GLOW: Staffel 2 [2018]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 29. Juni 2018
Genre: Komödie / Drama

Originaltitel: GLOW: Season 2
Laufzeit: 330 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2018
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Erfinder: Liz Flahive, Carly Mensch
Musik: Craig Wedren
Darsteller: Alison Brie, Betty Gilpin, Sydelle Noel, Britney Young, Marc Maron, Britt Baron, Kate Nash, Gayle Rankin, Kia Stevens, Jackie Tohn


Kurzinhalt:

Nach dem erfolgreichen Start der Frauen-Wrestling-Show „GLOW“ sieht sich Regisseur Sam Sylvia (Marc Maron), der erst kürzlich erfahren hat, dass er Vater einer Tochter im Teeanger-Alter ist, der Herausforderung gegenüber, eine ganze Serie auf die Beine zu stellen und gleichzeitig seinen Vaterpflichten nachzukommen. Auch sind die persönlichen Gräben zwischen Ruth (Alison Brie) und Debbie (Betty Gilpin), die nur gemeinsam erfolgreich sind, noch lange nicht überwunden. Die ganze Besetzung kämpft für den Erfolg von „GLOW“ und lernt aus erster Hand die Konsequenzen des Ruhms in all seinen Schattierungen kennen. Ruth erfährt dabei wiederholt Rückschläge, da man ihr bestimmte Aufgaben hinter der Kamera nur deshalb nicht zutraut, weil sie eine Frau ist. Als sie sich gegen eindeutige Avancen des Studiochefs wehrt, steht die Show überdies quasi vor dem Aus …


Kritik:
Auch wenn es auf den ersten Moment so scheinen mag, als würden die Frauen in der Netflix-Serie GLOW (eine Kurzform für „Gorgeous Ladies of Wrestling“) als Objekte behandelt und ausschließlich Männerfantasien bedienen, steht in der Dramedy-Produktion tatsächlich genau der entgegengesetzte Aspekt im Mittelpunkt. In der ebenfalls 10 Episoden umfassenden zweiten Staffel bleiben die Macher dem unvergleichlichen Achtzigerjahre-Charme treu und widmen sich mehr Figuren als zuvor. Nicht nur auf Grund der aktuellen inhaltlichen Bezüge ist das beinahe uneingeschränkt sehenswert.

In der ersten Staffel stand das angespannte Verhältnis der Schauspielerin Ruth Wilder, die Schwierigkeiten hat, im Los Angeles des Jahres 1985 Fuß zu fassen und schließlich bei einer am Beginn stehenden Frauen-Wrestling-Produktion landet, und ihrer ehemaligen besten Freundin Debbie Eagan im Zentrum. Als einst erfolgreiche Seifenoperndarstellerin, die sich nach der Geburt ihres Kindes aus dem Showgeschäft zurückgezogen hatte, bot Debbie selbst bereits genügend Ansatzpunkte, die Rolle berufstätiger Mütter in der Gesellschaft zu thematisieren. Andere Figuren wie der eigenwillige Regisseur der Wrestling-Show, die ebenfalls den Titel GLOW trägt, Sam Sylvia, traten nur wenig in Erscheinung.
In der zweiten Staffel rückt die Serie mehr Charaktere ins Rampenlicht, auch wenn der Konflikt zwischen Ruth und Debbie immer noch ausreichend Zündstoff bietet, die Show in der Serie entweder zu einem Erfolg oder einem Desaster werden zu lassen.

Zeitlich angesiedelt nach der sexuellen Revolution der späten 1960er-, sowie der Frauenrechtsbewegung in den Siebzigerjahren, werfen die Macher hier die einfache und ebenso entlarvende Frage auf, ob der Kampf für die Rechte der Frauen und die Gleichberechtigung etwas gebracht hat. Spiegelbildlich hierzu wird das Publikum mit der Abwägung konfrontiert, ob die Show „GLOW“ die Frauen darin ausbeutet oder ihre Selbststimmung stärkt. Dabei sprüht GLOW vor dem Selbstbewusstsein der Produzenten, die durchaus in der Lage sind, selbstkritische Fragen zu stellen, die es aber auch verstehen, das Flair der Achtzigerjahre für sich zu nutzen, ohne dass sich die Serie zu einem einfallslosen Nostalgie-Fest wandelt. Farben, Frisuren und Musik sind ebenso auf den Punkt gelungen, wie die Balance zwischen ernsten und heiteren Momenten. Dass diese nicht selten anzüglichen Inhalts sind, liegt in der Tatsache begründet, dass die Vorstellung von miteinander ringenden Frauen oftmals Klischees sexualisierter Männerphantasien begründen. So ist GLOW auch hinsichtlich der Wortwahl alles andere als zimperlich, was nicht bedeutet, dass die Dialoge nicht passend wären.

Dass die Serienerfinder einen überaus kritischen – und mit durchaus tragischen Parallelen in die heutige Zeit versehenen – Blick auf die Rolle von Frauen in Hollywood werfen, wurde schon in Staffel eins deutlich. In der zweiten Season erlebt Ruth am eigenen Leib, wie stark das Machtgefälle zwischen Männern und Frauen in der Traumfabrik ist, in der Frauen die Positionen einnehmen, die die Männer für sie vorgesehen haben, während sie sich für ein Weiterkommen „erkenntlich“ zeigen sollen. An Debbies Entwicklung verdeutlichen die Macher weiterhin, unter welchen Einflüssen sie als berufstätige Mutter steht, während andere Figuren auf der Bühne als stereotype Abziehbilder wahrgenommen werden, deren kritische Untertöne gar nicht wahrgenommen werden.

All das ist tadellos umgesetzt und insbesondere von Alison Brie und Betty Gilpin in den Hauptrollen toll gespielt. Auch die Nebenrollen sind fantastisch besetzt, wobei Marc Maron als grummelig-exzentrischer Regisseur Sam, der sein Herz dennoch am rechten Fleck trägt, am meisten hervorsteht. Was die zweite Staffel von GLOW (ähnlich wie die erste) allerdings vermissen lässt, ist eine die einzelne Storybögen zusammenhaltende, große Geschichte. Zwar kristallisiert sich zur Mitte der Staffel heraus, dass die Wrestling-Show in finanziellen Schwierigkeiten steckt, aber eine wirkliche Dramatik entwickelt sich daraus bedauerlicherweise nicht. Das heißt nicht, dass es nicht Spaß macht, den Damen hier zuzusehen, nicht auf Grund der Showeinlagen, sondern ihrer persönlichen Entwicklungen. Nur hat man am Ende der prägnant erzählten, meist eine halbe Stunde umspannenden Episoden nicht das Gefühl, man müsste unbedingt weiterschauen. Aber das muss ja nicht unbedingt etwas Schlechtes sein.


Fazit:
Mit so tragischen wie aktuellen Bezügen trifft GLOW: Staffel 2 nicht nur den Nerv der Zeit, sondern verdeutlicht, wo es bei der Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen nicht nur im Showgeschäft hakt. Als hätten die Autoren die #MeToo-Bewegung vorhergesehen, legen sie den Finger in eine Wunde, die gerade in Hollywood überaus frisch ist und auch in absehbarer Zeit noch nicht abheilen wird. Die einzelnen Episoden sind nicht nur clever erzählt, sondern auch auf eine nahbare und mitunter gar unvorhersehbar direkte Art witzig, dass der teils trockene Humor mehr für ein Schmunzeln als ein Lachen sorgt. Die Geschichte von Ruth, Debbie und der übrigen Besetzung der Wrestling-Show mag nie so mitreißen, wie man dies in Zeiten kurzweilig erzählter Streaming-Serien erwarten mag, aber sie steht dank eines fantastischen Ensembles deutlich hervor. Im Gegensatz zur ersten Staffel erscheint die zweite sicherer im Umgang mit den Figuren und widmet sich gleichzeitig mehr Charakteren. Mag sein, dass man nicht genau sagen kann, wie viele weitere Geschichten sich die Macher hier werden ausdenken können, aber das schmälert nicht den Erfolg dieser Season, bei der man der Show in der Show immer noch die Daumen drückt, dass sie Erfolg haben wird.
Nicht nur für Fans des Achtzigerjahre-Charmes ist das ein absoluter Streaming-Tipp!