Finch [2021]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 19. Juni 2022
Genre: Science Fiction / Drama / UnterhaltungOriginaltitel: Finch
Laufzeit: 115 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2021
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Miguel Sapochnik
Musik: Gustavo Santaolalla
Besetzung: Tom Hanks, Caleb Landry Jones (Tim Sander), Seamus, Marie Wagenman, Lora Martinez-Cunningham, Oscar Avila, Emily Jones
Kurzinhalt:
Endlich scheint Robotikingenieur Finch Weinberg (Tom Hanks) seinem notwendigen Ziel nahegekommen zu sein, einen menschenähnlichen Roboter fertig zu stellen. Dafür hat er unter anderem unzählige Bücher eingescannt, die dem Roboter, der sich später Jeff (Caleb Landry Jones / Tim Sander) nennt, ein Grundwissen bereitstellen sollen. Jeff soll einerseits Finch helfen, aber vor allem sich um Finchs Hund Goodyear (Seamus) kümmern in einer Welt, die auf Grund der hohen UV-Belastung für Menschen beinahe unbewohnbar geworden ist. Seit langem wohnt Finch daher im Labor seines früheren Arbeitgebers unter der Erde. Tagsüber sucht er in der tödlichen Hitze in verlassenen Gebäuden nach allem Brauchbaren, das die Menschen zurückgelassen haben. Doch als ein verheerender Sturm aufzieht, der wochenlang anhalten kann, muss Finch zusammen mit Jeff und Goodyear die sichere Unterkunft verlassen. Sie machen sich auf den Weg nach San Francisco, in der Hoffnung, dort eine weniger lebensfeindliche Umgebung vorzufinden. Aber Jeff ist im Grunde immer noch ein Kind, das schnell erwachsen werden muss. Nicht nur, dass die Welt sehr gefährlich ist, Finch läuft überdies die Zeit davon …
Kritik:
Nicht unbedingt in der ersten, aber in der zweiten Filmhälfte wird deutlich, dass Miguel Sapochniks Finch letztlich nicht ganz der Film ist, der er eigentlich sein sollte. Das sieht man daran, dass die dramatischen Elemente zu unentschlossen umgesetzt sind. Aber auch an den Andeutungen jener postapokalyptischen Gesellschaft, die allesamt nirgendwo hinführen. Doch das heißt nicht, dass der Science Fiction-Film eine Enttäuschung wäre. Vieles hier ist gelungen und führt dem Publikum dabei eine Sache geradezu schmerzvoll vor Augen.
Einige Jahre in der Zukunft ist die Erde großteils unbewohnbar geworden. Eine gewaltige Sonneneruption hat die Ozonschicht zerstört, sodass nicht nur Oberflächentemperaturen von jenseits der 60° Celsius herrschen, sondern die ungefilterte UV-Strahlung menschliche Haut in Sekunden verbrennt. Vegetation ist kaum zu finden und auch Tiere haben die Apokalypse nicht überstanden. Nach allem, was der Robotikingenieur Finch Weinberg weiß, ist ein Großteil der Menschheit schlicht ausgestorben. Er selbst lebt zurückgezogen in einem im Untergrund gelegenen Labor seines Arbeitgebers in St. Louis, allein mit dem Hund Goodyear und einem kleinen Roboter, den er Dewey nennt. Tagsüber sucht er in seinem Strahlenschutzanzug in der sengenden Hitze nach allem, was die Menschen übrig gelassen haben und stellt Finch zu Beginn die vielen Gebäude vor, die die Titelfigur bereits markiert hat, dann hat er wohl beinahe die ganze Stadt durchforstet. Die Stimmung, die Filmemacher Sapochnik bereits früh erzeugt, erinnert an das Animationsabenteuer WALL·E - Der letzte räumt die Erde auf [2008], mit dem von Tom Hanks verkörperten Finch als den letzten Verbliebenen auf einem verwüsteten, von starken Stürmen heimgesuchten Planeten.
Doch während WALL·E eine fest vorgegebene Aufgabe hatte und unerwartet Gesellschaft bekam, erschafft sich Finch seine Gesellschaft selbst. Offenbar seit geraumer Zeit arbeitet er an einem humanoiden Roboter, der sich später selbst Jeff nennt. Der soll aber nicht Finch Gesellschaft leisten, sondern sich in seiner Abwesenheit um den Hund Goodyear kümmern, dem sich Finch verpflichtet fühlt. Die Gründe dafür erläutert das Science Fiction-Drama in seinem Verlauf, auch wenn sich der Beginn darauf konzentriert, dass der von Grund auf erschaffene Roboter mit einem unvollständigen Wissensschatz ausgestattet wird. Nur etwas mehr als 70 % der beabsichtigten Daten kann Finch übertragen, ehe er auf der Flucht vor einem verheerenden Sturm mit seinen Begleitern einen Road Trip gen Westen nach San Francisco antritt. Scheint Finch seinen Glauben an alles, was die Menschen ausmacht, verloren zu haben, wenn er Jeff die Welt erklärt und ihn vor den hungernden, verzweifelten Überlebenden warnt, die sich nur nachts aus ihren Verstecken trauen, erscheint Jeff wie in großes Kind, das diese Welt zum ersten Mal entdeckt. Das sorgt für viel Humor und geradezu slapstickartigen Einlagen, die man in einem solchen Film kaum vermuten würde. Aber es verleiht gleichzeitig diesem Genre einen neuen und geradezu unerwarteten Schwung.
Den humorvollen Aspekt unterstützt auch Komponist Gustavo Santaolalla, dessen Begleitung stellenweise geradezu wie für einen Cartoon komponiert anmutet. Doch das Verhalten von Jeff, der sich regelmäßig nicht an die Anweisungen von Finch hält, mutet dabei zumindest für ein älteres Publikum gelegentlich befremdlich an. Erzwungen, denn aus einer Programmierung heraus erwachsen. Hinzu kommen Entwicklungen der Geschichte wie die Tatsache, dass Finch und Jeff nach Jeffs unbedarftem Zwischenstopp in einem Krankenhaus, das sich als Falle von anderen Überlebenden herausstellt, verfolgt werden. Dies führt letztlich ebenso wenig irgendwo hin wie Finchs Warnungen, dass Jeff irgendwann auf andere Menschen treffen wird. Insofern überrascht es nicht zu hören, dass Berichten zufolge Finch ursprünglich als düsterer angelegt war, als der Film letztlich geworden ist. Vor der Corona-Pandemie gedreht und für eine Veröffentlichung kurz nach deren Beginn vorgesehen, wäre dies ein apokalyptisches Drama gewesen, das es sicher schwer gehabt hätte, ein Publikum zu finden. Auch das Ende war nach Interviewäußerungen des Regisseurs wohl anders vorgesehen, was erklärt, weshalb die Geschichte zwar endet, aber an keinem Endpunkt angekommen scheint.
Nichtsdestotrotz ist Finch toll gefilmt und mit sichtlich Aufwand zum Leben erweckt. Jeffs Design ist beeindruckend und im Zentrum steht Tom Hanks’ Darbietung, die die Geschichte auf eine ebenso menschliche wie bedrückende Art und Weise zum Leben erweckt. Beschreibt sich Finch als Einzelgänger, der keine Gesellschaft braucht, weckt das Erinnerungen an seine preisgekrönte Rollen in Cast Away - Verschollen [2000] oder Neues aus der Welt [2020], in denen seine Figur jedoch alles daran setzte, zur Zivilisation zurückzukehren. Regisseur Miguel Sapochnik erzählt hier gewissermaßen eine Staffelübergabe, indem Finch Jeff diese Aufgabe mit überträgt. Damit unterstreicht sein Film auf eine geradezu erschütternde Art und Weise die Vergänglichkeit seines Hauptdarstellers Tom Hanks – und das ist eine beängstigende Vorstellung.
Fazit:
Wirkt Roboter Jeff, dessen Aussehen an den Klassiker Der Gigant aus dem All [1999] erinnert, zu Beginn unbeholfen, stolpert durch die Gegend und spricht abgehackt künstlich, nimmt er während ihrer gemeinsamen Reise immer mehr Züge des Menschseins von Finch an, obwohl dieser sich langsam von der Welt verabschiedet. Ihre entgegengesetzt laufende Entwicklung verläuft ebenso überraschungsarm wie die Geschichte insgesamt, bei der allenfalls Jeffs Slapstickeinlagen unerwartet sind. Ob dies der allgemeinen Atmosphäre der Geschichte zuträglich ist, sei dahingestellt. In jedem Fall präsentiert Regisseur Miguel Sapochnik so ein familiengerechtes, postapokalyptisches Science Fiction-Drama, das dennoch viel Herz besitzt und in den richtigen Momenten sentimental gerät. Handwerklich ist das tadellos dargebracht und mit erinnernswerten Bildern toll in Szene gesetzt. Tom Hanks verleiht seiner Figur eine derart greifbare Melancholie, dass dieser Road Trip wie eine letzte große Reise anmutet, auf die er das Publikum mitnimmt. Die Storybögen, die nicht weiterverfolgt werden, lassen ebenso wie das wenig abschließende Ende vermuten, dass Finch ursprünglich anders konzipiert war. Und auch, wenn die Science Fiction-Story kaum Neues erkundet und allzu bekannte Elemente vorträgt, die Art, wie sie ist es tut, ist charmant und für ein breites Publikum geeignet. Das gelingt solchen Geschichten nur selten.