Der Rote Monarch [1983]

Wertung: 1 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 27. Juli 2004
Genre: Komödie / Drama

Originaltitel: Red Monarch
Laufzeit: 101 min.
Produktionsland: Großbritannien
Produktionsjahr: 1983
FSK-Freigabe: -

Regie: Jack Gold
Musik: -
Darsteller: Carroll Baker, Colin Blakely, Glynn Edwards, Ian Hogg, David Kelly, Lee Montague, Nigel Stock, David Suchet, David Threlfall, Peter Woodthorpe


Kurzinhalt:
Russland im Jahr 1953; unter der Herrschaft von Jossif Stalin (Colin Blakely) zittert nicht nur das russische Volk, sondern auch Stalins Minister, die sich seinen Launen und paranoiden Anfällen ausgesetzt sehen. Zwar ist der Widerstand hinter vorgehaltener Hand gegen Stalin groß, doch niemand wagt es, sich dem Diktator in den Weg zu stellen.
Marshall Berija (David Suchet) ist die Stimmungsschwankungen des Tyrannen satt, aber um einen Putsch zu unternehmen fehlt es ihm an Rückgrat. Und so werden unter Stalins Herrschaft täglich Feinde des Regimes hingerichtet, eine Unterschrift des Staatsoberhauptes genügt.


Kritik:
Jossif Wassarionowitsch Stalin (wörtlich, der "Stählerne") wurde nach neuesten Erkenntnissen am 18.12.1878 als Sohn eines Schuhmachers geboren. Während seiner Zeit im orthodoxen Priesterseminar befasste er sich unter anderem mit revolutionären Schriften von Marx und trat 1898 der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands bei – nur ein Jahr später wurde er wegen revolutionären Aktivitäten, darunter die Organisation von Demonstrationen und Streiks, von der Partei ausgeschlossen. 1903 schloss sich Stalin den Bolschewiki an, 1905 lernte er Lenin kennen, der ihn als Organisator schätzen lernte. Nachdem die Bolschewiki in der Oktoberrevolution die Oberhand gewonnen hatten, gehörte Stalin als Volkskommissar für Nationalitätenfragen (und später auch für die Arbeiter- und Bauerninspektion) der Regierung Lenins an. Nachdem er ohnehin durch Umstrukturierung des Staates enorm an Macht gewonnen hatte, wurde er 1922 Generalsekretär der Partei KPR(B), ein Amt, das er über die organisatorischen Tätigkeiten hinaus zu einem Schlüsselinstrument des Staatsapparates ausbaute. Zwar hatte Lenin in seinem Testament 1924 nahegelegt, Stalin vom Amt zu entheben, dieser konnte sich darin jedoch behaupten. Ab 1929 war er der unangefochtene Führer seiner Partei und des Staates. Im Dezember 1934 begann er mit einer blutigen Säuberung, der großen Tschistka, in deren Verlauf er tatsächliche und vermeintliche Gegner seiner Herrschaft sowohl in der Partei, als auch in der Armee und im Staatsapparat verfolgte. Auch wenn er den Kommunismus in allen anderen Staaten der Welt durchsetzen wollte und eine "Revolution von oben" ausrief, 1939 schloss er sowohl mit den Westmächten, als auch mit Nazideutschland einen Nichtangriffspakt, mit Japan zwei Jahre später ein Neutralitätsabkommen. Während des Zweiten Weltkrieges riss Stalin immer mehr Positionen im Staat an sich, darunter die Verteidigung. Durch seine erzwungene Herrschaft durch viele Länder in Osteuropa nach dem Zweiten Weltkrieg trug er einen großen Teil zur Entstehung des Kalten Krieges bei.
Sein Nachfolger Chruschtschow versuchte, seinen Stalinismus, die alleinige Führung von Staat und Partei durch einen Mann, rückgängig zu machen. Ab 1945 konzentrierte Stalin sich großteils auf die Innenpolitik und führte dort seine Säuberungswellen fort, die Millionen von Menschenleben kosteten, was auf sein wachsendes Misstrauen (auch seinen Untergebenen gegenüber) zurück zu führen ist. Er selbst sah sich als Verfechter des Marxismus. In regelmäßigen Abständen tauschte er sämtliche Minister in seiner Umgebung aus, immer in der Angst, jemand könne einen Anschlag auf ihn verüben. Am 5.3.1953 starb Stalin in Kunzewo.

Jossif Stalin gehört zweifelsohne zu den schrecklichsten Herrschern, die die Welt je gesehen – diejenigen, die unter seinem Regime gelitten haben, können dies ebenso bezeugen wie alle, die einen Blick in die Geschichtsbücher werfen. Wie also eine britische Fernsehproduktion auf die wahnwitzige Idee kommen kann, in scheinbar unzusammenhängenden Szenen das Wirken Stalins als Komödie zu inszenieren, ist schlichtweg unverständlich.
Nicht nur, dass die Geschichte irgendwo im nirgendwo beginnt, einem die Figuren kurz vorstellt und dann von einer Szene zur nächsten springt, der Film scheint auch keiner genauen Handlung zu folgen. Zwar bekommt man zu sehen, dass Marshall Berija reihenweise Dienstmädchen, Schwimmerinnen und Leichtathletiksportlerinnen missbrauchte, und dass es für die Parteimitglieder kein Zuckerschlecken war, unter einem derartigen Tyrannen zu dienen, dem man nie widersprechen wollte. Aber abgesehen davon tröpfelt die Story von einer Szene zur anderen, beleidigt den Zuschauer mit Dialogen von einer Belanglosigkeit, dass es einem beinahe schon schwindlig werden könnte und schildert den Tagesablauf im Leben eines Staatsoberhauptes als ein ständiges Teetrinken und nach Bediensteten Schreien ohne Sinn und Verstand.
Die einzigen wenigen Momente, die jeweils nur im Ansatz geglückt sind, sind die ernsteren; wenn man zu sehen bekommt, wie ein paranoide erscheinender Stalin jeden verdächtigt, der sich atypisch verhält. Wie er seinen eigenen Sohn ins Straflager schickt und nach Jahren ehemalige Revolutionärsfreunde aus dem Gefangenenlager holt, die er selbst durch seinen Verrat dort hinein brachte. Doch dann bemüht sich das Skript immer noch, diesen Momenten einen humorvollen Aspekt abzuringen – ein vergebliches Unterfangen.
Das Drehbuch wird dabei nur noch von den Darstellern übertroffen, von denen einige so unbekannt gar nicht sind.

David Suchet als Berija gehört dabei zweifelsohne zu den bekanntesten; neben seinem Auftritt in Ein perfekte Mord [1998] ist er seit kurzem in TV-Umsetzungen von Hercule Poirot-Erzählungen zu sehen. Nigel Stock war unter anderem in Das Geheimnis des verborgenen Tempels [1985] zu sehen und Colin Blakely, der hier als Stalin zu sehen ist und der nur wenige Jahre später an Leukämie verstarb, ist unter anderem aus Die Hunde des Krieges [1981] und Das Böse unter der Sonne [1982] bekannt.
Aber auch wenn die Produzenten hier einige der bekanntesten britischen Darsteller versammelt haben, sie alle können aus dem völlig unkomisch Stoff keine unterhaltsame Darbietung zaubern; vielmehr wirken ihre Bemühungen gekünstelt, bisweilen fast schon verzweifelt und derart übertrieben, dass man nur unverständig den Kopf schütteln kann.

Inszenatorisch bewegt sich Der Rote Monarch auf üblichem TV-Niveau, fixe Kamerapositionen, günstige Kulissen und ein Studioflair helfen nicht weiter. Zwar war aus dem Budget sicher nicht mehr herauszuholen, und einige Aufnahmen sind dabei gar nicht schlecht gelungen, aber weder optisch noch akustisch macht das Gezeigte mehr her, als zu erwarten wäre.

Charlie Chaplin meinte zu seinem Meisterwerk Der Große Diktator [1940], dass wenn er damals gewusst hätte, welche Grausamkeiten die Nazis verbrochen hatten, er "nie einen humorigen Film darüber gemacht" hätte. Als sein Werk entstand war nicht klar, wie viele Menschenleben Nazideutschland unter Adolf Hitler ermordet hatte und auch wenn man den Film heute als ein Meisterwerk ansehen mag, es ist ein sehr feiner Grat zwischen Witz und Satire. Aus eben diesem Grund versagt Das Leben ist schön [1997] auf eine derart grundlegende Weise.
Im Jahr 1983 kamen britische Filmemacher auf die Idee, Stalin, einen der größten Massenmörder des letzten Jahrhunderts als einen tattrigen, verspielten und unfreiwillig komischen Diktator zu porträtieren ... einen größeren Fehler kann man bei der Grundidee gar nicht machen.


Fazit:
Wer sich mit der historischen Figur Stalin beschäftigt wird feststellen, dass Vieles von dem, was im Film gezeigt wird, tatsächlich stattgefunden hat – ehemalige Streitgenossen, die er aus den Lagern befreite, seinen eigenen Sohn, den er für 10 Tage ins Gefangenenlager steckte – und seine paranoide anmutenden, fast schon schizophrenen Schübe sind ebenso dokumentiert. Doch daraus eine Satire oder Komödie stricken zu wollen, die sich nur damit beschäftigt, den Staatsmann und Tyrannen als kauzigen Großvater zu zeigen, der unter Verfolgungswahn litt, ist eine derartige Fehlkonzeption, dass einem dafür fast die Worte fehlen.
Ein Witz auf anderer Leute Kosten soll angeblich der schönste sein; nicht aber, wenn diejenigen, auf deren Kosten er geht dabei ums Leben kamen.
Der Rote Monarch soll eine Satire zu einem Thema sein, dessen komödiantisches Potential schlicht nicht vorhanden ist, nicht einmal die britischen Monty Python-Komiker haben sich an so etwas herangewagt. Sie wussten wohl weshalb.