Findet Nemo [2003]

Wertung: 6 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 04. November 2003
Genre: Komödie / Animation

Originaltitel:Finding Nemo
Laufzeit: 100 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2003
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung

Regie: Andrew Stanton, Lee Unkrich
Musik: Thomas Newman
Originalstimmen: Albert Brooks, Ellen DeGeneres, Alexander Gould, Willem Dafoe, Geoffrey Rush, Andrew Stanton, Elizabeth Perkins, Bob Peterson, Barry Humphries


Kurzinhalt:
Clownfisch Marlin (Albert Brooks) hat es nicht einfach. Als alleinerziehender Vater muss er für seinen einzigen Sohn Nemo (Alexander Gould) sorgen, der sich – wie alle Kinder – lieber auf seine eigene Flossen verlassen möchte und es gar nicht erwarten kann, den wachsamen Augen seines Vaters zu entfliehen. Doch Nemos rechte Flosse, seine Glücksflosse, ist etwas klein geraten, und er ist nicht der beste Schwimmer.
Und tatsächlich, bei seinem ersten Schultag wird er von einem Menschen gefangen genommen und nach Sidney gebracht. Also macht sich Marlin mit der notorisch-vergesslichen, aber herzensguten Dory (Ellen DeGeneres) an seiner Seite auf die Suche nach Nemo, der sich im Aquarium eines Zahnarztes wiederfindet und dort anderen Fischen begegnet, die kein anderes Dasein, als jenes in diesem Glasgefängnis kennen. Nur ihr Anführer Gill (Willem Dafoe) wurde wie Nemo im Ozean gefangen genommen – und gemeinsam mit den anderen entwickeln sie einen Plan, um auszubrechen.
Während ihnen die Zeit entrinnt, müssen Dory und Marlin auf ihrer Reise allerlei aufregende Abenteuer bestehen...


Kritik:
Wie schwer kann es sein? Diese Frage mag sich schon so mancher Zuschauer gestellt haben, der die Rechenleistung heutiger Computer kennt und die wahre Flut an computeranimierten oder -unterstützten Filmen in den Kinos sieht.
Wie schwer kann es sein, solche Bilder zu erstellen? Selbst die einfachsten Zeichentrickserien werden heute mit Unterstützung von CGI erstellt, was angeblich den Produktionsaufwand senkt.

Die Experten der Pixelschmiede Pixar, die mit Toy Story [1995] ihren schon legendären Einstand auf der Leinwand feierten, benötigten für Findet Nemo über zwei Jahre und 94 Millionen Dollar – bisher ihr teuerster Film.
Der Vertrieb Disney war eben deshalb in heller Aufregung, als Gerüchte an die Öffentlichkeit drangen, laut denen Nemo der bisher schwächste Pixar-Film wäre – das hätten zumindest Zuschauer bei Testvorführungen mit halbfertigen Bildern gesagt. Die Angst wuchs bei der Mäusefabrik, als ihr hauseigener Animationsfilm Der Schatzplanet [2002] an den Kassen unterging und Disneys Image immensen Schaden zufügte. Noch einen Flop hätte die einstige Animationshochburg nur schwer verkraftet. Außerdem liefen kurz vor Nemo zuerst X-Men 2 [2003] und dann auch noch Matrix: Reloaded [2003] in den US-Kinos an – auch wenn beide Filme ansich ein anderes Publikum ansprachen, so waren die Befürchtungen vor allzu großer Konkurrenz groß, zumal nur eine Woche später von DreamWorks der Animationsabenteuerfilm Sinbad - Der Herr der sieben Meere [2003] ins Rennen um die Gunst der Zuschauer geschickt wurde.

Es ist vielen bis heute nicht wirklich klar, wie es Pixar gelang, mit einem Fisch-Animationsfilm die restliche Hollywood-Konkurrenz hinter sich zu lassen. Finding Nemo, so der Originaltitel, spielte bisher fast über 340 Millionen Dollar in den USA eingespielt. Damit ist er nicht nur der bislang erfolgreichste Film des Jahres (und übertraf Filme wie Matrix: Reloaded und Der Herr der Ringe – Die zwei Türme [2002]), sondern er löste sogar den König der Löwen [1994] als erfolgreichsten Animationsfilm aller Zeiten ab. Mit dem vermeintlich schwächsten Film gelang Pixar der bisher größte Erfolg, der sich hoffentlich auch international fortsetzen lässt.
Es stellt sich aber die berechtigte Frage, ob Nemo nun tatsächlich besser ist, als die bisherigen Filme aus der Pixelfabrik, oder nicht. Dies ist allerdings nicht ganz so einfach zu beantworten.

Findet Nemo ist zweifelsohne der bisher ernsteste und reifste Film von Pixar, dessen Hauptaugenmerk viel mehr auf Abenteuer, als auf Komödie liegt. Doch das wertet ihn in keiner Weise ab, im Gegenteil.
Seit jeher waren die Drehbücher aus der Animationsschmiede für ihre Kinderfreundlichkeit, kombiniert mit irrwitzigen, phantasievollen Stories und viele Insider-Gags bekannt – so bekamen sowohl die kleinen, als auch die großen Zuschauer viel für's Geld geboten. Mit Nemo hat sich das glücklicherweise nicht geändert, obwohl mehr kleine Botschaften übermittelt werden, als einem das zu Beginn klar sein mag.
Nicht nur, dass man etwas über die unzähligen Meeresbewohner lernt, es gibt ein Vielzahl von tiefergehenden Themen, angefangen bei Kindern, die auf ihre Eltern hören sollten, bis zu Eltern, die einen zu ausgeprägten Beschützerinstinkt entwickelt haben und ihre Kinder vor sämtlichen Gefahren bewahren möchten, denen sie früher oder später ohnehin ausgesetzt sind, und deren Bewältigung sie selbst lernen müssen. Und natürlich gibt es Kritik an Aquariumsfetischisten, die gar nicht begreifen, wie eintönig das Leben in einem Glashaus sein muss.
Das Ganze wird in einer mehr oder weniger einfachen Rahmenstory verpackt, die aber viel Raum für mitreißende Abenteuer lässt und die ohnehin witzigen Hauptcharaktere Marlin und Nemo mit zahlreichen anderen skurrileren Wassergeschöpfen zusammenbringt.
Wer würde schon mit einem Hai-Trio rechnen, das sich in einer Selbsthilfegruppe zusammengeschlossen hat, um ihr Image als hirnlose Fressmaschinen loszuwerden? Oder wer hätte gedacht, dass die behäbigen Schildkröten wahre Geschwindigkeitsjunkies sind? Von der Fischdame Dory mit Kurzzeitgedächtnisverlust (Memento [2000] lässt grüßen) ganz abgesehen. Doch auch in dem Aquarium, in das Nemo gesetzt wird, sieht's nicht weniger seltsam aus: Dort trifft er auf Bubbles, der in Luftblasen vernarrt ist, Deb, die in ihrem Spiegelbild ihre Zwillingsschwester sieht – und Gill, einen Fisch, der ebenfalls im Ozean gefangen wurde und seither in Gefangenschaft lebt.
Das Pixar-Meer ist voll mit sonderlichen Charakteren, die ihren Charme aber gerade aus ihren Absonderlichkeiten ziehen. Während Marlin durch den Verlust seines Sohnes am Boden zerstört ist, und seine Lebensfreude auf der Reise erst einmal neu entdecken muss, sorgt die vergessliche und etwas schwerfällige Dory für viele Lacher – jedoch auch sehr ernste Momente. Dank pointierter Dialoge, die weder die Kleinen überfordern, noch den Großen zu inhaltsleer sind, hervorragender Charakterisierungen der einzelnen Fische und einer abenteuerlichen Reise, die Marlin und Dory zu einem verrotteten U-Boot in einem Minenfeld, in das Maul zweier Pelikane, die als EAC bekannte Strömung um Australien und neben einem "Landspaziergang" auch noch zu einem Rennen durch zahlreiche Quallen führt, ist das Drehbuch von Finding Nemo zu einem der vielschichtigsten, durchdachtesten und besten geworden, die derzeit auf der Leinwand zu sehen sind. So viele Gags, wie es in einem Bild zu bewundern gibt, kann man gar nicht zählen, man müsste den Film immer wieder anhalten, um vor Lachen nach Luft schnappen zu können. Gleichzeitig hält einen aber auch die spannende Action bei Laune, und die Frage, wie die kleinen Fische letztendlich wieder zusammenkommen – oder ob sie es überhaupt tun.
Wer dachte, nach Spielzeugfiguren mit Eigenleben, Ameisen, die sich gegen ihre Unterdrücker auflehnen oder Monstern, die das Schreien von Kindern zur Energiegewinnung nutzen, wären den Pixar-Autoren die Ideen ausgegangen, irrt glücklicherweise gewaltig. So originell und erfrischend anders war seit Die Monster AG [2001] kein Animationsfilm mehr – die Konkurrenz erblasst zu Recht vor Neid.
Immer wieder gibt es kleine, wichtige Szenen, die den jüngeren Zuschauern gar nicht auffallen werden, aber für die Erwachsenen so manche Perle bereithalten; beispielsweise, wenn Squirt aus dem EAC hinausgetragen wird, und Marlin ihm zu Hilfe eilen möchte, dann aber erkennt, dass das kleine Schildkrötenkind durchaus in der Lage ist, die Situation selbst zu meistern.

Was die beispiellose Faszination an Finding Nemo aber auch ausmacht, sind die hervorragenden Darsteller, die den animierten Figuren im englischen Original ihre Stimmen liehen. Zwar sind einige sehr bekannte darunter, die meisten davon haben als reine Sprecher jedoch bisher keine großen Wellen gemacht.
Albert Brooks ist mit seiner etwas fahrigen Art zweifelsohne die Idealbesetzung für Marlin; die innere Panik, die er in einem Satz zum Ausdruck bringt, ist verblüffend. Doch auch in ernsthaften Szenen vermag er mitzureißen.
Noch einen Tick besser ist allerdings Ellen DeGeneres als Dory. Über sie viele Worte zu verlieren, ist nicht notwendig: Sie ist atemberaubend komisch.
Als Team wirken die beiden noch harmonischer als Tim Allen und Tom Hanks in Toy Story, oder als John Goodman und Billy Crystal in Die Monster AG. Was für ein Glücksfang den Produzenten hier geglückt ist, lässt sich kaum beschreiben. Man muss es selbst erleben.
In den Nebenrollen finden sich ebenfalls zahlreiche Glanzlichter: Nemo ist von Alexander Gould hervorragend synchronisiert, Willem Dafoe hat zwar eine recht zurückhaltende Rolle, er wirkt darin aber überzeugender, als in vielen seiner normalen Filme. Geoffrey Rush ist als Nigel unschlagbar (wenngleich nur kurz zu hören), und obwohl man es vielleicht nicht erwartet, Andrew Stanton, Regisseur des Films, hat als Schildkröte Crush nicht nur die philosophischsten Sätze des Films in Petto, sondern kann dank seines australischen Akzents viele Lacher auf seiner Seite verbuchen.
Überraschend ist auch der Einsatz von Barry Humphries als Hai Bruce – bekannt wurde Humphries in letzter Zeit vor allem durch seine Rolle der Claire Otoms in der TV-Serie Ally McBeal [1997-2002], die er als Dame Edna Everage bekleidete. Auch er sorgt für einige Lacher, zusammen mit den Bildern kann einem der große Hai dennoch jederzeit Angst einjagen.
Die Auswahl der Sprecher ist hervorragend gelungen und markiert den bisherigen Höhepunkt in der Geschichte der Pixar-Filme.

Wäre da nicht die deutsche Synchronisation, die mit der Auswahl völlig unpassender Synchronsprecher wie Christian Tramitz (Der Schuh des Manitu [2001]) für Marlin, Anke Engelke als Dory oder Erkan & Stefan in Nebenrollen enttäuscht!
Frau Engelke ist dabei noch mit die gewiefteste, die auch durchaus so schnell und konfus zu reden vermag, wie Ellen DeGeneres, nur klingt sie viel zu hoch! Christian Tramitz hingegen scheint sich selbst bei überstürzten Rufen zu langweilen, während Erkan & Stefan ihrem Jargon entsprechend "krass abchecken". Haben die deutschen Kinder und erwachsenen Zuschauer denn wirklich auf so etwas gewartet? Denn auch wenn im Original mit den Akzenten gespielt wird, klingt es dort nie peinlich, oder gar gequält "modern".
Zu verkrampften Sprecherleistungen gesellt sich noch eine völlig indiskutable Übersetzung der gelungenen Witze aus dem Original, die im Deutschen einfach nicht zünden wollen, und einigen offenkundigen Fehlgriffen. So wird "short-term memory loss", also der Verlust des Kurzzeitgedächtnisses (der Betroffene weiß Dinge, die lange zurückliegen, kann aber keine neuen Erinnerungen speichern), in der deutschen Fassung einfach mit "Gedächtnisschwund" übersetzt, was verständlicherweise eine völlig andere Krankheit ist. Und das ist noch einer der harmloseren Übersetzungsfehler im Film.
Haben die Macher im amerikanischen Original darauf Wert gelegt, den Film mit ebenso hervorragenden, wie passenden Sprechern zu vertonen, so wollte der deutsche Vertrieb statt auf Qualität wohl eher auf den Showfaktor und bekannte Namen setzen, egal wie (un)geeignet die verpflichteten Comedy-Stars  tatsächlich sind – "krass" daneben gehauen, wäre der entsprechende Kommentar dazu.
Findet Nemo stellt in der deutschen Synchronisation zwar für die Kleinen die einzige Möglichkeit dar, den Film zu verstehen, er ist so aber gleichermaßen unerträglich. Fans, die der englischen Sprache mächtig sind, sollten auf jeden Fall die Originalversion vorziehen.
Wer dies ohnehin vorhat, dem fällt die Entscheidung, die drei Wochen vor deutschem Kinostart erschienene US-DVD zu kaufen, verständlicherweise leicht. Selbige ist nämlich nicht nur mit viel Bonusmaterial ausgestattet, sondern wartet mit einem hervorragenden Bild und beeindruckendem Ton auf. In dieser technischen Brillianz ist der Film im Kino leider kaum zu sehen, und mehr als zwei Kinokarten kostet die Import-DVD auch nicht.
Wieso Disney in Deutschland diesen Weg geht, bleibt unverständlich – mit Lilo & Stitch [2002] gelang letztes Jahr eine gute Synchronisation. In Anbetracht der Tatsache, dass unlängst eine neue indiskutable Synchronisation von Arielle, die Meerjungfrau [1989] auf den deutschsprachigen Raum losgelassen wurde, die kollektiv von den Fans abgelehnt und dann dennoch auf die DVD gepresst wurde, verwundert einen irgendwie gar nichts mehr.

Ein Kritikpunkt, den sich Pixar bislang bei seinen Filmen gefallen lassen musste, war die recht statische Kameraführung, die die bisherigen Filme dominierte, bei Die Monster AG aber schon langsam durch bewegtere Aufnahmen ersetzt wurde.
Für Finding Nemo ging man noch einen Schritt weiter: Rasante Verfolungsjagden, sowohl über, als auch unter Wasser, durch mehrere Sets hindurch, ja sogar durch einen Hafen wird geflogen; man hat bei den ausgewählten Einstellungen dabei nie das Gefühl, dass die Szenen im Computer entstanden wären, vielmehr setzen die Macher die (virtuelle) Kamera wie herkömmliche Filmemacher ein und bewegen sie um Objekte herum, fahren wie auf einer Schiene einen Pier entlang und fliegen hinter einem Vogelschwarm her.
Die künstlerische Reife, die allein durch die Bilder spricht, ist beeindruckend. Unter Wasser fangen die Regisseure ein Meer ein, das man so schön noch nie gesehen hat, den Computereffekt müsste man dabei beinahe suchen. Malerische Farben, unzählige Details und eine fantastische Tiefenwirkung prägen hier die Optik.
Kamera und Schnitt sind innovativ und trotzdem übersichtlich, wobei in den Actionszenen das Tempo merklich angezogen wird. Stanton und Unkrich gelang es einmal mehr, die Grenze zwischen realer und Virtueller Welt weiter verschwimmen zu lassen. So toll und lobenswert das ist, stimmt es doch irgendwie auch traurig, dass viele andere Hollywood-Blockbuster weit weniger Professionalität und Routine offenbaren.

Einen neuen Weg beschritten die Macher von Findet Nemo bei der Musik, denn anstatt Pixar-Hauskomponist Randy Newman zu verpflichten, nahmen sie diesmal dessen Cousin Thomas Newman unter Vertrag, der einen neuen Ton in die Welt der Animationsfilme einführt.
Bekannt für seine getragenen Scores zu American Beauty [1999], The Green Mile [1999] oder Road to Perdition [2002] mag er auf den ersten Blick eine seltsame Wahl sein, doch er entpuppt sich als weitaus wandlungsfähiger, als man zunächst annehmen könnte.
Newman komponierte einige interessante, durchdachte und melodische Themen, die zwar nicht so leicht zugänglich sind, wie Randy Newmans Scores. Dafür verknüpft Thomas sie gekonnt miteinander und bildet ein harmonisches Gleichgewicht, das aber rhythmischer und melodiöser wird, je näher Marlin und Nemo sich kommen. Wenn seine Klänge zu den Bildern des Riffs erklingen, fühlt man sich beinahe wie in einer Traumwelt, wie in Trance – wenn Marlins Hoffnungen immer weiter sinken, wird dagegen auch die Musik immer düsterer.
Der Score ist ebenfalls nicht so eingängig, wie beispielsweise The Green Mile, gleichwohl er prinzipiell fröhlicher angelegt ist; hörenswert bleibt er allemal und passt sehr gut zum Film.

Eine wirkliche Überraschung stellt Robbie Williams Neuaufnahme des Klassikers "Beyond the Sea" dar, die zum Abspann eingespielt wird. Nicht nur, dass man den britischen Sänger kaum erkennt, die Instrumentierung erinnert verblüffend an die 60er Jahre und verleiht dieser Cover-Version eine Zeitlosigkeit, wie man sie kaum erwartet hätte.
Mehr noch, Williams beweist hier eindrucksvoll, dass er neben seinem werbewirksamen Image auch eine erstklassige Stimme besitzt.

Wer sich nur ein kleines Bisschen mit Computern auskennt, wird wissen, dass Programmierer von bewegten Grafiken zwei Dinge wie der Teufel das Weihwasser fürchten: Rauch und Wasser. Beide Elemente sind nur extrem schwierig und mit viel Aufwand zu berechnen. Rauch aufgrund seiner unzähligen Partikel und Eigendynamik, Wasser wegen der Lichtbrechung beziehungsweise Reflexionen, und auch, weil sich Dinge im Wasser völlig anders bewegen, als an Land. Fische korrigieren ihre Höhe im Wasser durch ständiges Bewegen ihrer Flossen. – Wenn man alle diese Elemente im Computer nachbilden möchte, bedarf es einer enormen Rechenleistung.
Da bei Findet Nemo bisweilen buchstäblich Hunderte Fische in einem Bild zu sehen sind, kann man gut verstehen, wieso den Pixar-Programmierern die Arbeit manchmal beinahe über den Kopf gewachsen ist. Manche meinten in Interviews sogar, dass sie zu Beginn gar nicht wussten, worauf sie sich eingelassen hatten.
Und doch stellt ihre Arbeit derzeit das Non-Plus-Ultra dar, was man auf der Leinwand an computergenerierten Wassereffekten je gesehen hat. Sowohl die Spiegelungen auf der Wasseroberfläche (auch von unten betrachtet!), als auch die Lichtstreuung der Sonnenstrahlen und die Unschärfeneffekte bei Großaufnahmen wirken absolut echt. Sie vermitteln einen plastischen Eindruck, der derartig perfekt bislang nie zu sehen war. Hinzu kommen die Staubbewegungen am Boden, sobald ein Fisch darüber schwimmt, das Wasser, das die Haut der Fische selbst verformt, und die kleinsten Details der Tiere, wie ihre verschiedenen Schuppen auf der zunächst glatt erscheinenden Haut.
Den Detailreichtum in Worte zu fassen, ist kaum möglich. Sobald Nemo und Marlin zu Beginn über das Riff mit seinen zahlreichen Bewohnern schwimmen und die Pflanzen und das Plankton unter Wasser sehen, steht dem Zuschauer buchstäblich der Mund offen. Es scheint nicht wie ein computergeneriertes Bild, auch nicht wie ein Film – diese Aufnahmen übertreffen die meisten "realen" Unterwasser-Dokumentationen, so paradox sich das anhören mag.
Die Farbvielfalt könnte den Zuschauer beinahe erschlagen, würden die Macher dem Auge des Zuschauers nicht immer wieder Pausen gönnen. Die Pixar-Zauberkünstler können getrost stolz auf sich sein; sie haben die Messlatte ein Stück höher gelegt und dabei die faszinierendste Unterwasserwelt geschaffen, die man je im Film genießen konnte.
Dass jeder ihrer Fische eine eigene Persönlichkeit, eine eigene Mimik und Gestik aufweist, rundet das hervorragende Gesamtbild ab. Wie es die Pixar-Animateure allerdings schaffen, die CGI-Wesen knuddeliger zu erschaffen, als die Disney-Zeichner bei ihren normalen Animationsfilmen, wird wohl ihr Geheimnis bleiben. Nichtsdestotrotz gelingt es ihnen, dass man die computergenerierten Figuren schon nach wenigen Minuten als normale Charaktere und Personen wahrnimmt. Wie der Film gemacht wurde, interessiert dann letztendlich nicht mehr, und das ist ein großes Kompliment.

Wie bereits gesagt, sind Pixar-Filme immer voller Andeutungen und Anspielungen, bei denen selbst ein Filmfan Schwierigkeiten haben wird, alle zu erraten; dass "Einauge" Mike aus Die Monster AG beim Abspann vortaucht ist  noch leicht zu erkennen, dass sich sowohl eine Buzz-Lightyear-Figur aus den Toy Story-Filmen, als auch Boos Fisch-Mobile aus Die Monster AG im Wartezimmer des Zahnarztes befinden, schon schwieriger zu sehen. Andere Fundstücke sind beispielsweise, dass der Junge im Wartezimmer gegen Ende des Films ein Incredibles-Comic liest – ein Vorbote auf den nächsten Pixar-Film; im Aquarium hingegen findet sich die Meerjungfrau aus dem Pixar-Kurzfilm Knick Knack [1989] (ebenfalls auf der US-Import-DVD enthalten) wieder. Und einmal sieht man auch den "Pizza Planet"-Wagen aus Toy Story vor der Zahnarzt-Praxis vorbeifahren.
Einer der gelungensten und verstecktesten Insider-Gags ist allerdings der Name Bruce für den großen Hai – Bruce war auch der Spitzname für die animatronische Hai-Puppe, die bei der Produktion von Steven Spielbergs Der weiße Hai [1975] eingesetzt wurde.
An Alfred Hitchcock erinnern im Übrigen sowohl die Möwen, die sich hier in selber Weise sammeln wie bei Die Vögel [1963], als auch die mehrfach eingespielte Musik aus Psycho [1960].
Wem das Aussehen der Möwen irgendwie bekannt vorkommt, irrt nicht – Pixar empfand sie vom Aussehen her dem bösartigen Pinguin aus Wallace & Gromit - Die Techno-Hose [1993] nach.

Doch es gibt nicht nur fröhliche Ereigniss bei einer Film-Produktion. So ist Findet Nemo Pixar-Animator Glenn McQueen gewidmet, der 2002 verstarb.

Was nach 100 Minuten bleibt ist nicht nur der längste Animationsfilm seit Final Fantasy - Die Mächte in dir [2001], sondern ein rundum gelungener Familienfilm, der neben einer perfekten technischen Präsentation mit einem umwerfend scharfen Bild und einem tadellosen Ton, auch genügend Inhalt besitzt, um Groß und Klein vor die Leinwand oder das Fernsehgerät zu bannen.
Die Abenteuergeschichte ist mitreißend erzählt, voller Witz, Action und auch ernster Momente, im Original vorgetragen von erstklassigen Sprechern und unterlegt mit einem eindrucksvollen und zurückhaltenden Score.
Obwohl Toy Story einen wichtigen und nachdenklicheren Hintergrund in sich barg, als man es zuerst vermutet hätte, mit Findet Nemo legt Pixar noch eine Schippe drauf. Ihnen gelang nicht nur einer der besten Filme des Jahres, sondern ein herausragender Beweis dafür, dass es nach unzähligen Filmen immer noch neue Ideen gibt, die es zu entdecken gilt – manchmal eben unter Wasser.


Fazit:
Mit sechs Monaten Verspätung findet Nemo den Weg in die deutschen Kinos – und das Warten hat sich gelohnt. Die Suche nach dem verlorenen Sohn ist voller Überraschungen und birgt für den Zuschauer so manche Weisheit, die sich kaum jemand eingestehen möchte.
Daneben gibt es viele Abenteuer zu bestehen, die sowohl Kinder, als auch Erwachsene begeistern werden. Findet Nemo ist bislang Pixars ernstester Film, und dennoch eine Komödie, bei der man aus dem Lachen kaum mehr heraus kommt.
Die Kunst, Menschen zum Lachen zu bringen, ist laut Charlie Chaplin schwieriger, als sie zum Weinen zu bewegen: Pixar schafft beides in 100 Minuten und präsentiert die knuffigsten und niedlichsten Charaktere, die es seit langem auf der Leinwand zu bestaunen gab, und all dies vor einer malerischen Meereskulisse, die jede Landratte zum Tiefseetaucher werden lässt.
Beeindruckend, empfehlenswert und moralisch/pädagogisch wertvoll – schon jetzt ein Klassiker!