte spielt. Das stört nicht nur die Atmosphäre, während viele andere Details die 1960er-Jahre so treffend aufleben lassen, es macht Hidden Figures am Ende bedeutend weniger zeitlos, als der Film sein sollte.


Fazit:
Sowohl Taraji P. Henson in der Rolle der Katherine als auch Octavia Spencer als Dorothy und Janelle Monáe als Mary bringen ihre Figuren auf packende Art zur Geltung. Sie wirken gleichermaßen leidenschaftlich für ihre Arbeit wie auf Grund ihrer Erfahrungen gezeichnet und vorsichtig. Dabei verleihen sie der Geschichte nicht nur Gewicht, welches das Interesse hält, obwohl die Story selbst kaum Überraschungen bietet, sondern inspirieren durch starke Porträts dieser Frauen, die heute so bemerkenswert sind wie damals. Auch ohne einen erhobenen Zeigefinger führt Regisseur Theodore Melfi die Diskriminierung offen vor. Trotz der ernsten Momente ist sein Film nie bedrückend und behält sich dank der geschliffenen Dialoge eine gewisse Leichtigkeit. Es ist schade, dass Hidden Figures: Unerkannte Heldinnen trotz der vielen positiven Facetten auch auf Grund der Musik den Eindruck macht, als wäre das Drama bis ins Kleinste durchdesignt. Klassiker wie Miss Daisy und ihr Chauffeur [1989] besitzen eine Natürlichkeit, die hier leider fehlt. Und während nicht nur die Nebenfiguren wenig ausgearbeitet sind, fehlt dem Film insgesamt eine emotionale Wucht. Das schmälert nicht die wichtige und richtige Aussage, doch es sorgt dafür, dass das Drama nicht nachwirkt.