Der Mandant [2011]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 17. Februar 2012
Genre: Thriller

Originaltitel: The Lincoln Lawyer
Laufzeit: 118 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2009
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Brad Furman
Musik: Cliff Martinez
Darsteller: Matthew McConaughey, Marisa Tomei, Ryan Phillippe, William H. Macy, Josh Lucas, John Leguizamo, Michael Peña, Bob Gunton, Frances Fisher, Bryan Cranston, Trace Adkins, Laurence Mason, Margarita Levieva, Pell James, Shea Whigham, Katherine Moennig, Michael Paré, Michaela Conlin


Kurzinhalt:
Strafverteidiger Mick Haller (Matthew McConaughey) leitet seine Geschäfte aus seinem Lincoln heraus. Er ist immer unterwegs, von einem Gerichtstermin zum nächsten, oder von einem Mandanten zum anderen. Als er auf den Sohn einer wohlhabenden Familie aufmerksam gemacht wird, wittert er die Möglichkeit, ein großes Geschäft zu machen. Louis Roulet (Ryan Phillippe) soll dabei die junge Frau Reggie Campo (Margarita Levieva) brutal zusammen geschlagen haben. Er beteuert seine Unschuld und behauptet, sie wolle nur an das Geld seiner Familie heran. Über seinen Ermittler Frank Levin (William H. Macy) kann Haller zwar eher Roulets Geschichte bestätigen, doch letzte Zweifel bleiben.
Auch Staatsanwältin Maggie McPherson (Marisa Tomei), mit der Haller eine gemeinsame Vergangenheit hat, äußert Bedenken wegen Roulet und ihr Kollege Ted Minton (Josh Lucas) hat bis zum letzten Moment Beweise zurückgehalten, die Hallers Verteidigung gefährden könnten. Doch dann entdeckt Haller eine Verbindung zu seinem zurückliegenden Fall mit Jesus Martinez (Michael Peña) und als er endlich die Zusammenhänge erkennt, befindet er sich bereits in einer Zwickmühle, aus der es kein Entkommen gibt ...


Kritik:
Bei Gerichtsfilmen dieser Art erfahren wir in aller Regel viel mehr über den Anwalt, als über den Mandanten. Im Falle von Der Mandant erscheint der Anwalt der Verteidigung, Mick Haller, mehr wie ein erfolgreicher Geschäftsmann, als wie jemand, der das Recht vertritt. Er "operiert" aus seinem Lincoln heraus, der zusammen mit der Musik, den Blickwinkeln und dem grundsätzlichen Flair des Films wie ein Relikt der 1970er Jahre erscheint. Sein Fahrer Earl bringt ihn dorthin, wo er eben hin muss. Zu Klienten, zu Gericht, nach Hause. Mitunter verhandelt er mit seinen Mandanten oder deren Angehörigen sogar auf offener Straße, und wenn wir Haller beobachten, wie er mit kleinen Tricks seine neuen Klienten um den Finger wickelt, und mit welcher Leichtigkeit über Geld, Gefängnisstrafen oder Glaubwürdigkeit von Zeugen entschieden wird, dann haben wir durchaus das Gefühl, dass Geld Hallers größte Motivation ist. Es geht ihm nicht darum, einen Unschuldigen zu vertreten, sein Ermittler Frank scheint sogar regelrecht schockiert, als Mick durchblitzen lässt, sein neuer Mandant könnte die Wahrheit sagen. Er nutzt die Möglichkeiten des Rechtssystems, um zuerst seinen größtmöglichen Profit und dann das Beste für seinen Klienten zu erreichen. Insofern passt die überhebliche, kaltschnäuzige Art, die Matthew McConaughey in Haller legt, sehr gut zu einer Figur, die wir gern an unserer Seite wüssten, säßen wir einmal auf der Anklagebank, mit der wir uns aber im Privaten jedoch nie treffen wollten.

Haller versteht sein Handwerk, das sogar so gut, dass er der Meinung ist, ihm könnte nichts entgehen. Als er von einem Fall hört, bei dem eine sehr wohlhabende Familie involviert ist, willigt er ein. Doch was sich tatsächlich zwischen Louis Roulet und Reggie Campo abgespielt hat, wird verworrener, je länger er den Fall betrachtet. Während Roulet eine plausible Geschichte erzählt, bei der er das Opfer einer auf Schadenersatz spekulierenden Prostituierten ist, weist die brutal verprügelte Frau Verletzungen auf, die sie sich unmöglich selbst zugebracht haben kann. Und irgendetwas scheint an Roulets Erzählung nicht zu stimmen. Der Mandant nimmt sich erstaunlich viel Zeit, seine Figuren vorzubringen, stellt uns mit Maggie McPherson eine ehemalige Frau oder Geliebte Hallers vor, mit der er sogar ein gemeinsames Kind hat. Wir erfahren etwas über eine Reihe von Polizisten, die an den Fällen beteiligt sind auch etwas über Roulets Familienanwalt Cecil Dobbs und Louis' Mutter. Dieses wahre Netz an Personen stammt womöglich aus der Romanvorlage von Autor Michael Connelly, das dem Film jedoch eine Authentizität verleiht, die durch die Schwüle der Szenen noch verstärkt wird. Dabei bleibt die Geschichte, haben sich die ersten Überraschungen entfaltet, für Genrekenner durchaus absehbar, aber nichtsdestoweniger unterhaltsam und dank der durchweg gut gelaunten Darstellerriege interessant umgesetzt. Man ahnt bei bestimmten Wendungen, dass sie kommen werden, nur wie sie eingebracht sind, verleiht dem Film mitunter eine ungewohnte Richtung.

Bestimmte Überlegungen stößt Der Mandant an, ohne dem Publikum genau zu erklären, wie manche Dinge zusammenhängen. Das erfordert durchaus Aufmerksamkeit, die hier aber nicht mit übertriebenen Actionszenen belohnt wird, sondern damit, dass wir mitansehen dürfen, wie sich Haller aus einer Zwickmühle zu befreien versucht, bei der er nur verlieren kann. Dies erzeugt in der Mitte und der zweiten Filmhälfte eine Dynamik, die zwar nicht nervenzerreißend spannend gerät, uns aber interessiert. Mitunter gerade, weil der Film nicht versucht, die Charaktere bis ins Detail zu erklären, sondern sie uns einfach vorstellt. Weswegen sie so sind ist weniger packend als wie sie sind. Dabei geht Regisseur Brad Furman nicht so weit, seinen Film zu einer Charakterstudie werden zu lassen. Ihm geht es darum, einen unterhaltsamen Thriller zu erzählen. Dank einer Geschichte, die zwar viele Nebenrouten nimmt, aber keine Szene zu viel zeigt, einer Besetzung, welche die Figuren glaubhaft zum Leben erweckt und einer Optik, die spielerisch moderne und klassische Elemente vereint, gelingt ihm das erstaunlich gut. Zumindest deutlich besser, als man erwartet hätte.


Fazit:
In vielen Filmen geht es darum, welche Wandlung die Personen durchmachen, wie sie von einem Ereignis, das ihre Überzeugungen erschüttert, geläutert werden und am Ende ein besserer Mensch sind, als zu Beginn. In Der Mandant hat man das Gefühl bei niemandem. Zwar haben die Erlebnisse die Figuren verändert, doch wenn wir sie das letzte Mal sehen, sind eigentlich alle auf dem gleichen Stand wie zu Anfang. Und das ist kein Kritikpunkt. The Lincoln Lawyer, so der treffende Originaltitel, versucht nicht, das Publikum mit dem erhobenen, moralischen Zeigefinger zu erziehen, sondern es zeigt lediglich eine Reihe von Charakteren, wie sie sich verhalten, ihre Schlüsse aus ihren Erfahrungen ziehen und vielleicht einen kleinen, unauffälligen Schritt am Ende tun – eine Neuerfindung gibt es glücklicherweise nicht.
Stattdessen entfaltet die Geschichte langsam ein Verwirrspiel um die Wahrheit, die man zwar erahnen kann, deren Zusammenhänge aber durchdacht erscheinen und den Anwalt Haller in eine Lage bringen, aus der es juristisch keinen vernünftigen Ausweg mehr gibt. Wenn der Thriller die Schlinge schließlich zuzieht, steigt auch das Tempo. Nicht zuletzt dank der stilsicheren, schnörkellosen Umsetzung und einer namhaften, gut gelaunten Darstellerriege platziert sich Der Mandant deutlich besser, als das erste Drittel erahnen lässt.