Desperate Housewives: "Schmutzige Wäsche" (Pilotfilm) [2004]

Wertung: 5.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Dominik Starck  |   Hinzugefügt am 10. April 2005
Genre: Komödie / Drama / Fantasy

Originaltitel: Desperate Housewives: Pilot
Laufzeit: ca. 42 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2004
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Charles McDougall
Musik: Steve Bartek, Titel-Thema von Danny Elfman
Darsteller: Teri Hatcher, Felicity Huffman, Marcia Cross, Eva Longoria, Nicolette Sheridan, Steven Culp, Ricardo Antonio Chavira, Mark Moses, Andrea Bowen, Jesse Metcalfe, Cody Kasch, Brenda Strong, James Denton


Kurzinhalt:
Schlaglochfreie, verkehrsberuhigte Straßen, malerische Häuschen hinter einem weißem Palisadenzaun, eingebettet in einem mit dem Lineal nachmessbaren Golfglattschnitt am Rasen. Das Leben kann so schön sein – besonders in der Wisteria Lane, einer perfekten kleinen Straße mit lauter perfekten und glücklichen Menschen, die sich alle gern und allgemein keine tiefgreifenden Probleme haben.
Das gilt eigentlich auch für Mary Alice Young (Brenda Strong), glückliche Mutter, Haus- und Ehefrau, die sich an einem ganz gewöhnlichen Donnerstag morgen voller Sonnenschein und Harmonie nach ihrer alltäglichen Hausarbeit einen Revolver an den Kopf setzt und abdrückt.
Die ganze Nachbarschaft und insbesondere ihre vier besten Freundinnen reagieren mit dem angemessenen Maß an Erschütterung, vor allem aber ehrlichem Unverständnis für die Tat. Sie war doch glücklich, und wenn sie dennoch ein Problem gehabt hätte, dann hätte sie es ihren Freundinnen doch verraten. Oder?
Bei genauerer Betrachtung sieht das Leben von Susan Mayer (Teri Hatcher), Bree Van De Kamp (Marcia Cross), Lynette Scavo (Felicity Huffman) und Gabrielle Solis (Eva Langoria) nämlich ebenfalls nicht ganz so rosig aus: Susan ist seit einem Jahr geschieden und alleinerziehende Mutter einer Tochter im Teenager-Alter – ohne eine einzige Verabredung –, Bree eine fast schon krankhafte Perfektionistin, die damit ihren Mann (Steven Culp) und die beiden Kinder so lange terrorisiert, bis ihr Mann die Scheidung will, Lynette war einst eine aufstrebende Karrierefrau, ehe sie von ihrem Angetrauten (Doug Savant) in eine Gebär-Maschine verwandelt wurde und nun gegen vier Kleinkinder ihre Frau stehen muss, und die verheiratete, neureiche Gabrielle ist von ihrem Luxus-Leben derart angeödet, dass sie sich ihren wesentlich jüngeren Gärtner John (Jesse Metcalfe) als Liebhaber ins Haus holt.
Zum Leidwesen der vier Frauen sind das längst nicht alle ihre Sorgen, muss sich Susan beim Kampf um die Gunst des neu in die Gegend gezogenen Mike (James Denton) doch mit der Männer verschlingenden Edie (Nicolette Sheridan) auseinandersetzen – und als wäre das nicht genug, hat die verstorbene Mary Alice selbst posthum noch Geheimnisse in petto …


Kritik:
Die Desperate Housewives hatten das Glück, zu einer Zeit an den Start zu gehen, als nach den entwaffnend offen über Männer und Sex philosophierenden Single-Ladies aus Sex and the City [1998-2004] eine Lücke klaffte, die es zu schließen galt. Zumal beide Serien-Konzepte viel gemeinsam haben, stehen doch hier wie da Frauen und ihre Probleme im Mittelpunkt – wenngleich die der Hausfrauen anders gelagert sind. Susan Mayer und Co. tun auf dem TV-Bildschirm das, was Sam Mendes mit seiner meisterhaften Gesellschaftssatire auf den "American Way of Life", American Beauty [1999], für den kleinen Spießbürger auf der Kino-Leinwand getan hat: Die schöne, biedere und moralisch über-korrekte Fassade mit der sinnbildlichen Abrissbirne einzureißen und dem Zuschauer den Blick auf die nüchterne Wirklichkeit zu ermöglichen.
Sicher, etlichen Zuschauern wird in einer Zeit nach den beiden vorgenannten filmischen "Aufklärern" die Erkenntnis, dass Schein und Sein auch bei den sprichwörtlichen "glücklichen Hausfrauen" meilenweit auseinander liegen, keine Offenbarung sein. Dennoch dürften sie noch nie auf solch unterhaltsame Weise Zeugen bei dieser Enthüllung gewesen sein; und allen anderen wird dieser Augenöffner erst recht (makaberen) Spaß machen, Hausfrauen (egal ob tatsächlich glücklich oder heimlich frustriert) sowieso.

Serienschöpfer und Autor Marc Cherry (der bereits die legendären Golden Girls [1985-1992] auf die Mattscheiben der Welt gezaubert hatte) demaskiert hier mit tiefschwarzem, bitterbösem Humor die Doppelmoral hinter den frisch gestrichenen Vorort-Villen, wobei er die Inspiration zu seinem provokant-ehrlichen Blick hinter die perfekten Fassaden ach so glücklicher Hausfrauen ironischerweise durch seine Mutter erhielt, deren Hausfrauen-Dasein er selbst immer für erfüllt hielt – ein Irrtum, wie er leicht schockiert feststellen musste.
Der dem Disney-Konzern angehörende US-Sender ABC produzierte Cherrys neueste Kreation, die in den Staaten einschlug wie eine Bombe. Trotz (oder gerade wegen) dem kritisch erhobenen Zeigefinger selbsternannter Moralisten, die die Serie sogleich als Familienidylle zerstörend verteufelten, fanden die Geschichten und Enthüllungen um Mary Alice' Freundinnen selbst in den konservativsten Ecken des Landes großen Anklang. Noch ehe die erste Staffel überhaupt fertig ausgestrahlt war, folgten neben dem Fan- und (weitestgehenden) frenetischen Kritiker-Lob und den fantastischen Quoten auch noch zwei "Golden Globes" – zu Recht, wie man sagen muss, wenn man die ersten 42 Minuten in der klinisch reinen und doch hintergründig-abgründigen Nachbarschaft der Wisteria Lane verbracht hat.

Diese schon fast garstige, aber unbestreitbar unglaublich skurril-witzige Satire, die mit offenkundiger Genugtuung den Mythos glücklicher Hausfrauen und Kleinstadtharmonie mit dem Vorschlaghammer bearbeitet, wird sämtlichen Vorschusslorbeeren schon im Piloten gerecht, der allenfalls darunter ein wenig leidet, dass er so kurz ist, und man sich eigentlich noch gar nicht bis zur nächsten Woche verabschieden möchte. Schon aufgrund der vielen Haupt- und Nebenfiguren hätte sich hier vielleicht doch eher eine Doppelfolge als Auftakt angeboten.
Dennoch hat man Gelegenheit genug, schon jetzt einen ersten vielversprechenden Blick auf den Ort und die Figuren zu werfen und derart mit dick aufgetragenem Kitsch und Klischees bombardiert zu werden, dass man Brees Noch-Ehemann Rex durchaus verstehen kann, wenn dieser meint, er käme sich vor, als lebe er in einem Heile-Welt-Werbespot. Unterstrichen wird dies noch durch die (bewusste) Künstlichkeit der gesamten Umgebung. Aufmerksame Zuschauer werden dabei vielleicht die Filmkulissen erkennen, die Joe Dante für seinen Film Meine teuflischen Nachbarn [1989] verwendete.
Als den Freundinnen am Ende klar wird, dass Mary Alice ein schreckliches Geheimnis gehabt haben muss, welches sie schließlich gar zum Selbstmord trieb, ist dies eine bittere Erkenntnis – die beim langsamen Wegzoomen der Kamera allerdings mit übertrieben fröhlichem Musik-Score unterlegt wird, sodass man sich ob dieses herben Kontrastes spätestens in den letzten Sekunden des Pilotfilms ein bisschen so fühlt, als habe man sich in David Lynchs Geisteswelten à la Twin Peaks [1990-1991/1992] verirrt.

Bei der Besetzung hat man ebenfalls ein glückliches Händchen bewiesen:
Teri Hatcher hatte schon etwas Sitcom-Erfahrung, ehe sie in der wiederkehrenden Rolle von MacGyvers [1985-1992] Freundin Penny Lane einige Bekanntheit erreichte. Doch berühmt wurde sie erst durch ihre großartige Darstellung der Lois Lane in der modernen und romantischen Superman-Serie Lois & Clark [1993-1997]. Danach wurde es um die Mimin (Tango & Cash [1989], James Bond 007 – Der MORGEN stirbt nie [1997], zuletzt der TV-Mystery-Actionthriller Momentum [2003]) ziemlich still, die großen Angebote blieben aus. Mit Desperate Housewives feiert sie nun ein furioses Comeback, bei dem man ihr (wie den anderen Darstellern) nur viel Glück wünschen kann.
Felicity Huffman, seit 1997 Ehefrau des viel zu wenig gewürdigten Ausnahme-Schauspielers William H. Macy (Fargo – Blutiger Schnee [1996], Panik [2000], Happy, Texas [1999], The Cooler - Alles auf Liebe [2003], Final Call – Wenn er auflegt, muss sie sterben [2004]), mit dem sie zwei Kinder hat, erntet schon mit dieser ersten Folge als gestreßte vierfache Mutter eine Menge Bei- und Mitleid. Sie hatte bereits einige TV-Gastauftritte und Rollen in Filmen wie Magnolia [1999], in dem auch ihr Mann zu sehen war.
Marcia Gross gelang Mitte der 90er der große Durchbruch als intrigante Dr. Kimberly Shaw in der enorm erfolgreichen Serie Melrose Place [1992-1999], wo sie zunächst nur eine Gastrolle inne hatte, dann jedoch fest übernommen wurde. Auch in der Drama-Serie Everwood [seit 2002] hatte sie eine Hauptrolle, wechselte jedoch schon nach einem Jahr in die Wisteria Lane über.
Eva Longoria ist mit über zehn Jahren Altersunterschied (sie ist Jahrgang 1975) das Nesthäkchen der Leading Ladies in Desperate Housewives. Sie erhielt gleich für ihre erste Serien-Rolle in Schatten der Leidenschaft [seit 1973] eine Auszeichnung (den "American Latino Media Arts Award)") und kommt demnächst neben Michael Douglas, Kim Basinger und Kiefer Sutherland (24 [seit 2001]) mit dem Thriller The Sentinel ins Kino.
"Edie" Nicolette Sheridan kalauerte sich unter anderem mit Leslie Nielsen durch dessen James Bond-Parodie Agent 00 – Mit der Lizenz zum Totlachen [1997] und hatte eine Hauptrolle in der Soap Unter der Sonne Kaliforniens [1979-1993].
Brenda Strong, die als Geist von Mary Alice Young quasi eine Art Erzähler-Rolle einnimmt und zugleich einen gewissen Mystery-Faktor zur Serie beisteuert, hatte seit ihrem Debüt 1986 eine ganze Reihe Film-Auftritte, beispielsweise in Roter Drache [2002], war aber auch in Serien wie Emergency Room [seit 1994] oder Nip/Tuck [seit 2003] zu sehen.
Selbst unter den eher im Hintergrund stehenden männlichen Co-Stars stechen zumindest zwei schon in dieser ersten Episode hervor und sind fleißigen Serien-Fans sicher keine Unbekannten mehr. "Mike" James Denton spielte in der starken Mystery-Serie Pretender [1996-2000] ab der zweiten Staffel den soziopathischen Mr. Lyle (damals noch unter dem Namen Jamie Denton), und "Rex Van De Kamp" Steven Culp hat eine wiederkehrende Rolle als CIA-Agent Clayton Webb in der Millitär-Justiz-Action-Serie J.A.G. – Im Auftrag der Ehre [seit 1995], war als Major Hayes während der dritten Staffel auf der Enterprise [2001-2005] stationiert und tauchte in der zehnten Staffel von Emergency Room einige Male als Love Interest für Dr. Elizabeth Corday (Alex Kingston) auf. Darüber hinaus übernahm er im hervorragenden Polit-Thriller-Drama Thirteen Days [2000] an der Seite von Kevin Costner und Bruce Greenwood den Part des Robert F. Kennedy.
Einige Rollen – wie etwa Gabrielles Liebhaber, den anfangs der letztlich noch zu junge Kyle Searles spielte, oder Rex Van De Kamp, ursprünglich dargestellt von Michael Reilly Burke – wurden übrigens vor dem richtigen Produktionsstart erneut besetzt. Zuvor hatte man einen nicht ausgestrahlten Pilot-Film gedreht, anhand dem man die Serie verkaufen wollte. In dieser ersten Version von Desperate Housewives wurde Mary Alice außerdem nicht von Brenda Strong gespielt, sondern von der durch Twin Peaks berühmt gewordenen Sheryl Lee.

Dem enormen Erfolg in den USA ist es wohl zu verdanken, dass diese Serie von ProSieben praktisch umgehend auch ins deutsche TV-Programm geholt wurde (ähnlich wie eine Woche zuvor J.J. Abrams neue Serie Lost [seit 2004]), wobei abzuwarten bleibt, ob die ausgewogene ironische Mischung aus Komödie und Drama hierzulande ähnlich viel Begeisterung hervorrufen wird wie in den USA. Zu wünschen wäre es den "verzweifelten Hausfrauen" um Teri Hatcher allemal.


Fazit:
Natürlich hat "Schmutzige Wäsche" noch die eine oder andere kleine Start-Schwierigkeit, im Vergleich zu den Pilot-Folgen der meisten anderen Serien muss man die hier allerdings schon mit der Lupe suchen. Die Inszenierung ist solide, die Darsteller/innen allesamt sofort sympathisch, Buch und Musik großartig.
Ein in Zeiten nach Sex and the City oder American Beauty vielleicht nicht mehr schockierend neuer, aber unglaublich unterhaltsamer, so sarkastisch-witziger, wie skurril-schräger Blick auf den (Alp-)Traum vom Hausfrauen-Dasein.
Desperate Housewives ist eine hochklassige Vorstadt-Idyll-Satire vom Feinsten – eine Dramödie, die sofort in den Bann zieht.