Hautnah - Die Methode Hill: "Das tödliche Internet" [2005]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 21. Januar 2006
Genre: Thriller / DramaOriginaltitel: Wire in the Blood: "Redemption"
Laufzeit: 80 min.
Produktionsland: Großbritannien
Produktionsjahr: 2005
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Terry McDonough
Musik: The Insects
Darsteller: Robson Green, Hermione Norris, Emma Handy, Mark Penfold, Peter Sullivan, Mark Letheren, Caroline Strong, Keiran Flynn, Flip Webster, Samuel Pinnington, Francesca Miller, Michael Begley
Kurzinhalt:
Als die Leiche eines erst zehnjährigen Ausreißers gefunden wird, zieht die ermittelnde Polizistin Carol Jordan (Hermione Norris) den Psychologen Dr. Tony Hill (Robson Green) zu Rate. Schnell ist klar, dass es sich dabei um einen Mord handelt, dessen Motiv den Ermittlern allerdings schleierhaft bleibt.
Wenig später wird eine weitere Leiche gefunden, und nachdem Kevin Geoffries (Mark Letheren) die Leitung der Untersuchung übernommen hat, sind auch schnell erste Verdächtige ausgemacht. Doch während Tony Hill mit seinen Schlussfolgerungen bei den Verwandten der Opfer richtig liegt, ist er sich doch sicher, dass keiner von ihnen der Mörder ist. Einen dafür geeigneten Kandidaten scheint er erst im Leiter des kirchlichen Jugendheims, Michael Stocks (Michael Begley) gefunden zu haben.
Wie es scheint, verführt der Täter seine zukünftigen Opfer zum Ausriss aus schwierigen Familienverhältnissen über einen Chat im Internet – und als auf eben diese Weise ein weiterer Junge verschwindet, beginnt ein Wettlauf mit der Zeit, den Tony Hill zusammen mit der Polizei um jeden Preis gewinnen muss ...
Kritik:
Als Krimifan muss man dem Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) im Grunde genommen überaus dankbar sein, immerhin ist die Programmdirektion nicht nur für den Einkauf des erfolgreichen britischen Serienformats Wire in the Blood, hierzulande bekannt als Hautnah – Die Methode Hill, verantwortlich, sondern übernimmt auch die Deutsche Synchronisierung in Eigenregie. Doch während gerade Hauptakteur Robson Green mit der Stimme von Stephan Schwartz so prominent wie passend besetzt ist, sind es zum einen die deutschen Stimmen der Nebenfiguren, sowie die grundlegende Atmosphäre der deutschen Tonfassung, die sowohl Professionalität, wie auch Tiefe vermissen lassen. Insbesondere die Außenaufnahmen wirken auch beim Staffelauftakt Das tödliche Internet steril und künstlich.
Davon einmal abgesehen, präsentiert sich die erste von vier neuen Episoden um den sympathischen wenn auch stets traurig und zerstreut erscheinenden Psychologen Tony Hill mit einem erstaunlich komplexen und ruhigen Fall, wobei für die ein oder andere Überraschung gleich zu Beginn gesorgt wird. Doch Regisseur Terry McDonough scheint auch hier die Optik erst nach einiger Zeit in den Griff zu bekommen.
Behält man dabei im Hinterkopf, dass der Fall nicht auf einer Romanvorlage der Autorin Val McDermid beruht, sondern das Skript aus der Feder des Autors Guy Burt stammt, verwundern gleich mehrere Aspekte der Vorlage. Zum einen konzentriert sich der Krimi auf weit weniger Figuren, als man es aus vorherigen Fällen gewohnt ist, und erscheint in seiner Intensität (insbesondere bei den Kopf zerbrechenden Bemühungen Hills, die Psyche des Täters zu durchschauen) beinahe schon wie ein Kammerspiel, zum anderen gibt sich Das tödliche Internet stellenweise wie ein ausgefeiltes und dabei so packendes wie stimmiges Psychogramm verschiedener Täter, von denen manche weniger stark beleuchtet werden, als andere.
Die Überraschungen sind dabei so unverhofft wie gelungen und verlagern das Gewicht des Falles merklich, konzentriert sich der Autor doch mehr auf die komplexe Geschichte als darauf, seine beiden Hauptfiguren weiterzuentwickeln. Dies ist dabei auch der einzige Vorwurf, den man dem Drehbuch machen kann, denn während das Finale der zweiten Staffel erhoffen ließ, dass sich weittragende Änderungen bei Tony Hill und Carol Jordan einstellen würden, ist hiervon in diesem Fall kaum etwas zu sehen.
Dafür bekommt der Zuschauer einen tiefen Einblick in die Psyche des Protagonisten gewährt, darf in die Gedankenwelt von Tony Hill einsteigen, dessen Schlussfolgerungen so brillant wie beeindruckend sind und dabei doch stimmig erscheinen – einen so plastischen Eindruck von Hills Denkweise hat man tatsächlich noch nie zuvor bekommen.
Insofern kann man Guy Burt nur gratulieren, ihm gelang ein ebenso komplexer wie intensiver Fall, der die Reihe zwar nicht neu definiert, aber ihre Stärken eindrucksvoll auszuspielen vermag.
Die Darsteller danken dies durchweg mit wirklich guten Darbietungen, allen voran das Zweigespann Robson Green und Hermione Norris, die sich gerade in ihren gemeinsamen Szenen sehr gut ergänzen und in der Tat wie ein eingespieltes Team erscheinen. Während Green den verschachtelten und teils doch abgründigen Charakter Hills mit der leichten Melancholie in den Augen hervorragend zum Ausdruck bringt, ist Norris in Das tödliche Internet zwar weniger stark gefordert, als beispielsweise in den vorangehenden Episoden, besitzt aber nichts desto weniger einige sehr gute Momente, die sie auch zu nutzen versteht.
Über mehr Präsenz freut sich insbesondere Mark Letheren, der aber nicht über seine Leistung in der letzten Staffel hinauswächst. Dafür wird Emma Handy mehr gefordert, doch das nur in der ersten Hälfte des TV-Films.
Von den übrigen Beteiligten stechen vor allem Michael Begley und Francesca Miller hervor, die jeweils wirklich gute Arbeit leisten. Auch die anderen Nebendarsteller lassen kaum Wünsche offen, was auch die jungen Darsteller mit einschließt.
Handwerklich ist Terry McDonoughs Regiearbeit allerdings wieder sehr schwer einzuschätzen, denn während die ersten 15 Minuten mit Handkamera und übergroßen Zooms auf die Augenpaare der Figuren stark an die US-Serie 24 [2001-2010] erinnern, ohne aber deren Klasse oder Choreografie zu erreichen, gibt sich dieser verwackelte und hektische Stil nach einer Eingewöhnungsphase, die dadurch zusätzlich erschwert wird, dass die verwendete Digitalkamera mit den starken Farbfiltern und den Nachtaufnahmen so künstlich wirkt, als hätte ein Hobbyfilmer die Szenen in der heimischen Garage gedreht. Auch Michael Manns Collateral [2004] hatte mit den bei Digitalkameras bekannten Nachzieheffekten zu kämpfen, dies aber bei weitem nicht so stark, wie Das tödliche Internet.
Doch ist das erste Drittel erst einmal überstanden, gibt sich der Regisseur überaus besonnen, fängt die Figuren und ihre Offenbarungen, ihre Sorgen und Ängste ebenso subtil wie stellenweise offensichtlich ein, beengt die Akteure dabei aber nicht mehr und gibt ihnen genügend Raum, auch mit den anderen Darstellern am Set zu agieren. Mehr noch, wenn Tony Hill die Pose der Opfer endlich zu verstehen beginnt, zieht nicht nur die Spannung merklich an, sondern mit einer außergewöhnlich geschickten und auch in Bezug auf die Dynamik und die langen Kamerafahrten gelungenen Montage ergibt sich eine der am besten fotografierten Sequenzen der gesamten Serie, die auch die wirre Schnittfolge der Einleitung der Episode vergessen lässt.
Es ist unverständlich, weswegen die Kritikpunkte des Staffelfinales der zweiten Season hier erneut zu nennen sind, denn wie man an eben jener angesprochenen Sequenz und der Schauspielführung erkennt, beherrscht Regisseur McDonough sein Handwerk und ist auch in der Lage, es zum Vorteil der Serie einzusetzen – nur sollte er es in Zukunft von der ersten Minute an tun, und nicht erneut einen so holperigen Start hinlegen.
Einmal mehr ein tragendes Element der Hautnah-Serie ist die musikalische Begleitung der Gruppe The Insects, die zuletzt mit ihrem Score zum Franka Potente-Horror-Film Creep [2004] zu hören waren. Wie bereits in den beiden Staffeln zuvor konzentriert sich auch diesmal ihr musikalisches Repertoire auf elektronische Klänge, die meistens eine sphärische Gestalt annehmen und im Hintergrund schweben, während sich das Drama vor der Kamera abspielt.
Dabei erinnert der Score bisweilen auch was die rhythmische Begleitung und den kräftigen Bass angeht an Reinhold Heils und Johnny Klimeks Soundtrack zu One Hour Photo [2002], klingt ebenso unheilschwanger, wie bedrohlich und lässt sich dennoch kaum greifen, würde man es versuchen. In Das tödliche Internet ist die Musik einmal mehr sehr gut gelungen und trägt außergewöhnlich viel zur passenden, bedrückenden Atmosphäre bei. Man darf gespannt sein, wann The Insects von Hollywood für einen großen Kinofilm entdeckt werden. Das Potential ist auf jeden Fall vorhanden.
Auch die dritte Staffel war in Großbritannien ein sehr großer Erfolg, kein Wunder also, dass die vierte Season um den symapthischen Hauptcharakter in diesem Frühjahr im Königreich ausgestrahlt wird. Es wird allerdings eine bedeutende Änderung geben, die auch Kenner der Bücher nicht im Voraus erahnen werden können – dass Tom Chadbon in dieser Staffel ohne ein Wort zu verlieren durch Peter Sullivan ersetzt wurde, wobei auch Chadbons Figur von den Zuschauern schmerzlich vermisst wird, ist im Gegensatz zu den kommenden Änderungen eine Kleinigkeit.
Während es dem Drehbuchautor gelingt, trotz der fehlenden persönlichen Entwicklung der beiden Hauptfiguren einen interessanten und vor allem spannenden Fall zu erzählen, der einen tiefen Einblick in die Psyche Tony Hills gewährt, sind es vor allem die Darsteller, die Das tödliche Internet sehenswert machen, allen voran Robson Green, dem die Rolle auf den Leib geschrieben scheint. Durch die handwerklichen Schwächen zu Beginn sollte man sich als geneigter Krimifan aber schon deshalb beißen, weil sich diese danach nicht nur ins Positive wandeln, sondern auch weil der Fall selbst packend erzählt ist.
Fazit:
Während die meisten Krimiserien mit 24 Episoden pro Jahr ständig im Gedächtnis der Zuschauer bleiben, verlassen sich die Macher von Hautnah – Die Methode Hill auf weniger Fälle, die dabei aber ebenso wenig für ein junges Publikum gedacht sind, wie sie Tiefen der menschlichen Psyche ausloten und den Zuschauer einladen, mit hinabzusteigen. Dies ist dank des charismatischen und doch melancholischen Hauptcharakters Tony Hill möglich, durch dessen Augen man in Das tödliche Internet mehr zu sehen bekommt, als bislang in der Krimireihe.
So sehenswert das ist, so ärgerlich ist der holperige Einstieg, den der Regisseur Terry McDonough seinen Zuschauern bereitet. Ist der aber überstanden, fesselt der Krimi durch wirkliche gute Darstellerleistungen, eine verschachtelte aber nicht wirre Story und faszinierende Charakterstudien, die durch eine später wirklich gute Optik und einen durchweg dichten, atmosphärisch-bedrückenden Score überzeugen.
Mehr kann man kaum erwarten – und bekommt man zudem auch in vielen Kinofilmen nicht zu sehen.