Here [2024]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 18. November 2024
Genre: DramaOriginaltitel: Here
Laufzeit: 104 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2024
FSK-Freigabe: noch nicht bekannt
Regie: Robert Zemeckis
Musik: Alan Silvestri
Besetzung: Tom Hanks, Robin Wright, Paul Bettany, Kelly Reilly, Michelle Dockery, Gwilym Lee, Ophelia Lovibond, David Fynn, Leslie Zemeckis, Lauren McQueen, Beau Gadsdon, Jonathan Aris, Daniel Betts, Harry Marcus, Albie Salter, Lilly Aspell, Joel Oulette, Dannie McCallum, Nicholas Pinnock, Nikki Amuka-Bird, Cache Vanderpuye, Anya Marco Harris, Mohammed George, Zsa Zsa Zemeckis
Kurzinhalt:
Es ist ein geschichtsträchtiger Ort, an dem das Wohnzimmer des Hauses steht, das der Veteran des Zweiten Weltkriegs Al Young (Paul Bettany) zusammen mit seiner Frau Rose (Kelly Reilly) gekauft hat, um dort ihre Familie großzuziehen. Nicht nur, dass in dem alten Haus andere Menschen bereits gelacht und gelitten, Pläne geschmiedet und getrauert haben, sogar lange, bevor hier überhaupt Häuser errichtet wurden, haben dort bereits Menschen gelebt. Als Leben verläuft hingegen nicht, wie er es sich vorgestellt hat und als sein Sohn Richard (Tom Hanks) gerade 18 Jahre alt wird und seinen Eltern verrät, dass seine Freundin Margaret (Robin Wright) schwanger ist, sieht Al für Richard und seine Pläne, als Künstler Geld zu verdienen, keine Zukunft. Auch Margaret scheint in Roses Fußstapfen zu treten, und ihre Karriere der Familie unterzuordnen. Es ist, als würde sich die Geschichte immer wiederholen, dabei gibt es zaghafte Entwicklungen. Wenn nicht für die jetzige Generation, dann, so die Hoffnung, für die nächste …
Kritik:
Robert Zemeckis’ Adaption des gleichnamigen Graphic Novel von Richard McGuire aus dem Jahr 2014 ist wie dessen ursprüngliche Comic-Reihe ein Experiment. Allein dafür, dieses zu wagen, haben sowohl die Beteiligten als auch das verantwortliche Studio im Hintergrund Anerkennung verdient, in einer Zeit, in der viele Produktionen spürbar auf sichere Konzepte setzen. Doch so viele Momente in Here gelungen sind, dessen Geschichte einen bestimmten Ort im Laufe der Geschichte zeigt, so hölzern und erzwungen sind andere. Das Ergebnis wirkt mitunter feinfühlig und berührend, dann jedoch wieder gestellt und um seine Wirkung bemüht. Das liegt nicht an der engagierten Besetzung, sondern eher an einer unfokussierten Erzählung.
Die Idee von Here klingt so einfach wie einfallsreich. Der gesamte Film wird aus einer einzigen Perspektive an demselben Ort erzählt, dessen Entwicklung nicht nur über Jahrzehnte begleitet wird. Den allergrößten Teil über befindet sich an diesem Ort das Wohnzimmer eines im 19. Jahrhundert gebauten Hauses, dessen Bewohnerinnen und Bewohner über mehr als 100 Jahre wechseln. Doch Filmemacher Zemeckis springt mit seinem Drehbuch-Ko-Autoren Eric Roth noch weiter zurück. Zuerst Jahrmillionen, dann lediglich mehrere Jahrhunderte in die Zeit amerikanischer Ureinwohner. An diesem Ort verkehren auch beispielsweise William und Benjamin Franklin, deren Momente mit den übrigen Erzählsträngen abgewechselt werden, wobei die Erzählung innerhalb eines Stranges jeweils chronologisch voranschreitet und nicht zurückspringt. Zur Wende des 19. bzw. 20. Jahrhunderts bewohnt das Haus ein zum Leidwesen seiner Frau vom Fliegen faszinierter Mann, später ein Paar, das in den 1930er- und frühen 1940er-Jahren einen ausschweifenden Lebensstil pflegt, die Familie eines Weltkriegsveteranen, die die Geschichte hauptsächlich ausmacht, sowie eine Familie, die in der heutigen Zeit mit ganz anderen Ängsten und Gefahren zu kämpfen hat.
Auch in Anbetracht der Laufzeit von ein wenig mehr als eineinhalb Stunden wird für die Verantwortlichen die Herausforderung deutlich, all dies miteinander zu verbinden, geschweige denn, die Figuren tatsächlich auszuarbeiten. Letztlich gewähren sie dem Publikum von der überwiegenden Anzahl der Geschichten lediglich Momentaufnahmen, wichtige Augenblicke im Leben der Personen, die zwar ausreichen, ihren Werdegang zu verstehen, nicht aber, irgendeine Verbindung zu ihnen aufzubauen. So unnötig die übrigen Erzählstränge auf den ersten Blick scheinen, sie verdeutlichen, dass sich alles im Leben wiederholt. Sei es, dass an diesem Ort bzw. in diesem Haus Menschen geboren werden, oder dort sterben. Dass Pandemien die Menschheit ebenso heimsuchen wie Kriege die Leben der Menschen prägen, selbst wenn der Ort selbst hiervon verschont geblieben sein mag.
Der Blickwinkel, den Filmemacher Robert Zemeckis wählt, um all dies zu erzählen, ist ebenso ungewohnt wie eigenwillig. Man blickt leicht erhöht in jenes Wohnzimmer hinein. Etwas schräg nach rechts, ohne dass man einen Überblick vom restlichen Haus oder allein dem Zimmer hinter dem Wohnzimmer bekommen würde. Alles, was man aus den Leben der Figuren erfährt, spielt sich daher in diesem Zimmer ab – und welches wäre dafür besser geeignet, als das Zimmer, in dem sich eine Familie in aller Regel am meisten aufhält? Here findet, wohl aus dem Comic entnommen, ein ungewöhnliches Stilmittel, um zwischen den verschiedenen Erzählungen zu wechseln. Anstatt vollständig in die jeweils andere Zeit zu springen, umranden die Verantwortlichen oft einen Ausschnitt aus dem Zimmer bzw. diesem Ort, und zeigen diesen Ausschnitt zuerst in jener anderen Zeit. So vermittelt das Drama auch die voranschreitende Zeit, den Wechsel zwischen den Jahren oder Jahreszeiten. Es erscheint stellenweise wie eine zum Leben erweckte Collage, während das Konzept selbst ein wenig an den Moment erinnert, wenn der Zeitreisende in Die Zeitmaschine [1960] die Veränderungen im Schaufenster während seiner Reise beobachtet.
Das ist nicht nur faszinierend, sondern als Konzept durchaus gelungen. Nur gelingt es Regisseur Zemeckis nicht, die Geschichte vor dem Konzept in den Vordergrund zu stellen. Doch verbringt man mit bestimmten Charakteren stets nur Sekunden, ehe die Erzählung Jahrzehnte (oder mehr) in der Zeit springt, berührt ihr Schicksal nicht wirklich. Bei vielen dieser Figuren kann man sich bereits während des Films kaum an ihre Namen erinnern. Dass dies jedoch funktionieren kann, sieht man an der Haupterzählung, die zuerst den Veteranen Al Young und seine Frau Rose nach ihrem Einzug in das Haus begleitet, um sich dann auf ihren ältesten Sohn, Richard, und dessen Frau Margaret zu verlagern. Anhand dieser beiden Generationen erzählt Here, wie sich Eheleute auseinanderleben, oder ihr Leben wieder in den Griff bekommen. Wie sie ihre Träume hinter ihren familiären Verpflichtungen anstellen und so aufhören, diejenigen zu sein, in die sich die Partnerin bzw. der Partner ursprünglich verliebt haben. Ganz nebenbei veranschaulicht das Drehbuch, wie ein sozialer Aufstieg tatsächlich funktioniert, wie lange er dauert – und was meist die Eltern aufgeben, um ihn ihren Kindern zu ermöglichen.
Hier gibt es so viele gelungene Momente, die schon deshalb nahegehen, da Here diese Figuren am intensivsten begleitet, man ihre Höhen und Tiefen miterlebt. Vielleicht wäre es besser gewesen, sich hierauf zu konzentrieren und womöglich noch einige Zwischenstationen aufzunehmen. In den übrigen Erzählungen spiegeln sich viele der Erfahrungen dieser Familie, ganz so, als wollten die Verantwortlichen sicherstellen, dass das Publikum dies verstanden hat. Oder als wären sie um einen künstlerischen Anspruch bemüht. Beides ist unnötig und lenkt von der eigentlichen Geschichte nur ab.
Fazit:
Man mag verstehen, auf welche Wirkung Regisseur Robert Zemeckis aus ist, wenn er seine Erzählung mit einer Reise durch die Zeit beginnt, doch dass weder die Landschaft, noch die Tiere tatsächlich echt aussehen, kostet gleich zu Beginn viel der Überzeugung. Dasselbe gilt mitunter für das Wohnzimmer selbst, dem oft ein künstliches Flair anhaftet. Da er seine Figuren teilweise über Jahrzehnte begleitet, sieht man sie entweder deutlich älter, als die sie darstellende Person, oder aber digital verjüngt. Beides ist nicht immer überzeugend und sorgt mitunter für künstlich kühle Situationen, die allenfalls durch die große Distanz der Perspektive aufgewogen werden. Wie sehr sich diese Entfernung auch auf die Beziehung des Publikums zu den Figuren auswirkt, erkennt man, wenn Zemeckis sie auflöst. Es ist ein Moment, der unvermittelt nahe geht und das Erzählkonzept gewissermaßen abrundet. Toll gespielt und erstklassig geschnitten, verpufft Vieles von der Wirkung der Geschichte, die sich auf zu viele Zeitebenen verteilt. Dabei gibt es erstklassige Momente mit Tom Hanks und Robin Wright, die beide großartig sind, ebenso Paul Bettany und Kelly Reilly. Doch manche Dialoge klingen vollkommen weltfremd und viele schlicht künstlich. Here nimmt die Frage auf, was ein Ort, ein Haus wohl erzählen könnte, hat sich dort doch schon so vieles ereignet. Mit den Ausschnitten, die teils aus verschiedenen Zeitepochen in einem Bild dargestellt werden, vermittelt das Drama dafür eine ebenso interessante wie gewöhnungsbedürftige Erzählung, auf die man sich einlassen muss. Das ist lohnenswert, selbst wenn es dem eigenen Anspruch, wie auch dem Potential, nicht gerecht wird.