Fast & Furious 10 [2023]

Wertung: 3.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 17. Mai 2023
Genre: Action

Originaltitel: Fast X
Laufzeit: 141 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2023
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Louis Leterrier
Musik: Brian Tyler
Besetzung: Vin Diesel, Michelle Rodriguez, Jason Momoa, Tyrese Gibson, Chris „Ludacris“ Bridges, Nathalie Emmanuel, Jordana Brewster, John Cena, Jason Statham, Sung Kang, Alan Ritchson, Daniela Melchior, Scott Eastwood, Helen Mirren, Charlize Theron, Brie Larson, Rita Moreno, Michael Rooker, Cardi B


Kurzinhalt:

Dominic Toretto (Vin Diesel) genießt das Leben mit seiner Frau Letty (Michelle Rodriguez) und seinem Sohn. Die stetig gewachsene Familie, zu der er seine Crew gleichermaßen zählt, versammelt sich regelmäßig und Dominic ist sogar bereit, die Leitung einzelner Missionen, die sie als Freischaffende für die Agency durchführen, Roman (Tyrese Gibson) zu überlassen. Doch dann steht die verletzte Cyber-Kriminelle Cipher (Charlize Theron), gegen die Dominic früher bereits gekämpft hat, vor seiner Tür. Sie erklärt ihm, dass Dante Reyes (Jason Momoa) für den Tod seines Vaters durch Dominics Hand vor zehn Jahren Rache geschworen hat und Dominic leiden lassen will. In Rom gerät das Team von Roman, Tej (Chris „Ludacris“ Bridges), Han (Sung Kang) und Ramsey (Nathalie Emmanuel) in einen Hinterhalt. Wenig später wird die gesamte Crew international gesucht, die Agency hat ihnen den Rücken gekehrt und Agent Aimes (Alan Ritchson) eröffnet die Jagd, gegen den Rat von Mr. Nobodys Tochter Tess (Brie Larson). Was immer Dominic unternimmt, um Dante aufzuhalten, dieser ist ihnen stets einen Schritt voraus und hat es auf seine unmittelbare Familie, Schwester Mia (Jordana Brewster) und seinen Sohn abgesehen …


Kritik:
Auch wenn die Fast & Furious-Reihe nach dem kommenden, zwölften Teil zu Ende gehen soll, vielleicht wäre jetzt der beste Zeitpunkt, daraus ein Animationsfilm-Franchise zu machen. Viel fehlt dazu ohnehin nicht, mit digitalen Verjüngungen und Actionsequenzen, die weit überwiegend im Computer entstanden sind. Doch es hätte überdies den Vorteil, dass das Publikum dann nicht mehr wenigstens den Hauch von Realismus erwarten würde. Wenn in Fast & Furious 10 Figuren wie Fahrzeuge sämtlicher Logik oder Physik trotzen, von der Story ganz zu schweigen, erklären die Verantwortlichen das sogar zum Teil ihres Markenkerns. Doch dies macht es schwer, mit dem Geschehen mitzufiebern. Immerhin, es gelingt ihnen besser als zuletzt.

Das mag auch daran liegen, dass Filmemacher Louis Leterrier die Geschichte nicht nur inhaltlich mit dem besten Teil der Reihe, Fast & Furious Five [2011], verknüpft, sondern den Teaser sogar währenddessen ansetzt. Als Dominic „Dom“ Toretto, Brian O’Conner und die Crew den einflussreichen Drogenbaron Hernan Reyes um seinen Tresor nebst Inhalt erleichterten, machte sich Dom Reyes’ Sohn Dante zum Feind. Zehn Jahre später könnte Torettos Familie an sich an keinem besseren Punkt angekommen sein, das Leben zu genießen, bis die Hackerin Cipher, mit der Toretto noch eine offene Rechnung zu begleichen hat, vor der Tür steht. Sie wurde von Dante angegriffen, ihre Organisation liegt in Scherben, um an Dominic heranzukommen. In Rom gerät die Crew unter Romans Führung in einen Hinterhalt, woraufhin nicht nur die Ewige Stadt großteils verwüstet wird. Vielmehr müssen Dom und die übrigen untertauchen, seine Frau Letty wird gar als Verräterin von der Agency gefangen genommen.

All dies bereitet letztlich den Weg für ein Finale, das nicht nur so viele Figuren wie möglich der bisherigen Filme vereint, sondern auch inhaltlich viele Brücken zu den vorigen Geschichten schlägt. Es soll das Ende der Saga werden. So steht auch hier die Familie im Zentrum und was man bereit ist zu tun, um sie zu beschützen. Einen Abschluss für dieses Finale der Reihe bietet Fast & Furious 10 aber nicht. Auf mehreren Erzählebenen beendet Leterrier seine Autoactionoper mit Cliffhangern, die teilweise schon an Fernsehserien (oder Seifenopern) erinnern. Manches, wie was mit Little Nobody geschehen ist, wird im Film nicht einmal thematisiert, nachdem man ihn vermeintlich in Sicherheit springen sah. Nach 20 Jahren und bereits zehn eigenständigen Filmen sowie zwei Dutzend wiederkehrender Figuren, scheint es eine Mammutaufgabe, diesen etwas zu tun zu geben. Wie auf einem Schachbrett beginnt das Drehbuch, an dem Justin Lin mitgeschrieben hat, der seines Zeichens u. a. bei Fast & Furious Five Regie führte, hier den Regiestab nach kreativen Differenzen aber abgab, die Charaktere in Stellung zu bringen. Das gelingt ganz am Ende sogar ausgesprochen gut und führt viele dort zusammen, wo sie sein sollen, selbst wenn die Zufälle, die hier alle als Dantes großer Plan präsentiert werden, doch jeglicher Wahrscheinlichkeit zuwiderlaufen. Doch so viele Figuren wollen auch beschäftigt werden, was dazu führt, dass manche der Erzählstränge lange Zeit beinahe in Vergessenheit geraten. Übersichtlichkeit sollte man damit nicht erwarten.

Die Verantwortlichen scheinen sich dabei durchaus der Tatsache bewusst, dass es schwerfällt, in einer Filmreihe, in der ein tonnenschwerer Tresor durch Rio gezogen wurde, ein Riesenmagnet Autos angezogen hat, Panzer und Atom-U-Boote zum Einsatz kamen, oder die Figuren sogar schon ins Weltall gereist sind, etwas Neues oder noch Größeres zu präsentieren. Ihre Antwort darauf lautet daher schlichtweg: Mehr. Angefangen von einer kugelförmigen, riesigen Bombe, die sich ihren Weg durch Rom bahnt, samt Verfolgungsjagd mit Motorrädern und Autos, über mehrere Schießereien und Faustkämpfe, bis hin zu unzähligen Crashs bei den Verfolgungsjagden. Egal, wem sich die Helden hier stellen müssen, seien es Söldnertruppen oder Autos, sie sehen alle gleich aus und es gibt Horden von ihnen, die aus dem Weg geräumt werden. So aufwändig und ohrenbetäubend laut dies umgesetzt ist, Fast & Furious 10 zeigt nichts, was es in den anderen Teilen nicht bereits zu sehen gab. Das fällt umso mehr auf, da Vieles zu sehen ist, das nicht gezeigt werden müsste. Wenn sich Cipher an Dom wendet und schildert, wie sie hintergangen wurde, hätte ein Satz gereicht. Stattdessen walzen die Verantwortlichen dies in einem langen Rückblick aus, obwohl das Publikum buchstäblich bereits gesehen hat, wie die Situation enden wird. Auch der Zweikampf zwischen Letty und Cipher ist handwerklich gut umgesetzt, aber inhaltlich nicht nur an den Haaren herbeigezogen, sondern völlig unnötig. Er bringt die Figuren auch nicht voran.

Der schiere Umfang der Geschichte und die langen Szenen, in denen Bösewicht Dante dem Helden Dom gefühlt ein Dutzend Mal mitteilt, dass er ihn leiden lassen wird, sind schlicht dem Umstand geschuldet, dass die Verantwortlichen es sich leisten können. Die Geschichte von Fast & Furious 10 in zwei Stunden zu erzählen, wäre keine Schwierigkeit, und ob die Aufteilung der Story auf zwei (oder drei) Filme notwendig ist, wird sich weisen. Dass hier die ersten Charaktere Opfer erbringen, um die Familie zu beschützen, ist wenig überraschend, wohl aber, wie spät dies tatsächlich beginnt. Dafür wartet eine Szene während des Abspanns mit einem Gastauftritt auf, der Fans andeutet, wie umfassend das nächste Kapitel des Finales wirklich werden soll. Man kann nur hoffen, dass die Geschichte dem auch gerecht wird, nicht nur die Berühmtheit der Besetzung.


Fazit:
Auch wenn neue Figuren in den langen Rückblick zu Beginn eingewoben werden, die darin gezeigte Action besitzt etwas, das Louis Leterriers Film gänzlich fehlt: Eine greifbare Haptik. Feuer, Funken und Explosionen stammen nun ebenso offensichtlich aus dem Computer wie fliegende Autos oder Figuren, die der Schwerkraft trotzen. Freilich sind Actionfilme nicht für ihren Realismus bekannt oder beliebt, doch weder die Action, noch die Technik oder die Story ergeben hier einen wirklichen Sinn. Ganz abgesehen davon, was die Figuren alles vollkommen unbeschadet überstehen. Fast & Furious 10 bietet ein Inferno auf der Überholspur und ohne jeglichen Realitätsbezug. Völlig überzogen, aber vor allem dank der Besetzung durchaus unterhaltsam. So gibt es nicht wenige Auftritte, bei denen man lachen kann, und obwohl Jason Momoa als Dante Reyes zu Beginn kaum bedrohlich erscheint, ab seinem Auftritt in Brasilien ist klar, dass es sich bei ihm um einen völlig übergeschnappten Psychopathen handelt, dessen „Qualitäten“ der Darsteller mit einem selbstironischen Auftreten durchaus auszukosten vermag, während Vin Diesel mit geradezu verkrampft ernster Miene beinahe aus dem Comicflair des Actionvehikels gefallen scheint. Momoa ist gewissermaßen das Highlight des Films, von den vielen, vielen Bezügen zu den vorigen Teilen abgesehen. Doch die waren oftmals stringenter erzählt. Immerhin ist auch dieser für Fans von Actionfantasien nie langweilig.