Die unglaubliche Geschichte des Mr. C [1957]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 5. Juni 2022
Genre: Science Fiction / Horror / Drama

Originaltitel: The Incredible Shrinking Man
Laufzeit: 81 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1957
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Jack Arnold
Musik: Joseph Gershenson, Ray Anthony
Besetzung: Grant Williams, Randy Stuart, April Kent, Paul Langton, Raymond Bailey, William Schallert, Diana Darrin, Billy Curtis, Orangey


Kurzinhalt:

Während eines Bootsurlaubs mit seiner Frau Louise (Randy Stuart) kommt Robert „Scott“ Carey (Grant Williams) in Kontakt mit einer mysteriösen, nebelartigen Wolke, die so schnell wieder verschwindet, wie sie aufgetaucht war. Ein halbes Jahr später bemerkt er, dass ihm die aus der Reinigung abgeholte Kleidung viel zu groß ist. Ein Besuch bei seinem Arzt bestätigt schließlich, was er bereits ahnte: Scott ist nicht nur leichter, sondern auch kleiner geworden. Während die Ärzte am medizinischen Institut vor einem Rätsel stehen, wird Scotts Situation immer dramatischer und als die Ausmaße seines Schrumpfungsprozesses bekannt werden, wird er zu einer medialen Sensation. Von existenziellen Ängsten heimgesucht, entpuppen sich selbst harmlose Situationen im Haushalt als unüberwindbare Hinternisse – und alltägliche Begegnungen werden zum Kampf ums Überleben …


Kritik:
Jack Arnolds Die unglaubliche Geschichte des Mr. C ist in mehrerlei Hinsicht ein Film aus einer anderen Zeit. Der inhaltlich düstere Science Fiction-Film mit Horrorelementen entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Metapher für Vieles, was in der Zeit seiner Entstehung die Menschen bewegte. Mit aufwändigen Trickeffekten zum Leben erweckt, deren Einfallsreichtum ebenso wie ihr Einsatz heute noch überrascht, ist dies ein Genreklassiker, den (wieder) zu entdecken sich durchaus lohnt.

Basierend auf Richard Mathesons Roman Die unglaubliche Geschichte des Mister C. [1956], der hier auch das Drehbuch schrieb, wird die Geschichte aus Sicht der und durch Hauptfigur Robert „Scott“ Carey erzählt. Scott verkörpert dabei einen typisch amerikanischen Bürger. Er ist seit Kurzem mit Louise verheiratet, hat einen guten Job und Hemden mit eingesticktem Monogramm. Bei einem Bootstrip im Urlaub kommt er in Kontakt mit einer seltsamen Nebelwolke, die wie aus dem Nichts auftaucht und ebenso schnell wieder verschwindet. Sechs Monate später bemerkt Scott, dass ihm seine Kleidung zu groß geworden ist und er offenbar abgenommen hat. Doch wie sich herausstellt, hat er nicht nur an Gewicht verloren – er ist auch kleiner geworden. Es ist ein Prozess, der sich immer weiter fortsetzt, bis er, nur noch wenige Zentimeter groß, im Keller seines Hauses gefangen ist und selbst einfachste, tierische Bewohner urplötzlich eine riesige Bedrohung für ihn darstellen.

Es ist eine Geschichte, die so einfach wie fantastisch klingt und dabei doch auch philosophische Überlegungen erkennen lässt, die sich unter anderem in Scotts Epilog wiederfinden. Eine eindeutige Erklärung für Scotts Zustand liefert Die unglaubliche Geschichte des Mr. C zwar nicht, dass die einst verheißungsvolle Wirkung der Radioaktivität, die in den 1950er-Jahren zunehmend ihren utopischen Glanz verloren hatte und fortan als dystopischer Unheilsbringer mit teils fantastischen Gefahren dargestellt wurde, hier eine große Rolle spielt, wird aber impliziert. Dass über das Phänomen, dem Scott ausgesetzt wurde, darüber hinaus nicht berichtet wurde, Regierung und Militär somit zunehmend kritisch gesehen werden, ebenso wie die mit Scotts Situation hoffnungslos überforderte Wissenschaft, die nicht länger auf alles eine Antwort zu haben scheint, ist ein weiterer Aspekt der Geschichten jener Zeit.

Hierzu zählen auch die vor allem für die damaligen Möglichkeiten beeindruckenden Trickeffekte, mit denen die Welt des immer kleiner werdenden Scott zum Leben erweckt wird, wenn dieser zuerst im Wohnzimmer seines Hauses vor der ihm hoffnungslos überlegenen Katze fliehen, oder sich später im Keller gegen einen achtbeinigen Hausbewohner wehren muss. Filmemacher Jack Arnold, der mit Gefahr aus dem Weltall [1953], Der Schrecken vom Amazonas [1954] oder Tarantula [1955] einige Klassiker des Genres zum Leben erweckte, inszeniert Scotts immer größer werdende Welt, die ihm zwar bekannt vorkommt, in der aber die einfachsten Dinge für ihn unerreichbar sind, mit einer technischen Imposanz, dass man auch aus heutiger Sicht über die dank der hinzugewonnenen Bildschärfe sichtbaren Kanten der überlagerten Bildelemente gern hinwegsieht. Viele Einstellungen sind immer noch beeindruckend, die Bauten im Keller ebenso toll gelungen wie Scotts Kampf gegen die Spinne, der durchaus mitreißt. Bedenkt man zudem, mit welchen technischen Einschränkungen die Verantwortlichen diese Illusionen erzeugen mussten, kann man nicht anders, als den Hut vor ihren Leistungen zu ziehen.

Und doch scheinen diese Elemente für Arnold lediglich Mittel zum Zweck, als Schauwerte, mit denen er das Publikum für seine Geschichte interessieren kann, auch wenn die Geschichte auf einer anderen Ebene von etwas anderem handelt. Sieht man Scott zu Beginn, wie er auf dem Boot liegend versucht, seine Frau Louise dazu zu bewegen, ihm (den geschlechtlichen Rollenklischees entsprechend) eine Flasche Bier zu holen, und beobachtet man ihn anschließend, wie er in seinem Schrumpfungsprozess seiner Frau immer weniger die Art Mann ist, die er für sie im Grunde sein möchte, kann man darin das Selbstbild eines archetypischen Amerikaners sehen, der seine Erwartungshaltungen an die Welt nicht bestätigt sieht und sich Stück um Stück an seine neue Lebenswirklichkeit anpassen muss. Psychologisch setzt sein Unvermögen, sich gegen einfachste Gefahren wie eine Katze zur Wehr setzen zu können, Scott sichtlich zu, und auch dass er für Louise nicht nur auf Grund seiner Körpergröße, sondern auch seiner Hilfsbedürftigkeit mehr wie ein Kind, denn ein gleichberechtigter Partner ist, macht ihm zu schaffen. Dinge, die er stets vor Augen hatte – so wie der im amerikanischen Traum verheißene Reichtum oder Erfolg in der wirklichen Welt – und die im Keller immer in Reichweite schienen, sind plötzlich unerreichbar. Die unglaubliche Geschichte des Mr. C erzählt von einer Existenzkrise seiner Hauptfigur und wie diese eine neue Bestimmung, ein neues Ziel in ihrem Leben sucht. Ob ihr dies gelingt, verraten die letzten Minuten des nachdenklich stimmenden Science Fiction-Klassikers, der durch die Ernsthaftigkeit seiner Herangehensweise ebenso beeindruckt wie durch die Kompromisslosigkeit seiner Erzählung. Beides kann man sich im heutigen Hollywood, das allzu oft auf oberflächlichen Wohlgefallen aus ist, kaum vorstellen. Jack Arnold leistete hier mit vielen seiner Filme, die sich trotz des B-Film-Charakters durch clevere Drehbücher und ein spürbares Interesse an den dahinter liegenden Facetten der Geschichten auszeichneten, einen unschätzbaren Beitrag. So auch hier.

Vor einigen Jahren erschien bei Koch Films eine Blu-ray von Die unglaubliche Geschichte des Mr. C mit einer damals aktuellen HD-Abtastung von Universal Studios. Bedenkt man das Alter des Ausgangsmaterials, ist das Ergebnis durchaus beeindruckend. Auch wenn das Bild im ersten Drittel des Films deutlich mehr Rauschen aufweist, sind die Verbesserungen gerade im Vergleich mit der als Bonusmaterial enthaltenen Super-8-Heimvideofassung des Films kaum in Worte zu fassen. Die höhere Bildschärfe begünstigt zwar, dass Details der Trickeffekte deutlicher sichtbar werden, zum Beispiel wenn der durch Bildüberlagerung in die Szenerie „kopierte“ Scott leicht durchsichtig erscheint, doch ist das kein Kritikpunkt, sondern vielmehr Zeugnis dessen, wie fortschrittlich jene Trickeffekte waren (immerhin können die Einschränkungen des Effekts auch mehr als 20 Jahre später bei Star Wars: Episode V - Das Imperium schlägt zurück [1980] beobachtet werden). Im Jahr 2021 erschien bei den Spezialisten von Criterion Collection eine neue Blu-ray-Ausgabe, die neben zahlreichem Bonusmaterial auch mit einer digital restaurierten 4K-Abtastung aufwartet. Man kann nur hoffen, dass diese Version irgendwann den Weg auch nach Europa findet. Der Klassiker hätte es verdient.


Fazit:
Sieht man sich die emotionale Reise an, auf die Hauptfigur Scott Carey entsandt wird, wird deutlich, dass Filmemacher Jack Arnold, der mit einem hohen Erzähltempo die Ereignisse hier vorantreibt, nur oberflächlich an den praktischen Auswirkungen von Scotts Schrumpfung interessiert ist. Zwar ist dieser Aspekt dennoch technisch aufwändig und eindrucksvoll zum Leben erweckt, mit viel Einfallsreichtum und Bildern, die in Erinnerung bleiben. Doch im Kern handelt Die unglaubliche Geschichte des Mr. C von der existenziellen Frage der Menschheit, die wir im unendlich Kleinen auf unserer Welt verborgen sind, geradezu unsichtbar in einem unermesslich riesigen Universum. Gleichzeitig thematisiert der Filmemacher die Rolle eines typischen, amerikanischen Arbeiters, der den eigenen Ansprüchen und Aspirationen in einer ihm stets über den Kopf wachsenden Welt nicht gerecht wird. Weder in der Beziehung zu seiner Frau, noch in seiner Umwelt. Seinen Platz in alledem zu finden, ist seine Reise und deren Ende kann als trostlos oder hoffnungsvoll interpretiert werden, wobei die Tendenz hier eindeutig ist. Atmosphärisch und engagiert umgesetzt, ist dies ein Klassiker des Science Fiction-Genres. Dabei mag der Creature-Horror-Aspekt viel B-Film-Charme versprühen, doch macht dies die tiefergehenden Facetten der Story nur einem breiten Publikum zugänglicher. Immer noch eindrucksvoll und klasse!