Elvis [2022]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 4. Juni 2022
Genre: Biografie / Drama / MusikOriginaltitel: Elvis
Laufzeit: 159 min.
Produktionsland: Australien / USA
Produktionsjahr: 2022
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren
Regie: Baz Luhrmann
Musik: Elliott Wheeler
Besetzung: Austin Butler, Tom Hanks, Helen Thomson, Richard Roxburgh, Olivia DeJonge, Luke Bracey, Natasha Bassett, Patrick Sheare, David Wenham, Chaydon Jay, Kodi Smit-McPhee, Josh McConville, Kate Mulvany, Kelvin Harrison Jr., Xavier Samuel
Kurzinhalt:
Im Jahr 1955 wird Colonel Tom Parker (Tom Hanks), Wanderkarnevalbetreiber und Musikpromoter, auf den noch unbekannten Elvis Presley (Austin Butler) aufmerksam und sieht in dem jungen Musiker großes Potential, eine junge Generation ansprechen zu können. Es gelingt ihm, als alleiniger Manager für Presley verpflichtet zu werden und er formt anschließend die Karriere des aufstrebenden Künstlers mit. Während Presley durch seine unnachahmliche Art, sich zu bewegen, ebenso berühmt wird wie durch seine Musik, entwickelt Parker ihn zu einer gewinnbringenden Marke. Bei Presleys Auslandsaufenthalt im Rahmen seines Wehrdienstes lernt er seine künftige Frau Priscilla (Olivia DeJonge) kennen, doch er verliert gleichzeitig einen der wichtigsten Menschen in seinem Leben. Durch die Höhen und Tiefen von Presleys Karriere bleibt Parker darum bemüht, jeden nur erdenklichen Profit aus seinem „Elvis“ zu ziehen. Auch zu Lasten von dessen Gesundheit. Es ist eine Konstellation, die letztlich in einer Tragödie mündet …
Kritik:
Baz Luhrmanns schrill glitzernde Biografie über den King of Rock ’n’ Roll, Elvis, ist in etwa das, was man erwarten würde, wenn der Regisseur von Moulin Rouge! [2001] sich des Lebens eines der einflussreichsten Musiker des letzten Jahrhunderts annimmt. Das bedeutet aber auch, dass die zweieinhalbstündige, geradezu frenetisch erzählte Show am Ende eben das ist – eine Show. Inwieweit diese letztlich das Bild von Elvis Presley, welches das Publikum ohnehin bereits vor Augen hat, nur verfestigt, oder wirklich neue Einblicke liefert, lässt sich kaum sagen.
Erzählt wird Elvis aus Sicht von „Colonel“ Tom Parker, Elvis’ Manager und, wie er selbst, sich unmittelbar zu Beginn an das Publikum richtend sagt, für viele der Bösewicht der Geschichte. Was dann noch klingt wie eine Frage, wird kurz darauf in einem eingestreuten Nachrichtenbeitrag erläutert, in dem es heißt, Parker sei wohl verantwortlich für den Tod von Elvis Presley. Doch ist die Biografie nicht die Geschichte von Tom Parker, selbst wenn man ihm zuhört, wie er sich wohl auf seinem Sterbebett im Jahr 1997, in seiner Vorstellung durch die Casinos von Las Vegas wandelnd, an seine Zeit mit Elvis Presley zurückerinnert. War er immer der Mann im Hintergrund, während Presley auf der Bühne stand, ist er es nun selbst, der sich an das Publikum wendet. Die Entscheidung, die Lebensgeschichte von Elvis Presley durch Tom Parker erzählen zu lassen, ist gelinde gesagt seltsam, und das nicht nur, weil Elvis durch Parkers Erzählung in der Zeit vor und zurückspringt, von 1997 nach 1973 und zurück zu den Anfängen in den 1940er- und 50er-Jahren. Dann wird Tom Parker, der einen Wanderkarneval betreibt, auf den aufstrebenden Musiker Presley aufmerksam und sieht Potential in ihm. Als weißer Sänger, der die Country-Musik der Weißen mit dem Gospel und Blues der afroamerikanischen Kultur vereint, in deren Umgebung er aufgewachsen ist, schlägt Presley eine künstlerische Brücke und wird in rasendem Tempo zur Ikone für eine ganze Generation. Vor allem das weibliche Publikum versetzt er in Ekstase bei seinen gut besuchten Auftritten.
Diese Energie und die geradezu ansteckende Lebendigkeit ist vor allem dank Austin Butlers Darbietung spürbar und überträgt sich über die Leinwand hinaus. Er ist das unumwundene Highlight von Elvis und die Wucht, mit der er die vielen, vielen Gesangseinlagen mit Leben erweckt, ist beeindruckend. Umso mehr würde man sich wünschen, dass Filmemacher Luhrmann ihn über diesen Aspekt hinaus fordern würde. Zwar schildert er, wie Parker, der sich als exklusiven Repräsentanten des Musikers eintragen lässt, diesen zu einer Marke ausbaut mit Merchandising jeglicher Art. Aber was der frühe Ruhm mit Presley als Person anstellt, wie es ihn verändert, enthält der Regisseur seinen Zuschauerinnen und Zuschauern vor. Insofern dauert es gefühlt sehr lange, ehe Elvis’ Karriere ein Knick widerfährt, er sich der Armee anschließt – hier, um einer Anklage betreffend eine Verletzung der Rassentrennung in einem US-Bundesstaat zu entkommen. Auch darüber, wie Elvis selbst seine daran anschließende Filmkarriere wahrnimmt, schweigt sich das Drehbuch aus, und wie ausbeuterisch Parker den Künstler vermarktet, wird erst spät deutlich. Dafür wird das Publikum mit vielen Song-Einlagen unterhalten, die zwar durchweg toll dargeboten sind, aber in ihrer Fülle die Geschichte nicht wirklich voranbringen.
Außerdem sorgt die handwerkliche Umsetzung dafür, dass man die Lieder nur selten genießen kann. Wie ein überlauter, greller Zuckerschock präsentiert, mit Zeitsprüngen, animierten Einstellungen, Ortsangaben, die sich in die Szenerie einfügen, Rap-Musik und vielen Zeitlupen, gibt sich Elvis überlebensgroß und in einer Art und Weise stilisiert, wie dies nicht einmal bei einem Bühnenmusical der Fall ist. Zeit für Charaktermomente findet sich dabei kaum und selbst wenn, gibt der Film den Figuren nur selten die Gelegenheit, sich in diesen zurecht zu finden. Dass die Besetzung dabei im Grunde durchaus gefordert ist, gerät beinahe in Vergessenheit. Zumal Tom Hanks in der Rolle des Managers Tom Parker nicht nur in einen Anzug gesteckt wird, der ihn viel fülliger erscheinen lässt, das aufwändige Make-up lenkt zusammen mit dem aufgezwungenen Akzent (wenigstens im englischen Original) mehr Aufmerksamkeit auf seine Person, lässt seine Dialoge stets lustig klingen, auch wenn sie es im Grunde nicht sind. Weshalb ihm als Figur derart viel Raum gegeben wird, wenn der Film doch nicht seine Geschichte erzählt, verstehe wer will. Es heißt, man ist nicht der Bösewicht in seiner eigenen Geschichte, aber genau das ist bei Parkers Erzählung der Fall. Doch anstatt es als tragisch wahrzunehmen, wie Presleys Gesundheit für eine Präsenz auf der Bühne geopfert wird, wirkt er sogar noch amüsiert. Das wird „dem King“ letztlich nicht gerecht.
Fazit:
In den letzten 15 Minuten lässt Elvis erkennen, was die Biografie eines der einflussreichsten Musiker der Neuzeit hätte sein können. Dann, wenn die musikvideoartig-fahrige, hochgetaktete Inszenierung zurückgefahren wird und man einen Einblick in die Isolation der Person bekommt, glänzen auch die ruhigen Facetten der preiswürdigen Darbietung von Austin Butler. Selbst wenn es hier zu viele Songs sind, die wiedergegeben werden, ihm dabei zuzusehen, ist eine Freude. Baz Luhrmanns Film ist durchweg gut gespielt und sichtbar überlegt inszeniert. Nicht nur gelingt es ihm, den Einfluss des King of Rock ’n’ Roll bis in die heutige Zeit deutlich zu machen, es wird auch spürbar, wie viel dieser den Verantwortlichen hinter der Kamera bedeutet und dass diese ihm ein Denkmal setzen wollten. All das ist lobenswert, die überlegte Schnittarbeit obendrein, doch ob die Grundausrichtung, die Herangehensweise an dieses Ziel die richtige ist, darüber lässt sich streiten. Die vielleicht unglücklichste Entscheidung ist es dabei, den Film aus Sicht von Tom Parker zu erzählen, der zu keiner Zeit ein Sympathieträger ist. Aber auch sonst nähert sich die Biografie der Ikone nur oberflächlich, geht kaum auf seine persönliche Entwicklung ein, von seinem körperlichen Abstieg ganz zu schweigen, herbeigeführt durch einen ungesunden Lebensstil und jahrelangen Medikamentenmissbrauch, für den ebenfalls sein Manager wenigstens mitverantwortlich gezeichnet wird. Hier gäbe es viel zu erzählen, doch den Menschen hinter der Legende rückt der Film leider nur selten ins Zentrum. Und wenn, geschieht dies in einer grellen Erzählweise, die zurückhaltend ausgedrückt, nicht jeden Geschmack treffen dürfte.