Ghost Ship [2002]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 31. Mai 2003
Genre: Horror / FantasyOriginaltitel: Ghost Ship
Laufzeit: 91 min.
Produktionsland: USA / Australien
Produktionsjahr: 2002
FSK-Freigabe: nicht unter 18 Jahren
Regie: Steve Beck
Musik: John Frizzell
Darsteller: Gabriel Byrne, Julianna Margulies, Ron Eldard, Desmond Harrington, Isaiah Washington, Alex Dimitriades, Karl Urban, Emily Browning, Francesca Rettondini
Kurzinhalt:
Jack Ferriman (Desmond Harrington) heuert die Bergungscrew von Sean Murphy (Gabriel Byrne) an, ein altes Schiff zu finden, das auf dem Ozean treibt und auf dem unzählige Schätze zu finden sein sollen.
Als sie das verrostete Schiff entdecken, stellt es sich als ein seit 40 Jahren verschollener Luxusdampfer aus Europa, die "Antonia Graza", heraus, von dem Murphy schon viel gehört hat.
Wie seine Besatzung, darunter Maureen Epps (Julianna Margulies), Dodge (Ron Eldard), Greer (Isaiah Washington) und Munder (Karl Urban), feststellen muss, ist der Kahn verlassen. Was auch immer geschehen sein mag, von der Crew hat es niemand überlebt.
Doch je länger Murphys Leute an Bord bleiben, desto unheimlicher wird es auf dem Geisterschiff: Maureen sieht immer wieder ein kleines Mädchen, Katie (Emily Browning), Greer wird von einer aufreizenden Sängerin (Francesca Rettondini) umworben und Murphy selbst macht Bekanntschaft mit dem ehemaligen Captain des Dampfers.
Das Geheimnis der "Antonia Graza" geht tiefer, als man auf den ersten Blick erkennen kann, und schon bald kämpft die Bergungscrew um ihr nacktes Überleben.
Kritik:
Der erste und größte Schock kommt bei Ghost Ship knapp vier Minuten nach Beginn. Vom Vorspann noch in eine friedliche Schiffsurlaubsidylle eingelullt, wird dem Zuschauer ein Szenario zugemutet, das in dieser Form nur einem besonders grausamen Alptraum entsprungen sein kann.
Selbst als hartgesottener Horrorfan wird man hier an die Grenzen des Erträglichen geführt und zweifelsohne auch weit darüber hinaus. Die Abartigkeit und Unmenschlichkeit der eigentlichen Idee, die jener Szene zugrunde liegt, wird nur noch von der ekelerregenden Finesse der Darstellung überboten.
Mit einer FSK-Freigabe hat das schlicht nichts zu tun, Menschen aller Altersgruppen dürften Probleme haben, diese Bilder zu verarbeiten und schlechte Träume, beziehungsweise schlaflose Nächte sind oftmals vorprogrammiert.
Es sei denn man gehört zu der unterbelichteten, peinlich pubertierenden Gattung der Splatterfanatiker, die die Folter von Personen auf dem Bildschirm als "anregend" und "aufgeilend" empfindet – wer so veranlagt ist und angesichts der Szene lachen muss, ist schlicht zu dumm für den Film.
Ob die Sequenz in der gezeigten Form im Film wirklich nötig war, ist wohl Ansichtssache. Weniger übelkeiterregend wäre sicher auch möglich gewesen. Zugegebenermaßen hat die Szene einen enormen Schockwert und stimmt den Zuschauer passend auf den Film ein, wenn man das überhaupt so nennen kann.
Denn auch im restlichen Verlauf benötigt man mitunter starke Nerven, gleichwohl keine weitere Szene mehr so abstoßend brutal ist, wie der Anfang.
Dass das Drehbuch durchaus versucht, mehr zu sein, als ein stupider und blutrünstiger Splatter-Film, erkennt man schon an der durchdachten Hintergrundgeschichte, die man im Film bedauerlicherweise nicht anschaulich genug präsentiert bekommt.
Um die Zusammenhänge und manche Besonderheiten der Figuren zu verstehen, muss man sich die Specials auf der DVD zu Gemüte führen, in denen einige Verbindungen zwischen den Ereignissen erklärt werden, die der Film zwar aus irgendeinem Grund als Basiswissen voraussetzt, aber selbst nicht richtig ausführt – verständlicherweise kein Zeichen für einen gelungenen Film.
Die eigentliche Story ist mit einigen guten Ideen versehen und kann ein paar Mal tatsächlich überraschen, doch leider wird das Ganze durch die gehetzte und hektische Erzählweise am Anfang ge- und dadurch, dass das Kernelement des Films in einem in Matrix [1999]-Stil ähnlichen Rückblick, der mit nervtötender Heavy-Metal-Musik untermalt ist, gezeigt wird, gar zer-stört. Wäre stattdessen die Rückblende vernünftig inszeniert worden, ohne Zeitraffer oder die grauenerregende Musik, und als Vorgeschichte des Films richtig eingebaut worden, dann wäre der Film nicht nur 15 Minuten länger gegangen, sondern bedeutend besser gewesen.
Denn sobald die Geschichte in Jetzt-Zeit auf dem Geisterschiff stattfindet, verliert sich der Zuschauer in dem gewohnten und nicht sehr spannenden "Wer stirbt als nächster?"-Ratespiel.
Dazwischen streuten die Autoren allerdings Passagen zur recht komplexen Hintergrundhandlung ein, die sogar wirklich überzeugen können und vor allem das Interesse wecken.
Doch wenn man sich dann wieder einige der immens brutalen Szenen anschaut, die im Film mitunter völlig überflüssig in die Länge gezogen werden, kommt man nicht umhin zu denken, dass die Macher einzig und allein beweisen wollten, was sie alles mit Masken und Spezialeffekten kreieren können, damit sich die Zuschauer im Kino übergeben.
Sicherlich ist diese Zweiteilung des Films (einerseits die ruhige Geschichte, dann wieder die grausamen Sequenzen) vor allem darauf zurückzuführen, dass das Drehbuch ursprünglich als recht blutarmes psychologisches Horrordrama gedacht war, bei dem die Bergungscrew, gestrandet auf einem verlassenen Schiff aus den 1960ern, sich gegenseitig an die Gurgel geht. Doch nach zahlreichen Überarbeitungen mit einem neuen Grundton für den gesamten Film, war dieser unausgegorene Brei zwischen Spannung und Brutalität wohl nicht zu vermeiden – was das Ergebnis allerdings nicht besser macht.
Für die völlig unpassenden, aufgesetzten und überflüssigen Matrix-ähnlichen Zeitraffer-Aufnahmen, darf man sich indes zweifelsohne bei Joel Silver bedanken, der den Film zusammen mit Robert Zemeckis (Forrest Gump [1994]) co-produziert hat. Silver lässt seit dem Erfolg des Cyber-Thrillers immer wieder die von ihm produzierten Filme mit dieser Technik versehen, da er der absurden Meinung ist, dies wäre ein Stilmittel, das man in jeden Film quetschen kann. In Romeo Must Die [2000] konnte es den Film nicht wirklich schlechter machen, als er ohnehin schon war, und in dem eher durchschnittlichen Passwort: Swordfish [2001] wirkte die Technik noch tölpelhafter und stupider eingesetzt, als bei Ghost Ship.
Die restliche Inszenierung, wenn Silver sich zurückhalten kann, ist dagegen gar nicht schlecht, zumindest routiniert, wenngleich überraschungsarm. Eben deshalb springt einem die himmelschreiende Rückblicksequenz mit der völlig fehlplatzierten Krachmusik ja so negativ ins Auge – was sich die Macher hierbei gedacht haben, wird auf immer ihr Geheimnis bleiben; und vielleicht ist es auch besser, wenn es nie gelüftet wird.
Unverständlich ist auch, wieso die Kamera das zugegebenermaßen tolle und unheimliche Set nicht mit langen Kamerfahrten einfängt, stattdessen reiht sich ein Kameraschwenk samt Überblendung zu einer neuen Szene an den nächsten Schwenk.
Man darf sich gar nicht ausmalen, was ein Regisseur wie David Fincher aus einem solchen Szenario hätte herausholen können, allein durch seine gekonnte und hervorragende Optik. Insgesamt, bis auf die wenigen Ausnahmen, gelang Steve Beck allerdings eine ebenso solide, wie innovationsarme Inszenierung.
Ähnlich lässt sich auch die darstellerische Leistung der Beteiligten beschreiben. Zwar ist die Besetzung gut ausgewählt; mit Gabriel Byrne, Julianna Margulies und Isaiah Washington verpflichtete man einige Akteure, die wirklich wissen, was sie tun.
Doch bereits an Gabriel Byrne sieht man, dass er eben viele Rollen nur des Geldes wegen übernimmt und sich vor der Kamera dementsprechend lustlos verhält. Als Teufel persönlich in End of Days - Nacht ohne Morgen [1999] war er zwar nicht vollends, aber deutlich mehr motiviert, als in Ghost Ship.
Julianna Margulies wurde für ihre Leistungen in der Ärztedrama-Serie Emergency Room - Die Notaufnahme [seit 1994] immerhin ein halbes Dutzend Mal für den Emmy nominiert und erhielt die Auszeichnung einmal; was sie allerdings in Ghost Ship zum Besten gibt, ist schlicht und einfach enttäuschend. Farblos, gelangweilt und irgendwie fehlplatziert, reicht es zwar für das aus, was die Rolle ihr abverlangt, doch danach ist ziemlich schnell Schluss.
Die restliche Besetzung hat ebenfalls nicht viel zu tun, obwohl dem Zuschauer Emily Browning als bleiches Mädchen in Erinnerung bleibt und selbstverständlich die aufreizende Francesca Rettondini, der Rot deutlich besser steht, als der jungen Dame in Matrix.
In Horrorfilmen gab es allerdings schon deutlich schlechtere Darsteller, das sollte dazu ebenfalls gesagt werden. An die jüngste Horror-Referenz Scream [1996] kommt hier allerdings niemand auch nur annähernd heran.
Für Gänsehaut im positiven Sinn sorgt dafür aber John Frizzells Musik, die bisweilen sehr beunruhigend klingt und nebst einem monotonen Brummen ein paar gelungene Melodien aufweisen kann. Einzig das Orchester wirkt etwas zu klein, doch Frizzell hat mit die überzeugendste und makelloseste Arbeit abgeliefert.
Dem gegenüber sollte man lieber nicht die Songs, beziehungsweise das Geschrei, stellen, das sowohl während des Films, als auch beim Abspann die Boxen zum Zittern bringt. Vielleicht sollte das ja den Horror-Faktor des Films erhöhen – in gewissem Sinne haben die Macher das durchaus geschafft.
Keine Abstriche macht die Produktion hingegen was den Aufwand der Ausstattung und der Make-Up-Arbeit angeht. Während die Computereffekte nicht immer überzeugen können – besonders die Explosionen nicht – sind die realen Bauten der "Antonia Graza" schlicht atemberaubend.
Umso ärgerlich also, dass man viel zu wenig davon zu sehen bekommt. Die Macher ließen sich von der "Andrea Doria", einem italienischen Dampfschiff inspirieren, das in den 1950ern nach einem Zusammenstoß mit einem anderen Schiff sank. Auf einem Photo, das der Geisterkapitän Gabriel Byrne zeigt, kann die "Antonia Doria" sogar im Hintergrund gesehen werden.
Das Geisterschiff von Ghost Ship macht von Anfang an einen zerfallenen, morschen und ungastlichen Eindruck, die Alterung des Kahns ist den Setdesignern hervorragend gelungen. Es wurden zahllose Details platziert, und an viele Einzelheiten, wie zum Beispiel die unterschiedliche Innenrichtung der einzelnen Räume, gedacht. Dazu gesellt sich eine hervorragende Spezialeffektesequenz, in der in wenigen Sekunden aus dem alten, verrotteten Ballsaal wieder jener prunkvolle Raum entsteht, wie er vor 40 Jahren gewesen sein muss – hier hat sich das Effekteteam wirklich ins Zeug gelegt.
Ghost Ship sieht deutlich teurer aus, als die 35 Millionen Dollar Produktionskosten vermuten lassen würden, wozu auch die grandiose Maskenarbeit beiträgt. Diese bringt zwar bisweilen äußerst grauenerregende und ekelhafte Ergebnisse zum Vorschein, die inhaltlich auch nicht immer notwendig waren, doch an der Qualität der Make-Up-Effekte gibt es nichts zu rütteln. Das Team um Nikki Gooley, der schon beim ersten Matrix-Film beteiligt war, kann wirklich stolz auf sich sein.
Wer mit sich ringt, ob er/sie sich die DVD aus der Videothek ausleihen, oder bis zur Fernsehausstrahlung warten soll, dem kann man trotz aller Kritikpunkte nur zur DVD raten. Bei grundsätzlichem Interesse für den Film ist das die einzig richtige Wahl. Nicht nur, dass man nur hier den Film ungekürzt sehen kann (in der Free-TV-Ausstrahlung wird dies mit ziemlicher Sicherheit nicht der Fall sein), die DVD wartet zudem mit einem scharfen Bild und einem beängstigend atmosphärischen Sound auf.
Es knackt und knarrt aus allen Boxen, wobei die Surround-Mischung angenehm dezent geraten ist und nicht unnatürlich aufdringlich erscheint.
Vor allem bietet die DVD aber einige kurze und auch ein paar längere Featurettes, die sowohl die Bauten, die Masken, als auch den inhaltlichen Hintergrund des Films beleuchten und so einige Fragen beantworten.
Wer sich also brennend für den Film interessiert, sollte der Videothek seines/ihres Vertrauens einen Besuch abstatten.
Trotz der technisch guten DVD-Umsetzung ändert sich an der inhaltlichen Qualität des Films leider nichts, und die ist mitunter ziemlich durchwachsen. Im Direktvergleich mit dem ebenfalls von Robert Zemeckis' Produktionsfirma "Dark Castle Entertainment" finanzierten Haunted Hill [1999] ergibt sich ein ähnliches Bild: Die Grundidee ist gut und ausbaufähig, die Ausstattung überdurchschnittlich; die Umsetzung allerdings lässt viele Wünsche offen.
Da bei Ghost Ship mehr Potential vorhanden war, macht es das Endergebnis nur noch ärgerlicher.
Deshalb würde sich schon nach der nur kurzen Zeitspanne von einem Jahr, ein Remake wirklich anbieten. Man könnte viele Szenen 1:1 aus dem "Original" übernehmen, das Drehbuch mit einigen Änderungen ebenfalls; ja vielleicht würde es schon genügen, das gedrehte Material nur umzuschneiden – aber wenn schon ein Remake, dann um Himmels Willen ohne Joel Silver!
Fazit:
Ghost Ship ist einer der Filme, die einen in der Tat wütend zurücklassen. Wütend deshalb, weil man deutlich das Potential erkennen kann, sowohl beim Drehbuch, als auch bei der aufwändigen Ausstattung.
Wäre da nicht der selbstüberschätzende Produzent Joel Silver, der in jedem seiner Filme nun die neumodischen Matrix-Moves unterbringen möchte, und lieber schnell und blutig, anstatt besonnen und stilvoll erzählt, dann hätte aus Steve Becks Film ein sehr guter Horrorstreifen werden können.
Der Anfang ist schockierend, doch die Spannungsmomente des Films verpuffen zumeist in einer unnötigen und brutalen Splatterorgie ohne Sinn und Verstand.
Ein Geisterfilm, der zurecht floppte – präpubertierende "Gore"-Fans werden bei Ghost Ship wohl trotzdem auf ihre Kosten kommen; wenn der Verstand einmal weg ist, ist er eben weg.