Die Hindenburg [1975]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 17. August 2003
Genre: Drama / ThrillerOriginaltitel: The Hindenburg
Laufzeit: 125 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1975
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Robert Wise
Musik: David Shire
Darsteller: George C. Scott, Anne Bancroft, William Atherton, Roy Thinnes, Gig Young, Burgess Meredith, Charles Durning, Rene Auberjonois
Kurzinhalt:
Um 20:15 Uhr, am 3. Mai 1937 löst sich die LZ-129 Hindenburg vom Haltemast auf dem Frankfurter Flughafen und tritt ihre dreitägige Reise nach New York an. 98 Menschen befinden sich an Bord.
Franz Ritter (George C. Scott), hochrangiger Offizier im deutschen Militär, soll den Flug des Zeppelins begleiten, da die Wehrmacht einen Brief erhielt, laut dem die Hindenburg, der Stolz und eines der wichtigsten Propaganda-Instrumente des Dritten Reiches, sabotiert werden soll. Widerwillig nimmt Ritter den Auftrag an und begibt sich an Bord des imposanten Gefährts. Mit an Bord sind zudem Hugo Eckener (Herbert Nelson), der den Bau des Luftschiffes überwachte und verständlicherweise die beiden Kapitäne Pruss (Charles Durning) und Lehman (Richard A. Dysart).
In dem luxuriösen Zeppelin trifft Ritter auch die Gräfin Ursula (Anne Bancroft) wieder, die erst kürzlich ihrer Ländereien durch die Reichsregierung beraubt wurde, und feststellen muss, dass Deutschland sie nicht so einfach gehen lassen möchte. Zusammen mit ihr und einem Gestapo-Major (Scott Walker) beginnt nun die Suche nach den möglichen Attentätern, wobei einige Spuren auf den Mechaniker Boerth (William Atherton) hindeuten.
Kritik:
200.000 Kubikmeter Wasserstoff fasste die Hindenburg, einer der größten Zeppeline, die je gebaut wurden. Insgesamt überstand das Luftschiff nach seinem Jungfernflug am 4.3.1936 nur 63 Fahrten zwischen Deutschland und Amerika und beförderte dabei mehr als 30.000 Passagiere auf einer Strecke von 340.000 Kilometern. Für die Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h sorgten vier 1050 PS starke Motoren – Reisegeschwindigkeit waren "nur" 110 km/h. Neben Passagier- und Lastenflügen wurde die Hindenburg vom Propagandaministerium im Dritten Reich auch für das Abwerfen von Flugblättern eingesetzt. Allgemein galt das Luftschiff als die Krönung der Deutschen technischen Überlegenheit.
Am 6. Mai 1937 erreichte die Hindenburg nach einer stürmischen und gefährlichen Überfahrt mit zwölfstündiger Verspätung Boston. Um 15:07 Uhr schwebte sie über Manhattan und kurz nach 16 Uhr stand sie über dem Landefeld von Lakehurst. Doch schlechtes Wetter und starke Winde machten eine Landung unmöglich, der Kommandant entschied sich, nach Süden abzudrehen und abzuwarten, bis der Sturm vorübergezogen war. Um 17:43 Uhr gab Lakehurst Entwarnung und knapp eineinhalb Stunden später setzte die Hindenburg erneut zur Landung an.
Viele Beobachter hatten sich am Landefeld versammelt und der Chicagoer Radiosender WLS würdigte das Ereignis sogar mit einem Livekommentar. Die Hindenburg schwebte noch 60 Meter über dem Boden, als sich die Passagiere zum Aussteigen bereit machten und die Mannschaft schon die Haltetaue ausgeworfen hatte. Um 19:25 nahmen Mannschaftsmitglieder auf den unteren Heckflossen einen Feuerball von etwa einem Meter Durchmesser wahr. Sekunden später explodierte die mittlere Gaszelle und das Heck brannte lichterloh. Der Bug hob sich in die Höhe; vom Ausbruch des Feuers bis zum Aufschlag der Hindenburg auf dem Flugfeld vergingen nur 32 Sekunden. In der Zeit versuchten Passagiere aus großer Höhe abzuspringen und sich in Sicherheit zu bringen. Die Menschen am Landefeld versuchten die Passagiere aus dem brennenden Wrack zu befreien – ihnen und vielen glücklichen Zufällen ist es zu verdanken, dass 62 Passagiere die Katastrophe überlebten.
Mit dem brennenden Gerippe der Hindenburg gingen auch die Hoffnungen der deutschen Luftschifffahrt in Flammen auf – das Zeitalter der Zeppeline stand vor seinem Ende. Im Anschluss gab es Untersuchungen, welche die Ursache des Unglücks herausfinden sollten, doch sie blieben erfolglos. Die Flammen hatten alle Beweise vernichtet, die möglichen Erklärungen sind allerdings begrenzt: entweder war eine natürliche Entzündung von entweichendem Wasserstoff die Ursache, oder aber Sabotage. Ersteres wäre insofern noch tragischer, da die Hindenburg aus dem Grund wie viele Luftschiffe ihrer Zeit mit Wasserstoff fuhr, weil die USA ein Heliumembargo verhängt hatten und somit kein Helium im Ausland verfügbar war.
Die Macher von Die Hindenburg entschieden sich bei ihrer Filmadaption des schwierigen Stoffes verständlicherweise für die Theorie der Sabotage, da sich diese weitaus spannender als Film umsetzen lässt und ebenso plausibel klingt, wie die übrigen möglichen Ursachen.
Wer allerdings hierzulande skeptisch die Augenbraue hebt angesichts der Tatsache, dass eine amerikanische Produktion das Unglück eines deutschen Luftschiffes in einem Hollywood-Film thematisieren möchte, wobei das Geschehen zudem noch während des Nazi-Regimes spielt, der hat durchaus das Recht, skeptisch zu sein. Viel zu oft werden die Deutschen in amerikanischen Filmen als hirnlose Monster zur Zeit des Dritten Reiches dargestellt, als Abziehschablonen eines Musterbösewichts, der sich besonders gut als Kanonenfutter eignet, und an dem man den wahren Patriotismus eines amerikanischen Soldaten messen kann ... doch nicht hier.
Vielleicht ist es gerade der relativ objektiven Betrachtung der deutschen Bürger in Die Hindenburg zu verdanken, dass der Film in den USA kein großer Erfolg war. Hier werden die Deutschen vor Kriegsausbruch nämlich als normale Menschen dargestellt, mehr noch, man machte sich damals eher über die Nazi-Soldaten lustig und verharmloste die Bedrohung. Ein folgenschwerer Fehler, der nicht unrealistisch erscheint. Dass der Hauptcharakter zudem ein hochrangiger deutscher Soldat ist, der mit seinen Vorgesetzten und ihren Gestapo-Methoden zwar nicht einverstanden ist, sich seinem Vaterland aber dennoch verpflichtet fühlt, macht die Kost für ein US-Publikum nicht einfacher zu verdauen – wohl aber greifbarer.
Den Autoren, darunter auch Columbo-Autor Richard Levinson sei es gedankt, denn ihr Drehbuch ermöglicht einen erfreulich unamerikanischen und aufrichtigen Film, der eine interessante, wenn auch frei erfundene, Vorgeschichte zur Katastrophe der Hindenburg erzählt.
Das Skript stellt dabei das deutsche Militär, welches von dem geplanten Anschlag auf die Hindenburg wusste, nicht als inkompetent dar, sondern zeigt im selben Moment, wie sehr das Nazi-Regime sich seinerzeit auf die Propagandawirksamkeit ihrer Instrumente verließ. Ein Absagen des Hindenburg-Fluges wäre einem Gesichtsverlust gleichgekommen – zudem hat "das Deutsche Volk keine Feinde", wie ein Vorgesetzter Ritters dem Soldaten überrascht, fast schon verärgert und leicht panisch einprägt.
Auch dass Landbesitzer in Deutschland vom Staat enteignet wurden und klein beigeben mussten, wird angesprochen und nicht zuletzt wie sich manch Komiker, ähnlich wie viele Bürger Deutschlands, über die Nazis lustig machte wird porträtiert. Das Volk hatte die Macht und Entschlossenheit der Nazis unterschätzt – ein verhängnisvoller Fehler, der die Geschichtsbücher prägen würde.
Doch eben diese viele Schattierungen machen das Drehbuch der Hindenburg gerade in den ruhigen Szenen aus und heben es deutlich über die einseitigen, farblosen und peinlichen Skripts hinweg, die oftmals in jener Zeit angesiedelt sind.
Die eigentliche Hintergrundgeschichte mit dem Saboteur an Bord der Hindenburg wird im Film interessant vorbereitet und auf Grund der klaustrophobischen Enge an Bord des Luftschiffes, entwickelt die Hatz auf den Täter auch eine dichte Atmosphäre mit sehr spannenden Szenen – zumal man als Zuschauer ebenfalls lange nicht weiß, wer der Attentäter ist, und vor allem wieso. Brenzlige Situationen gibt es einige und dank pointierter Dialoge packt es einen, zuzuschauen, gleichwohl man den Ausgang der Tragödie im Voraus kennt.
Das Drehbuch ist solide und abwechslungsreich geraten, bei den Dialogen sollte man allerdings aufpassen, um nicht die ein oder andere Anspielung zu verpassen.
Den Darstellern scheint das Skript ebenfalls gefallen zu haben, George C. Scott mimt den Nazi wider Willen mit großem Engagement und auch Anne Bancroft kann überzeugen.
Darsteller wie William Atherton (Stirb langsam [1988]) und Rene Auberjonois (Star Trek: Deep Space Nine [1993-1999]) vor ihren größeren Auftritten zu sehen, ist für Filmfans ohnehin eine Freude.
Auch die restlichen Darsteller können ohne weiteres überzeugen, auch wenn die Rollen nicht wirklich fordern.
Regisseur Robert Wise beweist in Die Hindenburg deutlich mehr Talent für eine spannende Erzählweise, als in seinem späteren Star Trek: Der Film [1979], auch wenn er hier ebenso bildgewaltig inszeniert.
Nicht nur, dass er das Luftschiff von außen gekonnt in Szene setzt, insbesondere im Innern des Luxuszeppelins und innerhalb des Konstruktionsbereiches, den nur die Mechaniker zu sehen bekommen, führt er Kamera und Schnitt mit einer Ruhe, die dann doch Dynamik erzeugt. Er ist immer darauf bedacht, so viel vom Schiff wie möglich zu zeigen und die Größe der Innenarchitektur zu vermitteln, ohne aber dabei den Luxus der Passagierkabinen aus den Augen zu verlieren.
Doch trotz der soliden Inszenierung ist Die Hindenburg nicht sehr spannend geraten – das liegt aber weniger am Regisseur, als an der Musik.
Die säuselt nämlich selbst in denjenigen Szenen leise vor sich hin, in denen die Mechaniker auf der Außenhaut des Zeppelins in 100 Metern Höhe arbeiten, um ein Leck abzudichten. Dass hier kein effektvollerer und größerer Score aufgenommen wurde ist nicht nur schade, es stört viele Szenen des Films nachhaltig.
Besonders beim Finale dreht der Komponist dann aber derart plötzlich und lärmend am Geräuschpegel seiner Instrumente, dass die Musik schlicht fehlplatziert und beinahe schon unfreiwillig amüsant klingt.
Dabei hat der Film selbst beileibe nichts amüsantes an sich, und die Tragödie ohnehin nicht.
Kurzum, die Musik passt nicht zum Film und hätte ausgewechselt werden sollen.
Dass der Film dennoch ein Klassiker geworden ist, verdankt er zum großen Teil den schlicht atemberaubenden Spezialeffekten. Von den Außenaufnahmen bei Tag, bis hin zu den Nachtflügen und der Flammenhölle am Schluss, das Effekteteam hat eine grandiose Arbeit abgeliefert, die sich vor heutigen Produktionen nicht verstecken muss – im Gegenteil.
Besonders die Aufnahmen bei Tag sehen um Längen besser aus, als in dem viel später entstandenen (und teureren) Indiana Jones und der letzte Kreuzzug [1989], bei dem der Zeppelin beinahe schon "billig" aufgeklebt wirkt. Geübte Augen erkennen bei der Hindenburg sicher das häufig eingesetzte Matte-Painting im Hintergrund, doch dafür muss man sich wirklich anstrengen.
Sowohl die Kulissen im Inneren, als auch die Außenaufnahmen (bei der Reparatur im Flug) oder die Panoramashots im Sonnenuntergang sind erstklassig und bis heute großteils unerreicht.
In den letzten Momenten im Film, in denen die Hindenburg in Flammen aufgeht, haben die Macher zu ihren eigenen Szenen auch Archivaufnahmen des wirklichen Ereignisses in Schwarz/Weiß eingebaut. Was auf den ersten Blick etwas unpassend wirken mag, entfaltet in Anbetracht des Ausmaßes der Katastrophe aber erst ihre volle Wirkung, wenn man bedenkt, dass es an jenem Abend in New York tatsächlich zu diesem schrecklichen Ereignis gekommen war.
Eine ähnliche Tragödie ereignete sich bei den Dreharbeiten, bei denen ein halbes Dutzend Stunt-Männer in feuerfesten Anzügen in den Nachbau des Zeppelin-Bugs gesteckt wurden und dieser dann angezündet wurde. Doch das Feuer geriet schnell außer Kontrolle und die Stunt-Leute verliefen sich im Rauch. Zahlreiche Kameras wurden zerstört und beinahe auch das gesamte Set. Szenen davon sind im Film zu sehen, doch wie die Sequenz eigentlich gedacht war, sieht man nicht.
Die Macher legen zudem Wert darauf, dass einige selbst gedrehte Szenen sich an tatsächlich passierten Ereignissen beim Absturz orientierten, so wurde tatsächlich ein Junge vom Wasser des Ballastballons getroffen und der Zirkusartist schwang sich wirklich an einem Seil vom Wrack.
Doch trotz des Aufwands und des Realismus war Die Hindenburg kein Erfolg, wohl aber ein würdiger Tribut an diejenigen Menschen, die ihr Leben bei der Tragödie verloren.
Interessenten des mehrfach oscarnominierten Films sollten sich auf eine plausible, wenn auch fiktive Geschichte um das traurige Ende eines der größten Luftschiffe aller Zeiten einlassen, hervorragend gemacht, gut gespielt und respektvoll gegenüber den Opfern.
Fazit:
Wer eine Lovestory im Stile von Titanic [1997] erwartet, oder die üblichen "die Amerikaner schlagen zurück"-Parolen aus Pearl Harbor [2001], der wird überraschend enttäuscht werden. Zwar mögen die 125 Minuten der Hindenburg mitunter recht lang erscheinen, da die Musik der eigentlichen Spannung der Geschichte nicht wirklich zuträglich ist, als Film ist Robert Wises Regiearbeit aber außergewöhnlich gut, ehrlich und unparteiisch gelungen.
Interessante und glaubhafte Charaktere treffen vor hervorragenden Kulissen auf ein verständlich dargelegtes Komplott, welches die Zerstörung der Hindenburg zum Ziel hat – doch das geschieht im Endeffekt ganz anders, als man es als Zuschauer erwartet.
Sehenswert.