Der Mann, der niemals lebte [2008]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 22. April 2009
Genre: Thriller / DramaOriginaltitel: Body of Lies
Laufzeit: 128 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2008
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Ridley Scott
Musik: Marc Streitenfeld
Darsteller: Leonardo DiCaprio, Russell Crowe, Mark Strong, Golshifteh Farahani, Oscar Isaac, Ali Suliman, Alon Abutbul, Vince Colosimo, Simon McBurney, Mehdi Nebbou, Michael Gaston, Kais Nashif
Kurzinhalt:
Als verdeckt ermittelnder CIA-Agent ist Roger Ferris (Leonardo DiCaprio) in Jordanien auf der Suche nach Terrorzellen und kommt zufällig an Hinweise, die auf einen neuen Anführer einer terroristischen Gruppe deuten. Al-Saleem (Alon Abutbul) ist dabei verantwortlich für Bombenanschläge in Europa und kündigt an, seine Angriffe auszuweiten. Ferris Vorgesetzter Ed Hoffman (Russell Crowe), der von den USA aus nicht nur Ferris befehligt, sondern einige andere Teams in der Gegend organisiert, behindert dabei Ferris Ermittlungen ebenso sehr, wie er sie fördert.
So lässt sich Roger Ferris auf eine Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst Jordaniens ein, geleitet von Hani Salaam (Mark Strong), der mit gänzlich anderen Methoden an die Hintermänner von Al-Saleems Organisation herankommen möchte. Doch bei dem Zusammenprall der verschiedenen Kulturen bleibt immer die Frage offen, inwieweit Ferris Hani Salaam trauen kann.
Als Ferris zudem eine Beziehung zur Krankenschwester Aisha (Golshifteh Farahani) beginnt, verwischen nicht nur die Grenzen seiner Zugehörigkeit, sondern er bringt sich selbst und Aisha in Gefahr ...
Kritik:
Im Agentengeschäft gibt es an sich nur sehr smarte Menschen. Anders kann man in einer solchen Welt auch kaum bestehen. Auch in Der Mann, der niemals lebte gibt es nur intelligente Figuren. Manche mehr, manche weniger. Doch wundert man sich, weswegen gerade so Vernunft begabte Menschen in der auf einer Romanvorlage basierenden Story so dumme Entscheidungen treffen. Beispielsweise die Entscheidung von Ed Hoffman, den Instinkten und Erfahrungen seines Mannes vor Ort zu misstrauen und durch seine unüberlegten Entscheidungen eine ganze Operation zu gefährden. Oder aber Roger Ferris, der sich als westlicher Geheimagent im Nahen Osten eine Romanze mit einer dort lebenden Arzthelferin anstrebt. Dass eine solche Beziehung, die bereits in den USA für Aufsehen sorgen würde, im Heimatland Aishas Missgunst und Verachtung hervorruft, vor allem aber Roger und Aisha ins Fadenkreuz von Fundamentalisten drängt, ist abzusehen. Dass sich ein CIA-Agent im Außeneinsatz einer solchen Gefahr aussetzen sollte (und Aisha ja genauso) ist nicht nur kaum vorstellbar, sondern auch unnötig. Für notwendig erachteten es wohl das Studio und Drehbuchautor William Monahan, der die Romanvorlage unter anderem um eben diese Liebesbeziehung erweitert hat. Nur nimmt er damit der Geschichte eine Glaubwürdigkeit, die sie auf Grund der realistischen Umgebung und der ebenso natürlich wirkenden Dialoge an sich besitzen würde.
Monahan gelingt es in der Drehbuchvorlage zu Body of Lies (so der passendere Originaltitel) grundsätzlich sehr gut, ein authentisches Ambiente zu erzeugen. Insbesondere, wenn man die unterschiedlichen Zusammenhänge hinter den Anschlägen und den Entscheidungen der Protagonisten vorgestellt bekommt. Auch wenn Roger Pläne schmiedet, um Al-Saleem in eine Falle zu locken, muss man als Zuseher mitdenken, um nicht zurück zu bleiben. Dabei die verschiedenen Arbeitsmethoden zu beobachten, mit denen die CIA oder aber die Organisation um Hani Salaam (erstklassig verkörpert durch Mark Strong) an die notwendigen Informationen herankommen wollen, ist mehr als aufschlussreich und angesichts der jüngsten Nachrichten um Foltermethoden der CIA-Agenten nicht einmal abwegig.
Dass dort ansässige Geheimdienste sicherlich effektiver und auch zielgerichteter arbeiten können als ein von außen hinzugekommener, wird am Beispiel von Ed Hoffman vorgestellt. Der von Russell Crowe treffend und grundsätzlich unsympathisch gespielte Abteilungsleiter versucht mit übereilten, grobschlächtigen Taktiken weitaus feinere und weiter entwickelte Methoden zu überrollen, nur um sich dabei eine blutige Nase zu holen. Doch auch er geht nicht unvorbereitet an solche Konfrontationen heran oder entblößt sich als inkompetent. Ähnlich wie Roger Ferris, der als Vermittler zwischen West und Nahost fungiert und die Vorzüge beider Welten zu vereinen sucht. Hier leistet Leonardo DiCaprio einmal mehr exzellente Arbeit, wenn es darum geht, einem überaus schwierigen Charakter Leben einzuhauchen.
Was einzig zu wünschen übrig lässt ist die Tatsache, dass man mit Ferris nicht wirklich mitfühlt. Bis zum letzten Drittel trifft er alle Entscheidungen nur für sich selbst. Eine solch egoistische Vorgehensweise ist dabei sicherlich realistisch und auch notwendig, wenn man in einem solchen Tätigkeitsgebiet überleben will, doch macht es seine Figur unnahbar. Interessanterweise finden sich auf der Heimvideoveröffentlichung zusätzliche Szenen, die Regisseur Ridley Scott herausnehmen ließ. Zweifelsohne wären sie nicht zwingend für die Geschichte notwendig gewesen, doch hätten sie gerade Ferris wahre Natur unterstrichen und ihn so für den Zuschauer verständlicher gemacht.
Handwerklich tadellos umgesetzt, überzeugt Regisseur Scott durch eine authentische Optik, die den Zuschauer zwar ins Geschehen hinein versetzt, ihn aber nicht überfordert. Weswegen es ihm gelingt, seine Filme in ein weitaus stimmigeres und weniger fahriges Bild zu kleiden, als sein Bruder Tony Scott, wird wohl ein Rätsel bleiben. Doch fehlt in Der Mann, der niemals lebte allen Actionmomenten das jeweilige Quäntchen Etwas, um sie von dem abzuheben, was man in den letzten Jahren im selben Genre zu sehen bekam. Die Produktion wirkt wie ein Mix aus dem dicht erzählten und komplex verwobenen, dabei aber sehr kompromisslosen Syriana [2005] und dem kommerzieller ausgelegten, aber dennoch atmosphärischen und temporeichen Actionthriller Operation: Kingdom [2007], dessen packende Höhepunkte aber allesamt mehr mitreißen, als in Body of Lies.
Ergänzt durch erstklassige Nebendarsteller wie Golshifteh Farahani, Oscar Isaac, Ali Suliman oder Kais Nashif fesseln manche Stellen durch deren gute Leistungen. Inszeniert ist der Genrethriller insgesamt makellos, dabei aber ohne Höhepunkte, die ihn von anderen Titeln unterscheiden. Wer mit dieser Erwartung an den viel versprechenden Film herangeht, wird auch nicht enttäuscht.
Fazit:
Wenn sich Leonardo DiCaprio und Russell Crowe die Dialoge zuspielen, kann an sich nichts mehr schief gehen. Und so bleibt Der Mann, der niemals lebte ein sehr gut gespielter, moderner Thriller, der trotz der richtigen Absichten nicht all das bewerkstelligt, was er erreichen möchte. Weder durchweg spannend, noch in seinen Aussagen bissig und endgültig genug, wünscht man sich vom Drehbuch eine größere Entschlussfreudigkeit, anstatt dass viele Charaktere nur mit einem blauen Auge davon kommen. Regisseur Ridley Scott erzählt dabei eine Geschichte, die durch einen hohen Realismus überzeugt, aber auf Grund der Charakterzeichnungen erst im letzten Drittel wirklich fesselt.
Angesichts der Beteiligten und auch der Erwartungen an den thematisch sehr aktuellen Thriller, ist das dennoch ein wenig enttäuschend.