Graceland [2012]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 10. November 2014
Genre: Thriller / DramaOriginaltitel: Graceland
Laufzeit: 84 min.
Produktionsland: Philippinen
Produktionsjahr: 2012
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Ron Morales
Musik: Adam Schoenberg, Steven Schoenberg
Darsteller: Arnold Reyes, Menggie Cobarrubias, Dido De La Paz, Leon Miguel, Ella Guevara, Marife Necesito, Patricia Gayod, Angeli Bayani, Archie Adamos, Yam Wilson, Bernadette Diao, Angie Ferro
Kurzinhalt:
Für seinen Arbeitgeber, den Kongressabgeordneten Manuel Changho (Menggie Cobarrubias), ist Marlon Villar (Arnold Reyes) oft auch nächtelang als Fahrer unterwegs. Was er dabei sieht und wobei er ungewollt mithilft, lässt ihn verzweifeln, doch es sorgt zumindest dafür, dass er für seine Tochter Elvie (Ella Guevara) und seine im Krankenhaus liegende Frau sorgen kann. Als ein Skandal um Changho den Weg in die Zeitungen findet, entlässt er Marlon. Als letzte Aufgabe soll er Changhos Tochter Sophia (Patricia Gayod), die jedoch mit Elvie zusammen den Unterricht geschwänzt hat, von der Schule abholen.
Auf dem Weg zurück werden sie von einem Polizisten (Leon Miguel) angehalten – der Marlon überwältigt und das Mädchen kidnappt. Die Entführer verlangen ein hohes Lösegeld und während Changho auf Zeit spielt, wird Marlon durch den korrupten Polizisten Ramos (Dido De La Paz) unter Druck gesetzt, da er vermutet, dass Villar mit den Kidnappern unter einer Decke steckt ...
Kritik:
Die einzig unschuldigen Menschen in Graceland, dem hoffnungslos erscheinenden Thrillerdrama von Ron Morales, sind die Kinder. Dass ihnen ihre Unschuld genommen wird ist das größte Verbrechen, das der Film porträtiert. Alle übrigen Figuren sind korrumpiert durch Macht, Geld oder den Wunsch nach Rache. Ein jedes dieser Mittel ist ihnen recht, um ihre Ziele zu erreichen und auch wenn sie mitunter beabsichtigen, Gutes zu tun, auf ihrem Weg zerstören sie dadurch alles, was beschützenswert ist. Dieser mit nicht einmal eineinhalb Stunden sehr kurze Einblick in den deprimierenden Alltag der Menschen auf den Philippinen, ist mitunter nicht einfach zu ertragen, aber wichtig.
Im Zentrum der Erzählung steht Marlon Villar. Er ist der Fahrer des Kongressabgeordneten Changho, für dessen Familie auch seine Frau Lina gearbeitet hat, ehe sie durch eine schwere Krankheit ins Hospital musste. Während Marlon mit seiner Tochter Elvie in einem kleinen Apartment lebt, bewohnen die Changhos eine Villa. Zu Marlons Aufgaben gehört es, die Tochter des Kongressabgeordneten, Sophia, zur Schule zu bringen und abzuholen. Auch wenn sich Elvie und Sophia gut verstehen und befreundet sind, Frau Changho untersagt den Umgang ihrer Tochter mit Elvie. Gleichzeitig ist Marlon, ob er es will oder nicht, Changhos Komplize, denn der Kongressabgeordnete vergeht sich regelmäßig an minderjährigen Mädchen, die Marlon danach zurück nach Hause bringt.
Sieht man nach den ersten Minuten, mit welcher Selbstverständlichkeit beide Männer mit der Situation eines nackten, unter Drogen gesetzten Mädchens, an dem sich Changho vergangen hat, umgehen, ist das schockierend und entfacht eine unbändige Wut. Zeigt Morales später den Alltag in Manila auf den Philippinen, wo Frauen allen Alters an den Straßenrändern stehen, man sich in Bordellen die Kinder aussuchen kann, die noch in Schuluniform gekleidet sind, ist man fassungslos.
Als die Familie des Mädchens Changho bei der Presse bloßstellt, erkauft er ihr Schweigen mit dem Reichtum, den die Familie seiner Frau mit in die Ehe gebracht hat. Er entlässt Marlon, da er vermutet, dass dieser ihn verraten habe. Als letzten Auftrag soll Marlon Sophia von der Schule abholen – doch dann werden Sophia und Elvie gekidnappt. Die Details der Entführung seien hier nicht verraten, da diese der Schlüsselmoment für den weiteren Verlauf und die Auflösung darstellt. Im Folgenden muss Marlon nicht nur seinem Arbeitgeber die Nachricht der Entführer überbringen, die zwei Millionen Pesos Lösegeld (ca. 36.000 Euro) verlangen, sondern sich zudem gegen die Vorwürfe von Polizist Ramos verteidigen, der vermutet, dass Marlon mit hinter der Entführung steckt und mit Gewalt versucht, ein Geständnis aus ihm herauszubekommen.
Auch wenn man lange Zeit vermutet, was das eigentliche Ziel der Entführer ist, Graceland hält sich hiermit bedeckt und konzentriert sich stattdessen auf Marlon, der angesichts der aussichtslosen Situation zunehmend verzweifelt. Er ist kein Held wie man ihn aus Hollywoodfilmen kennt, er kann sich weder gegen die Entführer, noch gegen Ramos behaupten und ist auch nicht in der Lage, seine Tochter im Alleingang zu retten. Ron Morales zeigt ihn als Teil einer Gesellschaft, die nicht mittellos genug ist, um auf der Straße leben zu müssen (auch wenn ihm das nach Wegfall seiner Arbeitsstelle vermutlich blühen wird), aber außer Stande etwas für sich oder andere zu bewegen.
Diese Aussage fängt der Filmemacher in authentischen, ungeschönten Bildern ein, die sowohl den überall präsenten Müll auf den Straßen zeigen, aber auch die kühle Beleuchtung und die stark bevölkerte Stadt, in der pro Quadratkilometer zehn Mal so viele Menschen leben wie in Berlin. Ihrem Schicksal beizuwohnen, dem Marlon ein Gesicht verleiht, ist zermürbend, aber von allen Beteiligten, insbesondere Ella Guevara als Elvie stark gespielt. Dank der taktvollen Umsetzung ist Graceland nicht nur ein sehenswertes, anspruchsvolles Drama, sondern auch ein wichtiger Beitrag des ehrlichen Independent-Kinos.
Die Blu-ray-Veröffentlichung von "OFDb-Filmworks" bietet den Film in vibrierend klarer Bildschärfe, einem atmosphärischen DTS-HD Master Audio 5.1-Ton und neben Trailern und Making-of auch Gelöschte und Alternative Szenen. Audiokommentare und Wendecover sind ebenfalls dabei, es dürften somit kaum Wünsche von Filmfans offen bleiben. Erfreulich gelungen ist außerdem die deutsche Synchronisation.
Fazit:
Regisseur Ron Morales zeichnet ein trostloses Bild seiner Figuren, die stellvertretend für die verschiedenen Bevölkerungsschichten sind. Sein Thriller wirkt rau, als ob die Glanzoberfläche der sonstigen Filmproduktionen hier fehlen würde. Das versetzt einen als Zuseher näher an die Charaktere, deren Schicksal gerade deshalb in dem erschütternden Drama mitnimmt. Dass die letzten Minuten das Gezeigte in einem anderen Licht erscheinen lassen, ist kein erzwungener Storykniff, sondern unterstreicht die Verzweiflung der Figuren.
Graceland wartet mit vielen Bildern auf, die unter die Haut gehen. Sei es, wie die Körper der Kinder einer Fleischbeschau gleich zum Kauf angeboten werden, oder wie sie scheinbar unsichtbar auf den Müllbergen deponiert werden. Das ist mitunter schwer zu ertragen, doch öffnet der Film die Augen dort wo andere sie nur verschließen. Schon deshalb ist er sehens – und bemerkenswert.
Blu-ray-Wertung: