Ein Junge namens Weihnacht [2021]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 18. Oktober 2021
Genre: Fantasy / Unterhaltung

Originaltitel: A Boy Called Christmas
Laufzeit: 106 min.
Produktionsland: Großbritannien
Produktionsjahr: 2021
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren

Regie: Gil Kenan
Musik: Dario Marianelli
Besetzung: Henry Lawfull, Stephen Merchant (Stimme), Maggie Smith, Michiel Huisman, Sally Hawkins, Zoe Colletti, Jim Broadbent, Toby Jones, Kristen Wiig, Rune Temte, Indica Watson, Rishi Kuppa


Kurzinhalt:

Nach einem schweren Schicksalsschlag haben die Nichte und die Neffen von Tante Ruth (Maggie Smith) an sich keine Lust auf Weihnachten, zumal ihr Vater auch noch arbeiten muss. Als sie auf die drei Kinder aufpassen soll, beschließt sie, ihnen eine Geschichte zu erzählen, die sich vor langer, langer Zeit in Finnland ereignet hat. Dort lebte der elfjährige Nikolas (Henry Lawfull) mit seinem Vater Joel (Michiel Huisman) in einer kleinen Holzhütte tief im verschneiten Wald. Es ist eine schwere Zeit und so entsendet der König (Jim Broadbent) die mutigsten Frauen und Männer, um im hohen Norden des Landes, in dem der Winter noch gefährlicherer und schwierigerer ist, etwas zu suchen und den Menschen des Königreichs zu bringen, so dass diese wieder Hoffnung schöpfen können. Während Nikolas’ Vater aufbricht, bleibt er mit seiner bösen Tante Carlotta (Kristen Wiig) zurück. Doch als Wochen später noch kein Lebenszeichen seines Vaters zu hören ist und Nikolas eine Karte entdeckt, die ihn zu dem sagenumwobenen Wichtelgrund führen könnte, dem magischsten und fröhlichsten Ort, macht sich Nikolas auf, seinen Vater zu suchen. Vor ihm liegt ein Abenteuer, das nicht nur sein Leben für immer verändert, sondern das aller Menschen auf der Welt …


Kritik:
Basierend auf dem gleichnamigen Kinderbuch, präsentiert Filmemacher Gil Kenan mit Ein Junge namens Weihnacht eine Ursprungsgeschichte im doppelten Sinne. Einerseits bezogen auf die eigentliche Bedeutung des Weihnachtsfestes, die bei dem gesellschaftlichen Kommerz, der damit einhergeht, oft nur schwer zu erkennen ist. Andererseits hinsichtlich des Weihnachtsmannes selbst, dessen Werdegang hier erzählt wird. Mit zunehmendem Verlauf richtet sich das an ein sehr junges Publikum, das dafür jedoch mit einer nicht nur schönen, sondern auch lehrreichen Geschichte belohnt wird.

Während die eigentliche Story vor langer Zeit spielt, wird sie von einer Rahmenhandlung begleitet, die heutzutage angesiedelt ist. Darin macht sich die von Maggie Smith stets unvergleichlich charmant gespielte Ruth auf, an Weihnachten auf ihre Nichte und Neffen aufzupassen, da ihr allein erziehender Vater trotz der Feiertage im Büro arbeiten muss. Die Mutter der Kinder ist vor nicht allzu langer Zeit gestorben, weshalb ihr Haus das einzig nicht dekorierte in der Straße ist. Der Familie ist nicht nach feiern zumute. So erzählt Ruth an diesem verschneiten Abend die Geschichte des Jungen Nikolas, der mit seinem Vater Joel damals im rauen Finnland abgeschieden im Wald lebte. Auch seine Mutter war gestorben und die Zeit sehr beschwerlich. So sehr, dass der König die widerstandsfähigsten Männer und Frauen im Land vorladen ließ, um ihnen den Auftrag zu geben, aus dem hohen Norden des Landes irgendetwas mitzubringen, das den Menschen im Königreich Hoffnung geben könnte. Auch Nikolas’ Vater zieht mit anderen Männern los, um im gefährlichen Norden nach dem sagenumwobenen Wichtelgrund zu suchen, ein Ort, der nach einer Erzählung voller Glück und Magie sein soll. Als Nikolas, auf den in der Zwischenzeit seine boshafte Tante Carlotta aufpassen soll, von seinem Vater wochenlang nichts hört, macht er sich auf, selbst nach Wichtelgrund zu suchen mit einer Karte, die er in einem Erbstück seiner Mutter gefunden hat.

Obwohl die Abenteuer, die Nikolas auf seiner Suche nach Wichtelgrund erlebt, einen Teil der Erzählung einnehmen, Ein Junge namens Weihnacht beschäftigt sich mehr damit, was geschieht, wenn Nikolas jenen Ort entdeckt hat. Was dann geschieht, sei hier nicht verraten, es soll genügen zu sagen, dass Nikolas auf seiner Suche nach dem magischen Ort nicht nur von seiner Maus Miika begleitet wird, die mühelos sämtlichen menschlichen Beteiligten die Show stiehlt, sondern auch von einem Rentier, dem er hilft und das sich seiner Suche anschließt. Die Welt, die Filmemacher Kenan hier entwirft, noch lange bevor man Wichtelgrund überhaupt zu Gesicht bekommt, ist mit viel Wärme und Detailfülle eingefangen, dass es umso unverständlicher ist, weshalb man sie mit einer Rahmenhandlung versehen muss, in die die Erzählung darüber hinaus immer wieder springt. Sicher lassen sich damit einige Aussagen mehrmals wiederholen, doch es nimmt das Publikum auch unnötigerweise aus dem Moment, zumal über die drei Kinder und ihren Vater so wenig bekannt wird, dass man kaum eine Verbindung mit ihnen aufbauen kann.

Die eigentliche Geschichte ruht auf den Schultern von Nikolas, der – im Gegensatz zu den Erwachsenen – bereits weiß, was richtig und was falsch ist. Insofern ist es weniger er, der durch seine Abenteuer geformt wird. Ob das sehr junge Zielpublikum die vielen Andeutungen, die hier in den Dialogen auf die Schwierigkeiten und Herausforderungen unserer heutigen Zeit getroffen werden, erkennen kann, sei dahingestellt. Beschweren sich die Menschen beim König, dass sie eine bessere Gesundheitsversorgung möchten, oder gerechten Lohn für ihre Arbeit, richtet sich das, mal mehr, mal weniger zur Situation passend, an die erwachsene Zuschauerschaft. Dafür ist die Entwicklung von Nikolas’ Vater, dem lange Zeit die Belohnung des Königs wichtiger ist, als Zeit mit seinem Sohn zu verbringen, überzeugend eingefangen.

Dennoch gibt es einige Entscheidungen im Verlauf von Ein Junge namens Weihnacht, die man anders hätte treffen können, auch wenn ein persönlicher Verlust den Charakter stärker prägt, als alles andere. „Trauer ist der Preis, den wir für Liebe zahlen“, erzählt Ruth aus dem Off und es ist einer der besten Sätze des Films. Ob Kinder all dies verstehen werden, darf jedoch bezweifelt werden. Es eröffnet in jedem Fall zahlreiche Fragen, die das Drehbuch nicht stellt, geschweige denn eine Antwort darauf liefert. Passend kindgerecht ist dagegen der Humor, der ab der zweiten Filmhälfte um sich greift, so dass sogar die böse Tante nie zu düster gerät. Mit Elfen, Wichteln und Trollen sowie Zauberei gibt es für ein fantasiebegeistertes Publikum zudem viel zu entdecken, selbst wenn die Verantwortlichen hierfür keine wirklichen Regeln aufstellen, so dass es schwer bleibt, die verschiedenen Stilrichtungen zu fassen.

Während Regisseur Gil Kenan seinen Film in einfallsreiche Bilder kleidet, viele Kamerafahrten einwebt und auch malerische Eindrücke findet, ist ungeachtet der teils unscheinbaren Trickeffekte oftmals der unwirkliche Hintergrund erkennbar. Es ist ein Umstand, über den man leichter hinwegsehen kann, als darüber, dass Kenan seinem Hauptdarsteller Henry Lawfull als Nikolas nicht die Darbietung entlockt, die vor allem die späteren Momente von der Figur verlangen. Das Ergebnis wird das Zielpublikum kaum stören, doch je älter die Zuschauerinnen und Zuschauer sind, umso mehr wird ihnen dies auffallen, bis die Hauptfigur sie beinahe aus dem Moment nimmt.


Fazit:
So gelungen an vielen Stellen das Design und das Aussehen der Welt ist, von der Ruth den Kindern hier erzählt, es gibt einige Elemente, die nicht so richtig dazu passen wollen. Sei es Nikolas’ tadellose Kleidung, die sich nicht mit den ärmlichen Verhältnissen verträgt, in denen er lebt, oder wenn im alten Finnland auf Englisch geschrieben wird. Es sind Kleinigkeiten, wie die bereits unnötige Rahmenhandlung, die jedoch auffallen. Zumindest einem älteren Publikum. Kinder werden sich daran kaum stören und sich stattdessen von einer Geschichte auf eine Reise mitnehmen lassen können, die nicht nur mit Herz erzählt ist, sondern auch die eigentliche Bedeutung von Weihnachten vermittelt. Dass Magie existiert, man alles erreichen kann, was man sich vorstellt, ist eine inspirierende Aussage, gerade in der heutigen Zeit und in dieser Jahreszeit erst recht. Öffnet sich die Geschichte in der ersten Hälfte einem breiteren Publikum, richtet sich der Humor, wenn Nikolas Wichtelgrund erreicht hat, spürbar an die Jüngeren. Dass Ein Junge namens Weihnacht mehr Kinder- als Familienfilm ist, ist aber kein Kritikpunkt, zumal sich Erwachsene hier nicht ärgern werden. Und wenn die Jüngeren tadellos unterhalten werden, eine weihnachtliche Botschaft inklusive, kann man sich mehr an sich kaum wünschen.