Echoes - Stimmen aus der Zwischenwelt [1999]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 11. Dezember 2022
Genre: Horror / Krimi

Originaltitel: Stir of Echoes
Laufzeit: 99 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1999
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: David Koepp
Musik: James Newton Howard
Besetzung: Kevin Bacon, Kathryn Erbe, Zachary David Cope, Illeana Douglas, Jennifer Morrison, Kevin Dunn, Liza Weil, Lusia Strus, Chalon Williams, Conor O’Farrell, Steve Rifkin, Eddie Bo Smith Jr.


Kurzinhalt:

Weil er der Überzeugung ist, dass es ohnehin nur Hokuspokus ist, lässt sich Tom Witzky (Kevin Bacon) bei einer Party in der Nachbarschaft von seiner Schwägerin Lisa (Illeana Douglas) hypnotisieren. Es ist eine für ihn zutiefst unangenehme Erfahrung und schon kurz darauf beginnt Tom, Dinge und Personen zu sehen. Als seine Frau Maggie (Kathryn Erbe) für Sohn Jake (Zachary David Cope) die Babysitterin Debbie (Liza Weil) organisiert, hat Tom eine Vorahnung. Er erfährt, dass Debbies Schwester Samantha (Jennifer Morrison) vor einem halben Jahr spurlos verschwunden ist und erkennt in der unauffindbaren Teenagerin die junge Frau, die er immer wieder in gewalttätigen Visionen sieht. Tom ist zunehmend besessen davon, die Aufgabe zu erfüllen, von der er glaubt, dass Samantha sie für ihn vorgesehen hat. Das entfremdet ihn nicht nur von Maggie, es zehrt auch körperlich immer mehr an ihm …


Kritik:
Basierend auf dem prägenden, gleichnamigen Roman von Autor Richard Matheson aus dem Jahr 1958, erzählt Filmemacher David Koepp in seiner zweiten Spielfilmregiearbeit Echoes - Stimmen aus der Zwischenwelt eine klassisch anmutende Geistergeschichte. Viele dieser Horrorstories zeigen besessene Personen. Im Zentrum hier steht jedoch keine von einem Geist besessene Person, sondern der Familienvater Tom, der davon besessen ist, die Aufgabe, von der er denkt, dass sie ihm gestellt wurde, zu erfüllen. Atmosphärisch und stark gespielt, ist das mehr als nur ein effektiver Genrevertreter.

Die Geschichte erzählt vom Ehepaar Tom und Maggie Witzky, die mit ihrem Sohn Jake in einem Arbeiterviertel von Chicago wohnen. Tom arbeitet bei einer Telefongesellschaft und als seine Schwägerin Lisa Maggies Mitteilung, dass sie erneut schwanger ist, vorwegnimmt, ist Tom alles andere als begeistert. Sein Leben ist bislang nicht so verlaufen, wie er es sich erhofft hatte. Bei einer Feier in der Nachbarschaft überredet Tom Lisa, ihn zu hypnotisieren, fest davon überzeugt, dass es sich hierbei nur um Augenwischerei handelt. Doch Tom ist empfänglich für die Hypnose und bereits kurz danach wird er von Visionen heimgesucht, sieht eine Teenagerin bei ihnen zuhause und erhält Einblick in eine Welt, deren Zusammenhänge er nicht versteht. Das Mädchen, das er sieht, Samantha Kozac, verschwand vor einem halben Jahr aus der Nachbarschaft, wo sich fest die Überzeugung hält, sie sei weggelaufen. Immer mehr verliert sich Tom in seiner geänderten Wahrnehmung von der Welt und immer mehr ist er überzeugt, dass er etwas für Samantha tun muss. Er beginnt, Fragen in der Nachbarschaft zu stellen und als ihm bei einer erneuten Hypnose suggeriert wird, er solle graben, packt er unwidersprochen Spitzhacke und Schaufel aus.

Dass Toms Wandlung hierbei gelingt, liegt zum großen Teil an Darsteller Kevin Bacon, der im letzten Drittel ähnlich manisch auftritt wie Jack Nicholson in seiner ikonischen Rolle in Shining [1980]. Er macht Toms zwiegespaltene Gefühle betreffend seine eigene Familie und die Bestimmung, die er glaubt, gefunden zu haben, als er sich für Samantha einsetzt, greifbar und behält der Figur gleichzeitig die unnahbare Aura seiner gefährlichen Obsession. Demgegenüber steht Toms Frau Maggie, die sein Ankerpunkt in dieser Welt sein könnte, doch ist dies ein Aspekt, den das Drehbuch nicht aufgreift. Das macht es etwas schwer zu verstehen, wie weit Tom seiner Besessenheit um Samantha verfallen ist, denn steht er am Ende einer wirklichen Gefahr gegenüber, wirkt er gefasst, als hätte sein zurückliegendes Auftreten keine Auswirkung mehr auf ihn. Diese Elemente sind es, die insbesondere mit zeitlichem Abstand Echoes schwächer erscheinen lassen, als er im Grunde ist. Denn was Koepp außergewöhnlich gut gelingt, ist eine unheimliche Stimmung.

Wie der bedeutend erfolgreichere Genrefilm jenes Jahres, The Sixth Sense - Nicht jede Gabe ist ein Segen [1999], setzt David Koepp, der auf Grund seiner zehn Jahre dauernden Erfahrung als Drehbuchautor in Hollywood mit preisgekrönten Filmschaffenden wie Sam Raimi, Steven Spielberg oder Brian De Palma zusammengearbeitet hat, auf Situationen und Stimmungen, um die Atmosphäre seiner Geschichte zu definieren. Er nimmt alltägliche Momente und findet durch Beleuchtung, Blickwinkel oder unerwartete Bewegungen Momente, die nicht nur Angst machen, sondern die erkennen lassen, dass Toms Welt größer ist, als es zunächst scheint. Dabei werden zahlreiche Zusammenhänge nicht betont oder zentral umgesetzt, sondern erschließen sich erst bei genauem Hinsehen. Auch Jakes Gabe ist ein Teil hiervon und unterscheidet sich in der Art, wie der Junge damit umgeht, gänzlich von dem, was man gemeinhin erwarten würde.

Doch auch hier macht es die knappe Laufzeit von nur etwas mehr als eineinhalb Stunden der Geschichte schwer, sich wirklich zu entfalten. So wird in einem Moment angedeutet, dass der Geist, der Tom erscheint, umso wütender wird, je länger Tom braucht, seine Aufgabe zu erfüllen und schon im nächsten Moment werden die Auswirkungen dessen gezeigt. Anstatt dass sich somit eine Änderung im Leben der Familie ergibt und Tom wie Maggie versuchen, daraus schlau zu werden, wird zuerst die Änderung im Verhalten beschrieben, ehe die Auswirkung gezeigt wird. So wirkt die Erzählung zwar kurzweiliger, macht die Geschehnisse aber weniger mysteriös. Elemente wie Toms Schulkamerad, der ihn hänselte, führen nirgendwo hin und auch das Ende kommt plötzlich und ist schneller vorüber, als man erwarten würde und der inhaltliche Sprung innerhalb der Erzählung, als sich Tom immer weiter abkapselt, hinterlässt den Eindruck, als hätte man hier mehr zeigen können, hätte man die Zeit gehabt. Doch das ändert nichts daran, dass Echoes neben seinen guten Ideen durch eine tadellose Umsetzung überzeugt, die auch heute noch für Gänsehautstimmung sorgt.


Fazit:
So alltäglich die Umgebung, die Filmemacher David Koepp vorstellt, so greifbar seine Figuren im Zentrum. Mitanzusehen, wie das Leben dieser Familie aus den Fugen gerät, als Tom nach einer Hypnose der Überzeugung ist, er würde vom Geist einer jungen Frau heimgesucht, macht ebenso den Reiz des unheimlichen Krimis aus wie die Frage, was mit ihr geschehen ist. Die Antwort darauf liefert das Drehbuch in einer einzigen Sequenz im letzten Drittel, wobei das Puzzle womöglich besser stückweise aufgelöst worden wäre. Die mystischen Elemente jedoch, die nur augenscheinlich an Genregrößen wie Stephen King erinnern, lassen eine größere Welt erahnen, als Echoes - Stimmen aus der Zwischenwelt erkundet. Sie überzeugen durch ihre nüchterne Präsentation ebenso wie durch die Besetzung, angeführt von einem Kevin Bacon in Hochform, dessen Werdegang hier mitnimmt, selbst wenn er nicht durchweg sympathisch bleibt. Atmosphärisch, ist die Erzählung packend, unheimlich und doch nicht auf offensichtliche Schockmomente reduziert. Das erinnert rückblickend ein wenig an The Ring [2002], ohne jedoch dessen Finesse ganz zu erreichen. Für sich genommen kann man sich hier allerdings immer noch mitreißend gruseln lassen.