Hautnah - Die Methode Hill: "Die Spur ins Nichts" [2007]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 24. März 2009
Genre: Krimi

Originaltitel: Wire in the Blood: "The Colour of Amber"
Laufzeit: 82 min.
Produktionsland: Großbritannien
Produktionsjahr: 2007
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Peter Hoar
Musik: The Insects
Darsteller: Robson Green, Simone Lahbib, Mark Letheren, Emma Handy, Mark Penfold, Adjoa Andoh, Lee Battle, Thomas Byrne, Antoinette Carr, Christopher Colquhoun, Montserrat Roig de Puig, Laurietta Essien


Kurzinhalt:
Als sich eine Anruferin bei der Polizei meldet, sie habe beobachtet, wie ein schwarzes Mädchen von einem weißen Mann in ein Auto gezerrt wurde, zögern die Behörden nicht lange und lösen den "Amber-Alarm" für ein entführtes Kind aus. Den Statistiken nach bleiben DI Alex Fielding (Simone Lahbib) nur wenige Stunden, um das Kind lebend zu finden. Auch Psychologe Tony Hill (Robson Green) wird hinzugezogen, um die Ermittlungen zu unterstützen.
Doch während die Identifizierung des Mädchens noch nicht abgeschlossen ist, meldet sich Celeste Davies (Adjoa Andoh) bei der Polizei, dass ihre Tochter Janita das entführte Mädchen wäre. Als die Stunden verstreichen, sinkt die Hoffnung und die Gewissheit steigt, dass nur mit einem Fund neue Hinweise kommen werden, um den oder die Täter zu fassen.
Doch für Tony Hill passen viele Details der Entführung nicht zusammen, allen voran, weswegen war das Mädchen nicht weggelaufen und hatte sich nicht gewehrt, als es ins Auto geschubst wurde?


Kritik:
Wie schwer es ein Krimi heutzutage hat, die Zuschauer zu unterhalten und gleichzeitig zu überraschen, sieht man einerseits an der Vielzahl hochklassiger internationaler Serien- und Filmproduktionen und der Tatsache, dass der Krimi wie alles andere seit Anbeginn der verschiedensten Unterhaltungsmedien ein fester Bestandteil derselben war. Nach so langer Zeit in Buch-, Theater- und Filmform wird es schwer, die Zuseher zu verblüffen und neue Ideen vorzustellen. Umso gelungener ist dabei der Auftakt der fünften Staffel von Hautnah – Die Methode Hill. Denn auch wenn der Krimi mit einer Geschichte beginnt, die nicht nur realistisch und damit bedrückend genug ist, die eigentliche Auflösung erwischt auch den aufmerksamsten Zuschauer unvorbereitet und ergibt dennoch Sinn.

Dass Kindesentführungen eine traurige Aktualität besitzen, wird schon dann offensichtlich, wenn man sich einmal die internationalen Statistiken ansieht. Insofern läuft dem erwachsenen Zuschauer bei Die Spur ins Nichts ein kalter Schauer über den Rücken, wenn sich das Drama vor den Augen der Ermittler entfaltet und gleichzeitig die Ungewissheit die Eltern und Polizisten ergreift, was aus der jungen Janita geworden ist. Hier geht der Krimi auch einen ungewohnten Weg und schildert keine Sekunde aus der Sicht des entführten Mädchens, was die Beklommenheit, die sich auf die Zuschauer überträgt nur noch verstärkt. Sobald die Stunden dahinstreichen und offensichtlich wird, was viele Ermittler bereits befürchteten, macht sich eine düstere Ernüchterung breit, die alsbald in eine Wut umschlägt, welche die Polizei darin kanalisiert, diejenigen ausfindig zu machen, die hinter der Entführung stehen.
An der Seite von Tony Hill, einmal mehr charismatisch und enigmatisch zugleich verkörpert von Robson Green, beobachtet man diese Veränderung in den Behörden von einem distanzierten und doch emotional ebenso packenden Standpunkt. Dass die übrigen regulären Darsteller nicht in dem Maße gefordert sind, sieht man Die Spur ins Nichts insofern nach, als dass Simone Lahbib, die sich seit der letzten Staffel nahtlos in die Hautnah-Reihe eingefügt hat, exzellente Arbeit leistet und im Gegensatz zu Hill einen Anker bietet, den man als Zuseher auch versteht. Denn so spannend es auch ist, Hill beim Zusammensetzen des Puzzles zuzusehen, seine Gedankensprünge und seine Fähigkeit, sich in die Psyche der verschiedenen Täter hinein zu versetzen, sind ebenso beunruhigend wie faszinierend. Dass jedoch auch er über weite Teile des TV-Krimis ratlos vor der Pinnwand mit den verschiedenen Hinweisen steht, lässt einen als Zuschauer beinahe verzweifeln.

Während mancherorts die rasante Inszenierung von Wire in the Blood, so der Originaltitel der Reihe, gelobt wird, sind die schnellen Schnitte, die Zeitrafferaufnahmen und die betont modern gehaltenen Einstellungen des Filmauftakts aber eher als störend zu sehen. Das umso mehr, da sich auch das Erzähltempo des Krimis später beruhigt und Regisseur Peter Hoar gerade in wichtigen Gesprächen auf taktbewusste Schnitte und ruhige Einstellungen vertraut, die gleichzeitig die innere Einstellung der Figuren zum Ausdruck bringen.
Insofern passen die ersten 15 Minuten stilistisch auch nicht zum Rest des Films, der nicht zuletzt auch dank der rhythmischen und atmosphärischen Musik oftmals Gänsehaut-Feeling aufkommen lässt. Dass insbesondere der Schnitt überzeugt erkennt man schon daran, dass man als Zuschauer im letzten Drittel unweigerlich Stück um Stück näher zum Bildschirm wandert, wenn die Geschichte eine in der Tat unerwartete Wendung nimmt.

Handwerklich bis auf die Eröffnung tadellos umgesetzt, beweist Hautnah – Die Methode Hill einmal mehr, dass sie zu den besten Importen gehört, die aktuell aus Großbritannien im deutschen Fernsehen zu sehen sind. Dass die Synchronfassungen insbesondere bei den Nebendarstellern dem nicht immer Rechnung tragen, ist zwar bedauerlich, aber leider nicht zu ändern.
Packend und realistisch beobachtet man in Die Spur ins Nichts, wie auch erfahrene Ermittler in ein Problem verrannt nicht erkennen, was tatsächlich vor sich geht. Dabei den Umschwung in der Arbeitsmethode bei den Polizisten beobachten zu dürfen, zählt zu den Highlights des Krimis, der dank eines sehr überraschungsreichen Drehbuchs auch erfahrene Zuschauer verblüffen dürfte.


Fazit:
So sehr er auch festhalten mag, dass die Einzelteile des Puzzles nicht zusammen passen, eine bessere Erklärung kann auch Tony Hill nicht liefern. Und den exzentrischen Psychologen dabei zu beobachten, wie er selbst vor einem unlösbaren Problem steht, bedeutet auch für Fans eine neue Erfahrung. Robson Green wirkt dank der verschiedenen Handlungsstränge wie zerrissen zwischen den Patienten, die ihn am meisten brauchen und gestaltet seine Rolle ebenso sympathisch wie bemitleidenswert. Er trägt Die Spur ins Nichts mit einer Leichtigkeit, dass man sich nicht vorstellen kann, dass zwischen dem letzten und diesem Fall über ein halbes Jahr vergangen ist.
Gut gefilmt und in der zweiten Hälfte sehr gut geschnitten übertrifft das intelligente und überraschende Drehbuch mit den differenzierten Figuren zweifelsohne die Erwartungen. Dass auch die Nebenhandlungen alle wichtig sind und zum Lösen des Falles beitragen, spricht für das Konzept. Doch gerade auf Grund des realistischen Hintergrundes bleibt Hautnah eine der beängstigendsten Krimiserien der heutigen Zeit.