Der Pate 2 [1974]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 24. April 2022
Genre: Drama / Krimi

Originaltitel: The Godfather: Part II
Laufzeit: 202 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1974
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Francis Ford Coppola
Musik: Nino Rota
Besetzung: Al Pacino, Robert Duvall, Diane Keaton, Robert De Niro, Oreste Baldini, John Cazale, Talia Shire, Lee Strasberg, Michael V. Gazzo, G. D. Spradlin, Richard Bright, Gastone Moschin, Tom Rosqui, Bruno Kirby, Frank Sivero, Morgana King, Francesca De Sapio


Kurzinhalt:

Wenige Jahre, nachdem die Mafia-Familie unter Michael „Don“ Corleone (Al Pacino) das Zentrum ihres Wirkens von New York nach Nevada verlagert hat, kontrolliert Michael über seine Untergebenen dort Teile der Hotels und des Glücksspiels. Sein Ziel, die Familie aus der Illegalität zu führen, hat er zwar nicht aufgegeben, ist ihm aber auch nicht näher gekommen. Mit einem ehemaligen Geschäftspartner seines Vaters Vito, Hyman Roth (Lee Strasberg), plant Michael, in Kuba zu investieren, wobei die dortige Revolution seine Pläne zunichtemachen könnte. Zu allem Überfluss stellt sich der weiterhin in New York ansässige Frank Pentangeli (Michael V. Gazzo) gegen Michaels Pläne mit Roth. Als ein Anschlag auf Michaels Leben verübt wird, weiß dieser nicht, wem er noch vertrauen kann und verdächtigt selbst Tom Hagen (Robert Duvall), der als Kind von Vito aufgenommen wurde und der für Michael wie ein Bruder ist. Dem wachsenden Druck von allen Seiten begegnet Michael mit noch größerer Härte und isoliert sich immer mehr, auch von seiner Frau Kay (Diane Keaton) und seinen Kindern. Dabei wandelt er das Vermächtnis seines Vaters Vito (Robert De Niro), der 1901 aus Sizilien nach New York fliehen musste, ebenso, wie er sich selbst verändert …


Kritik:
Der deutsche Titel von Francis Ford Coppolas Der Pate 2 ist im Grunde so falsch wie irreführend. Er verheißt einen Film, eine Geschichte, die auf seinem Meisterwerk Der Pate [1972] aufbaut. Tatsächlich ist der Originaltitel hier zutreffender, der als „Der Pate: Teil II“ zu übersetzen wäre und damit deutlich macht, dass es sich hierbei lediglich um den zweiten Teil einer großen Erzählung handelt. Das Ergebnis ist eine Geschichte, die ohne den ersten Teil nicht funktioniert und erst im Kontext an Sinn und Bedeutung gewinnt. Für sich genommen, erscheint Der Pate 2 zu lang und um einen Erzählstrang versehen, der so nicht notwendig ist. Sieht man jedoch das große Gesamtbild, komplettiert der Filmemacher damit ein Meisterwerk, das in seinem Ausmaß und seiner Komplexität beispiellos ist.

Grundsätzlich angesiedelt im Jahr 1958 und damit wenige Jahre nach den Ereignissen des ersten Films, schildert Der Pate 2 den vollkommenen moralischen Zerfall seiner Hauptfigur Michael Corleone, der durchaus mit der Ambition, die Geschäfte der Mafia-Familie Corleone in die Legalität zu holen, die Aufgabe des „Don Corleone“ angetreten hat, um hier mit jeder seiner Entscheidungen in die entgegengesetzte Richtung zu gehen. Dieser direkten Fortsetzung der bisherigen Erzählung stellt Coppola einen zweiten Erzählbogen gegenüber, mit dem der Film beginnt und der den Werdegang von Michaels Vater Vito beginnend im Jahr 1901 zeigt, als der erst neunjährige Junge miterleben muss, wie seine ganze Familie vom Kopf einer Mafia-Familie ermordet wird und er daraufhin von Sizilien nach New York flieht. Jahre später kommt Vito dort selbst in Kontakt mit einem kleinen Mafiosi und beginnt, sich einen Ruf zu erarbeiten.

Diese zusätzliche Erzählebene ist für sich genommen, insbesondere in Anbetracht des zeitlichen Umfangs, den sie einnimmt, nicht wirklich notwendig, dient sie doch hauptsächlich zur Verdeutlichung der Parallelen und der Unterschiede im Werdegang zwischen Michael und seinem Vater, die, ob sie es wollen, oder nicht, den Traditionen und Regelungen ihrer Familie nachkommen, bis hin zu Blutfehden, die sich über Jahrzehnte hinziehen, um als solches empfundene Schulden zu begleichen. Um das Verständnis für Vitos Herkunft und seinen Einfluss zu verstehen, ist das eine willkommene Ergänzung, aber für Michaels Geschichte selbst, ist das nur von untergeordneter Bedeutung. Der hat die Familie Corleone inzwischen erfolgreich aus New York nach Nevada gebracht und sie dort mit ihren Beteiligungen in mehreren Hotels und Casinos fest etabliert. Auch bemüht er sich wie sein Vater einst um eine politische Einflussnahme, die er mit allen Mitteln verfolgt, was ein der Familie ablehnend gegenüberstehender Senator am eigenen Leib zu spüren bekommt. Als ein Mordanschlag auf Michael am Tag der Konfirmationsfeier seines Sohnes fehlschlägt, scheint er vollends mit dem Schicksal seines Vaters Vito Corleone aufzuschließen, doch seine Reaktion darauf zeigt eindrucksvoll, wo die grundlegenden Unterschiede der beiden Männer liegen.

War Vito nicht nur dem Druck des alltäglichen „Geschäfts“, sondern auch der Bedrohung für sein Leben gewachsen, sieht das Publikum in Der Pate 2, wie Michael immer mehr daran zerbricht. Geradezu paranoid weiß er nicht mehr, wem er trauen kann, verdächtigt selbst Vertraute wie seinen Halbbruder Tom Hagen, die ihn sein ganzes Leben lang begleiten. Seinen Geschäftspartnern Hyman Roth und Frank Pentangeli erzählt er jeweils Unterschiedliches, in der Hoffnung, dass sich einer von beiden durch sein Verhalten verraten würde und während er seine zunehmend unzuverlässiger gewordene Investition mit Roth in Kuba merklich bereut, erwartet ihn zuhause eine Senatsanhörung, die sich mit der organisierten Kriminalität beschäftigt. Doch anstatt sich mit Personen zu umgeben, die sein Vertrauen genießen, Menschen mitunter durch Druckmittel für sich zu gewinnen und sich ihre Loyalität zu sichern, schottet sich Michael zunehmend ab.

Verspürte das Publikum bei Vitos Tod trotz seiner Taten so etwas wie Traurigkeit und konnte man stets erkennen, wie wichtig ihm in der Tat die Familie trotz all ihrer Makel und Schwächen war, höhlt sich Michael durch seine Taten zusehends selbst aus. Seine Ehe kommt dabei an einen Punkt, von dem es kein Zurück mehr gibt und was noch erschreckender ist, als seine unnachgiebige Härte in seinen Entscheidungen, ist seine Emotions- und Herzlosigkeit. War Vito am Ende in einem Gemüsegarten von seinen Liebsten umgeben, gekleidet in warme Farben, ist Michael am Ende von Der Pate 2 ganz allein. Vom Glanz seiner Verdienste als Kriegsheld, seines erfolgreichen Studiums oder sogar seiner Aufopferung für seine Familie, als er sich entschloss, den Anschlag auf seinen Vater zu rächen, ist nichts mehr übrig. Er wird in der Tat zum Bösewicht seiner eigenen Geschichte.

Inszeniert ist das wie zuvor auf eine ebenso dokumentarische wie bedächtige Art und Weise. In beobachtender Manier zeichnet Regisseur Francis Ford Coppola den Aufstieg von Vito Corleone nach und erschafft dabei eine Nachbarschaft im frühen 20. Jahrhundert, die geradezu greifbar authentisch erscheint. Auch dadurch, dass er in Michaels Zeitlinie die historischen Geschehnisse in Kuba oder die mit anderen Mitgliedern des organisierten Verbrechens erfolgten offiziellen Befragungen verwebt. In der Unnachgiebigkeit der Bilder, die in ihrer Intensität der beteiligten Besetzung viel abverlangen, ist das meisterhaft, so dass man sich wie bei der Konfrontation zwischen Michael und Kay als unerbetener Gast im Raum fühlt. Die Atmosphäre bleibt bestechend und die Charakterzeichnungen so schneidend wie unerbittlich. Doch ergibt all dies nur in Verbindung mit und im Wissen von Der Pate einen Sinn. Der Pate 2 ist Teil dieser großen Erzählung, die man nicht für sich sehen kann.


Fazit:
Beschäftigte sich der erste Film damit, wie Michael Corleone zu Beginn zögerlich und ungewollt in die Rolle des Paten schlüpfte, schildern Francis Ford Coppola und Drehbuchautor Mario Puzo hier in geradezu akribischer Manier seinen Abstieg zu einem von jeder Moral freien Verbrecher, während gleichzeitig nacherzählt wird, wie sein Vater sich einst jenen Ruf erarbeitete, den Michael erbte, ohne ihn jedoch zu verinnerlichen. Unmittelbar aus Michaels Perspektive erlebt das Publikum dessen Selbstzweifel und seinen moralischen Verfall mit, rätselt mit ihm, wenn er versucht zu entschlüsseln, wer sich gegen ihn verschworen hat. Sich stets weiter zu isolieren, ist seine Abwehrhaltung und die Beobachtungen, die der Filmemacher hier entdeckt, sind so treffend wie erschreckend. Dabei steht die emotionale Kälte dieser Figuren in krassem Gegensatz zu den warmen Farben der fabelhaften Inszenierung. Der Pate 2 als Film isoliert zu betrachten, greift im Grunde zu kurz, denn die Geschichte wird erst durch diejenige des ersten Films vollständig. Als alleinstehendes Drama ist dies herausragend gespielt und eindrucksvoll sowie geduldig eingefangen. Gerade die Rückblicke in Vito Corleones Werdegang sind für Michaels persönliche Entwicklung jedoch nicht notwendig, sondern dienen lediglich einer künstlerischen Verdeutlichung der Gegensätzlichkeit. Das ist zu respektieren, es macht die Geschichte aber auch spürbar länger. Als Gesamtwerk bereichert und ergänzt Coppola damit allerdings seinen Genre prägenden Meilenstein und macht ihn erst wirklich vollständig. Klasse!