Der Gigant aus dem All [1999]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 26. Februar 2017
Genre: Animation / Science FictionOriginaltitel: The Iron Giant
Laufzeit: 86 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1999
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren
Regie: Brad Bird
Musik: Michael Kamen
Stimmen: Eli Marienthal (Till Völger), Jennifer Aniston (Nadja Reichardt), Harry Connick Jr. (Johannes Berenz), Vin Diesel (Jürgen Kluckert), Christopher McDonald (Bodo Wolf), John Mahoney (Hans-Werner Bussinger), James Gammon (Andreas Rüdiger), Cloris Leachman, M. Emmet Walsh (Klaus Jepsen)
Kurzinhalt:
Der neunjährige Hogarth Hughes (Eli Marienthal / Till Völger) lebt im Jahr 1957 mit seiner Mutter Annie (Jennifer Aniston / Nadja Reichardt) in der US-Küstenstadt Rockwell. Die Angst vor einem atomaren Erstschlag durch die Sowjetunion ist so groß wie nie zuvor, mit dem kürzlich gestarteten Sputnik I in der Erdumlaufbahn. Da entdeckt Hogarth im Wald hinter dem Haus eines Abends einen riesigen Roboter aus Metall (Vin Diesel / Jürgen Kluckert). Hogarth beginnt, sich mit dem Riesen zu verständigen. Während Bundesagent Mansley (Christopher McDonald / Bodo Wolf) fieberhaft auf der Suche nach dem auch von anderen Bewohnern berichteten Metallriesen ist, versteckt ihn Hogarth und hofft auf die Hilfe des Schrotthändlers Dean (Harry Connick Jr. / Johannes Berenz), da der Riese Metall als Nahrung benötigt. Doch lange lässt sich der Roboter nicht verbergen und die Frage ist, ob die Menschen ihn als Bedrohung sehen, oder als das, was Hogarth in ihm sieht – einen Freund ...
Kritik:
Bereits von der ersten Minute an unterscheidet sich Der Gigant aus dem All von den allermeisten anderen Zeichentrickfilmen jener Zeit. Auch wenn das Science Fiction-Abenteuer eine kindgerechte Geschichte erzählt, Regisseur Brad Bird tut dies ohne die erwarteten Humor- oder Gesangseinlagen und mit genügend Mut zu einem düsteren Unterton, der sowohl die Zeit, in der er spielt, auf den Punkt bringt, als auch die universelle Botschaft. Die ist heute so wichtig wie damals, wenn nicht sogar noch mehr.
Angesiedelt im Jahr 1957 in einem kleinen Küstenort im US-Bundesstaat Maine, entdeckt der junge Hogarth im Wald einen riesigen Roboter, mit dem er sich anfreundet. Während er in dem Metallriesen einen Superhelden sieht, bemerkt Hogarth, dass der Bundesagent Kent Mansley, der nach einem Bericht in dem kleinen Ort eingetroffen ist, auf der Suche nach einem Feindbild ist. Mit dem Sputnik als erstem von Menschen geschaffenen Himmelskörper in der Erdumlaufbahn, ist die Furcht vor einer fremden Übermacht so groß, dass der Nährboden für Angst und Hass größer ist, als für Neugier und Hoffnung.
Dass Hogarth mit dem Riesen spricht, als wäre dieser ein Kind – er hat nach der Ankunft sein Gedächtnis verloren – erlaubt der Geschichte, bedeutende Aussagen in möglichst einfacher Form zu transportieren. Wenn der Junge dem haushohen Roboter sagt, "Waffen töten", dann klingt es im ersten Moment, als würde ein Baum einem Gewittersturm sagen, dass er nicht so aufbrausen soll. Doch die Botschaft kommt beim Riesen an und nur, weil Mansley und das Militär, das dieser später in den Ort holt, davon überzeugt sind, der Riese sei gefährlich, muss dieser es noch lange nicht sein.
Der Gigant aus dem All erzählt davon, wie Hogarth mit dem Wesen aus einer fremden Welt Freundschaft schließt, sie gemeinsame Werte finden trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft. Diese Story darüber hinaus in der Zeit des Kalten Krieges anzusiedeln, mit Lehrfilmen in der Schule über das Verhalten beim Einschlag einer Atombombe, verleiht ihr für die älteren Zuseher ein ganz anderes Gewicht. Das junge Publikum darf sich an der Freundschaft selbst erfreuen und den lustigen Momenten, die daraus entstehen, aber fernab betonter Situationskomik und auch ohne tierische Begleiter wie oft bei Disney-Produktionen auskommen.
Filmemacher Brad Bird, der hier seinen Regie-Einstand feiert, versieht die Animation nicht nur mit einer fantastischen Kombination aus klassischem Zeichentrick und computergenerierten Bildern, sondern mit so vielen Details am Rand, dass man mehrmals hinsehen muss, um wenigstens einige zu entdecken. Seien es die vielen Verweise auf die aus der Disneyland-Attraktion stammende Welt Tomorrowland, die er selbst als A World Beyond [2015] verfilmen würde, oder Kleinigkeiten wie die Jacke, die Hogarth trägt, als er sich nachts aus dem Haus schleicht und zum ersten Mal dem Riesen begegnet. Der Film selbst verliert hierüber kein Wort, doch die Fliegerjacke ist ihm ganz offensichtlich deutlich zu groß, als würde sie von seinem Vater stammen, über dessen Schicksal sich der Film von einem Bild auf Hogarths Nachtisch abgesehen ausschweigt.
Die offensichtlichen Parallelen des Films zu Klassikern wie Der Tag, an dem die Erde stillstand [1951], E.T. - Der Außerirdische [1982] oder sogar den Comics, die hier gezeigt werden, fügen sich in eine reiche Hintergrundgeschichte ein, die Der Gigant aus dem All öfter nur andeutet, als sie auszusprechen. So bleibt der Film mit 86 Minuten zwar kurz, hinterlässt aber das Gefühl, dass in den Figuren mehr Potential schlummert, als Brad Bird freilegt. Die Geschichte verläuft ungeachtet der tollen Botschaft in so bekannten Bahnen, dass keine wirkliche Überraschung auf das Publikum wartet und wäre es nicht um die fantastische Musik von Michael Kamen, würden auch manch traurige Momente nicht so nahegehen, wie sie es tun.
Fazit:
Welche Kritikpunkte man hier auch immer anbringen will, sie verblassen angesichts dessen, was Regisseur Brad Bird in seinem ersten abendfüllenden Spielfilm gelingt. Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges erzählt er eine ungewöhnliche und ebenso herzliche Geschichte um Toleranz, Selbstbestimmung und Freundschaft, die man politisch deuten kann, aber nicht muss. Ohne die üblichen Versatzstücke, die Trickfilme der anderen Studios für gewöhnlich begleiten, ist es hier, als würde man einen normalen Spielfilm als Zeichentrick zum Leben erweckt sehen. Das ist nicht nur hinsichtlich der Aussage, sondern auch in künstlerischer Hinsicht mehr als gelungen, so dass sich Der Gigant aus dem All für ein jüngeres wie älteres Publikum gleichermaßen eignet. Ein schöner Film, mit einem bezaubernden Charme.