Getaway [1994]
Wertung: |
Kritik von Dominik Starck |
Hinzugefügt am 15. September 2005
Genre: Action / ThrillerOriginaltitel: The Getaway
Laufzeit: ca. 110 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1994
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Roger Donaldson
Musik: Mark Isham
Darsteller: Alec Baldwin, Kim Basinger, Michael Madsen, Jennifer Tilly, James Woods
Kurzinhalt:
Zusammen mit seinem Partner Rudy (Michael Madsen) und seiner Ehefrau Carol (Kim Basinger) befreit der Gangster Carter "Doc" McCoy (Alec Baldwin) einen Mann aus einem Gefangenentransport und liefert ihn an dessen Familie aus. Obwohl man ihn mit dem Geld gehen lässt entpuppt sich der Job dennoch schnell als Falle. Während Rudy entkommt landet McCoy im mexikanischen Knast.
Ein Jahr später sieht Doc seine Chance auf vorzeitige Entlassung gekommen. Für einen Überfall sucht der einflussreiche Geschäftsmann Jack Banyon (James Woods) qualifizierte Männer. Doc nutzt Carol als Mittlerin und kurz darauf ist er auf freiem Fuß und soll den Raub zusammen mit Rudy und einem Kleinkriminellen namens Hansen (Philip Seymour Hoffman) in Angriff nehmen.
Die Durchführung des Coups läuft perfekt, bis Hansen überreagiert und einen Wachmann erschießt. Zu allem Überfluss versucht auch noch Rudy, sich das Geld alleine unter den Nagel zu reißen und auch Banyon ist nicht nur scharf auf seinen finanziellen Anteil sondern auch auf Carol, wie sich zu Docs Ärger schnell zeigt. Während die Polizei, der zunächst totgeglaubte Rudy und Banyons Männer die Verfolgung aufnehmen, versuchen Doc und Carol sich ihren Weg in die Freiheit freizuschießen …
Kritik:
Remakes erfolgreicher oder gar kultig verehrter Filme sind ein äußerst zweischneidiges Schwert. Einerseits können die produzierenden Studios die vorhandene Popularität des Stoffes nutzen und damit auf ein im Grunde bereits rekrutiertes Publikum hoffen; zudem besteht die Möglichkeit etwaige Schwächen des ersten Filmes auszumerzen oder einen schon wesentlich älteren Stoff für ein neues Publikum und dessen angepasste Sehgewohnheiten neu zu entdecken. Auf der anderen Seite besteht das immens hohe Risiko, dass das Ergebnis mies abgekupfert wirkt oder einfach absolut überflüssig bleibt.
Als der nicht unumstrittene Action-Regisseur Sam Peckinpah (The Wild Bunch – Sie kannten kein Gesetz [1969]) seinen, verglichen mit vielen seiner anderen Werke wenig kontroversen, Actionthriller Getaway mit dem "King of Cool" Steve McQueen in der Hauptrolle 1972 in die Kinos brachte, landete er damit den kommerziell größten Erfolg seiner Karriere. Zu Recht gilt der Film heute als Klassiker des Actionfachs, auch wenn er dem heutigen Betrachter nach nun schon über 30 Jahren stellenweise trotz aller inszenatorischer Finesse etwas patiniert erscheinen mag.
Die Gefühle des Getaway-Publikums dürften daher durchaus gemischt gewesen sein, als man sich Mitte der Neunziger an eine Neuverfilmung des inzwischen verstorbenen "Bloody Sam" Peckinpah machen wollte. Im nun schon einige Jahre angebrochenen 21. Jahrhundert ist es freilich leider schon beinahe Usus, dass ein Film nach dem anderen neu verfilmt, oder mit Fortsetzungen zu Tode ausgetreten wird. Selten, dass dabei ein vorzeigbares Ergebnis heraus kommt. Die Erfolgsquote der Remakes war zwar in den 90er Jahren auch nicht wesentlich höher, jedoch war ihre schiere Masse noch nicht vergleichbar hoch.
Mit der erneuten Adaption von Jim Thompsons Buch "The Getaway" beauftragte Largo Entertainment den Regisseur Roger Donaldson (Die Bounty [1984]), der wie schon Peckinpah auf Regie-Kollege Walter Hill (Nur 48 Stunden [1982], Red Heat [1988]) als Autor des Drehbuchs zurückgreifen konnte (der dieses Mal mit Amy Jones zusammen arbeitete). Hill hatte damit die seltene Gelegenheit, sowohl beim Original, als auch beim Remake Hand ans Buch zu legen und verstand es auch diese Chance gut zu nutzen.
Häufig wird das Getaway-Remake selbst heute noch in den Schatten von Peckinpahs Original geschoben, jedoch muss man bei objektiver Betrachtung sagen, dass Donaldsons Film nicht wirklich schlechter ist als der Peckinpahs. Wenn überhaupt kann man dem neuen Film nur vorwerfen, dass die zugrunde liegende Geschichte ohnehin nie ausgereicht hätte um einen unvergesslichen Meilenstein daraus zu machenden- aber auf wie viele Actionfilme trifft dies überhaupt zu?
Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Filmen ist, dass Donaldsons Version tatsächlich zeitgenössischer ist, dafür aber auch weniger kontrovers angreifbar. Am deutlichsten wird dies wohl in der Szene, in der Doc McCoy klar wird, dass Carol für seine Freilassung nicht nur seine Dienste sondern auch ihren Körper an Benyon verkauft hatte. In Peckinpahs Werk führte die Konfrontation von Doc und Carol dann dazu, dass Doc seine Frau verprügelte, die zwar verbal dagegen halten durfte, mehr aber auch nicht. Diese Schläge mit der flachen Hand ins Gesicht waren der sicher strittigste und Aufsehen erregendste Punkt im Originalfilm, denn dass der männliche "Held" des Filmes (s)eine Frau schlägt, das hatte man noch nicht gesehen. Im Remake fehlt dieser abseitige Weg, denn allem Anschein nach war es in den immer politisch korrekteren Zeiten filmischen Mainstreams nicht mehr möglich diese Szene so zu belassen, sodass Doc seine Frau diesmal zwar auch (einmal) schlägt, diese jedoch zum Ausgleich zweimal zurückschlagen darf, beziehungsweise musste. Ironischerweise hatte man im Gegenzug aber scheinbar keine Bedenken für das Remake das in Bilder zu fassen, was man im Original nur andeuten durfte; eine Sexszene mit Doc und Carol. Doch zu diesem Kapitel später mehr.
Den Anpassungen an den breiten Zuschauergeschmack und der politischen Korrektheit zum Trotz steht Donaldson Peckinpah kaum in etwas nach. Seine Inszenierung ist praktisch fehlerfrei, in manchen Szenen, wie etwa der Autoverfolgungsjagd mit der Polizei, leistet er gar herausragende Arbeit. Das gleiche gilt auch für Autor Hill und seine Partnerin Jones. Sie verstanden es trefflich die funktionierenden und wichtigen Elemente des ersten Filmes herauszuarbeiten, durch neue Szenen und Aspekte zu ergänzen, andere Teile (wie den Überfall) zu modernisieren und dies alles zu einem action- und wendungsreichen neuen Film zusammen zu setzen. Lediglich die teilweise etwas zu übertriebene Übernahme ganzer Dialoge wirkt sich auf den mit dem Original vertrauten Zuschauer bisweilen langweilend aus.
Die gravierendste inhaltliche Änderung ist der komplette erste Coup, welcher wie eine Art neuer Prolog vor den im weiteren Verlauf großflächig gleichartig bleibenden Film gesetzt wurde. Während für McQueens "Doc" der Film erst nach unbestimmter Haftdauer im Gefängnis begann, dessen Standort im Remake nach Mexiko verlegt wurde, erhält man hier tatsächlich noch ganz neue Einblicke in die Vergangenheit der Protagonisten. Dadurch ergeben sich auch in der Dynamik der handelnden Figuren völlig neue Aspekte, da nun zwischen Doc und Rudy bereits ein alter Groll durch den geplatzten Deal zu Beginn existiert, dem Doc seine zwölf Monate Knast zu verdanken hat.
Ein wichtiger Aspekt bei Neuverfilmungen ist natürlich die Besetzung, da ein Großteil der Zuschauermasse in erster Linie die alten mit den neuen Darstellern in den jeweiligen Rollen vergleicht. Dabei fällt es natürlich äußerst schwer in die Fussstapfen einer Legende wie etwa die des 1980 verstorbenen Steve McQueen zu treten. Auch wenn das ursprüngliche Gespann McQueen/Ali MacGraw wohl für immer für sich stehen wird muss man dem Remake zugute halten, dass ihm hier ein kleiner Besetzungscoup gelungen ist, indem man das seit 1993 auch im realen Leben verheiratete Schauspielerehepaar Alec Baldwin und Kim Basinger als Carter und Carol McCoy verpflichtete (1995 wurde die gemeinsame Tochter geboren und 2002 erfolgte die Scheidung). Damit wurde die Tradition von McQueen und MacGraw fortgesetzt, die sich während dem Dreh zum Original ineinander verliebten und später heirateten (und sich noch später ebenfalls wieder trennten).
Alec Baldwin kann man getrost als filmischen Tornado mit Faible für selbst in der Heldenhaftigkeit oft düstere Charaktere beschreiben. Der wohl bekannteste der schauspielernden Baldwin-Brüder (die anderen sind Stephen, Daniel und William Baldwin) ist seit Jahren praktisch ungebrochen gut im Geschäft, sei es in Nebenrollen wie vor kurzem in The Aviator [2004], im Ensemble wie im erstklassigen The Cooler – Alles auf Liebe [2003] oder in Hauptrollen wie in Mississippi Delta [1996] oder Jagd auf Roter Oktober [1990]. Baldwin ist selbst ein erklärter Fan McQueens, was es ihm sicher leicht machte, diese Rolle anzunehmen.
Kim Basinger spielte vor allem in den ausgehenden Achtzigern und frühen Neunzigern immer ein wenig im Schatten einer anderen einflussreichen und Sex-Appeal beladenen Hollywood-Blondine; Sharon Stone. Auch wenn die Stone ihr dabei immer einen Schritt voraus zu bleiben schien (wobei ironischerweise Stones wohl bekannteste Rolle in Basic Instinct [1992] zuvor von Basinger abgelehnt worden war) hat Kim dennoch etliche erwähnenswerte Filme auf ihrer Vita, seien es Publikumslieblinge wie Batman [1989] oder ihre Oscar-gekürte Darstellung in L.A. Confidential [1997]. Auch heute ist sie noch immer wieder im Kino zu sehen wie jüngst in Final Call – Wenn er auflegt muss sie sterben [2004].
Beide liefern zusammen als flüchtendes und streitendes Ehepaar im Bonny & Clyde-Stil eine gute Darbietung, die jedoch einen winzigen Tick hinter der Intesivität des ursprünglichen Paares hinterherhinkt, was man in erster Linie Kim Basinger anlasten möchte, die im Vergleich zu Ali MacGraw etwas blass wirkt. Bestes Beispiel für die unterschiedliche Chemie der Paarungen ist der Moment vor dem Sex im letzten Drittel des Films. Dafür kann die 1994er Version für sich in Anspruch nehmen nicht nur die schnellere Action zu beinhalten sondern auch, wie schon erwähnt, deutlich mehr von seinen beiden Stars zu zeigen.
Wenn auch nicht aufgrund von Äußerlichkeiten oder Übereinstimmungen der gespielten Charaktere, so besteht die größte Ähnlichkeit zu McQueen wohl sicher bei Michael Madsen (Kill Bill [2003/2004]), der mit seiner Interpretation von Rudy seinen Vorgänger Al Lettieri aus dem Original deutlich in den Schatten stellt. Madsens Karriere reicht von beachtenswerten und/oder kultigen Filmen (wie Reservoir Dogs [1991]) bis zu erschreckendem C-Schrott, doch auch wenn er für seine schauspielerischen Fähigkeiten sicher in nächster Zeit keinen Oscar erhält, so ist doch unbestreitbar, dass Madsen eine natürliche und absolut ungezwungene Coolness ausstrahlt, die sich wie ein roter Faden durch beinahe jede seiner Filmrollen zieht. Diese Lässigkeit ist dabei sowohl Madsens größte Stärke als auch größte Schwäche, denn während diese Art cooler Charaktere kaum jemand so routiniert aus dem Ärmel schüttelt wie er, schränkt das auch die Wahl seiner Filmrollen relativ stark ein. Im Fall von Getaway ist dies jedoch nicht weiter tragisch, da er die Rolle gut im Griff hat. Für Regisseur Donaldson sollte er bei dessen nächstem Film erneut sehr erfolgreich vor der Kamera zu sehen sein; in dem Sci-Fi-Actionthriller Species [1995] spielte er eine der Hauptrollen. Derzeit stehen unter anderem das vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkrieges angesiedelte Heist-Movie The Last Drop, die Vampir-Game-Verfilmung Bloodrayne und der Mystery-Thriller Chasing Ghosts am Start.
Jennifer Tilly (Bound – Gefessel [1996], Chucky und seine Braut [1998]) kreischt und quietscht sich mit sichtlicher Ausgelassenheit durch die Szenerie, dies jedoch schon wie ihre Vorgängerin Sally Struthers nicht unbedingt immer zur Freude des Zuschauers, denn auf Dauer kann dieser Charakter schon ein wenig nerven.
Die Auftritte der folgenden Herren sind zwar allesamt recht kurz, dennoch sollte man sie hier nicht unerwähnt lassen. So tritt James Woods (John Carpenters Vampire [1998]) als Benyon auf, David Morse (Lebenszeichen – Proof of Life [2000]) mimt dessen rechte Hand und Philip Seymour Hoffman (Almost Famous – Fast berühmt [2001]) den glücklosen Hansen.
Gedreht wurde der Film beinahe komplett in Arizona, vornehmlich in Phoenix, Prescott und Downtown Yuma. Dabei kam für den Showdown auch das gleiche Hotel zum Einsatz, in dem schon Peckinpah sein Finale gedreht hatte.
Öffentliche Beachtung erhielt der Film sowohl gute wie schlechte. In den USA wurde er für den Kino-Release erst einmal um die Sexszenen von Baldwin und Basinger gekürzt um eine niedrigere Altersfreigabe zu erhalten. Wo Kim Basinger sich nun schon von ihrer nacktesten Seite zeigte war darüber hinaus zu erwarten, dass viel Interesse am Film vor allem auf diese freizügigen Szenen fallen würde und so erhielt sie in den Staaten trotz gekürzter Szene zwei sehr unterschiedliche Auszeichnungs-Nominierungen; für den MTV Movie Award als "Begehrenswerteste Frau" und die berühmt-berüchtigte "Himbeere" (der Razzie Award) als "Schlechteste Darstellerin".
Der finanzielle Erfolg des Films war jedoch respektabel genug um etwaige Nörgler zum Schweigen zu bringen.
Die deutsche DVD von Eurovideo entbehrt leider vor allem jeglicher Extras. Drei Trailer anderer DVD's und das war es auch schon. Kein Trailer des Films, kein Audiokommentar, erst recht keine Dokumentation. Wer den Kommentar kennt, den Donaldson und Madsen (zusammen mit Natasha Henstridge) für Species aufgenommen haben, ahnt, wie unterhaltsam ein Kommentar für diesen Film hätte werden können. Von Alec Baldwin ganz zu schweigen.
Ansonsten gibt es ein gutes Bild in anamorphem Widescreen (2,35:1), der deutsche Ton ist in DD 5.1 und 2.0 enthalten, die englische Originalfassung fehlt jedoch gänzlich.
Fazit:
Über den grundsätzlichen Sinn und Nutzen von Remakes kann man nach wie vor trefflich streiten, dennoch gehört die Neuauflage von Getaway zu den besseren Vertretern dieser Filmgattung, was vor allem dem guten Stab und der Besetzung zu verdanken ist. Das neue Drehbuch erweist sich als gute Ergänzung zum Originalfilm, dessen Essenz eingefangen und ohne zu große strukturelle Änderungen modernisiert wurde. Regisseur Donaldson empfiehlt sich vor allem durch die dichte Inszenierung der Actionszenen, die einige Reminiszenzen an seinen Vorgänger Peckinpah enthalten. Etwas weniger Peckinpah–Einfluss und ein wenig mehr eigene Handschrift hätten die Filme aber sicher besser voneinander abgehoben.
Bei der trotz allen Änderungen inhaltlich großflächig gleich gebliebenen Handlung stellt sich natürlich zum Schluss erneut die Frage ob die Modernisierung nötig war. Die Antwort darauf muss jeder Zuschauer für sich selbst finden, aber handwerklich gibt es an dem schön gefilmten und gut gespielten Actionthriller kaum etwas zu bemängeln. Für unbefangene Zuschauer ist der Film damit auf jeden Fall eine Empfehlung, für die Kenner der Vorlage wird es wohl eher zu einem netten, doch einmaligen, Betrachten mit vielen Déjà-vus.