Der Einsatz [2003]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 04. August 2003
Genre: ThrillerOriginaltitel: The Recruit
Laufzeit: 115 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2003
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Roger Donaldson
Musik: Klaus Badelt
Darsteller: Al Pacino, Colin Farrell, Bridget Moynahan, Gabriel Macht, Mike Realba, Domenico Fiore
Kurzinhalt:
James Clayton (Colin Farrell) ist ein begabter MIT-Student, eines Tages wird er von Walter Burke (Al Pacino), einem Mitarbeiter der CIA rekrutiert. Nach anfänglichem Zögern begibt sich Clayton in das Auswahlverfahren des US-Geheimdienstes und wird aufgenommen. Es folgen lange Tests und eine knallharte Ausbildung auf der "Farm", einer Trainingseinrichtung der CIA.
Freundschaft schließt Clayton unter anderem mit der undurchschaubaren Layla Moore (Bridget Moynahan), doch nach einem psychologischen Test wird seine Ausbildung abgebrochen. Clayton steht vor dem Nichts – da offenbart ihm Burke, dass er als NOC ("Non-Official Cover") ausgesucht wurde, ein Undercoveragent, der nicht offiziell für die CIA arbeitet und auf sich allein gestellt ist.
Sein Auftrag ist es, mehr über Layla Moore herauszufinden – die angeblich für den Feind arbeitet ...
Kritik:
In den USA lief The Recruit, mit dem der Ire Colin Farrell nach zahlreichen kleineren Filmen richtig auf sich aufmerksam machte, bereits im Januar 2003 – hier zu Lande gibt es noch nicht einmal einen Starttermin. Woran das liegt, ist aber unverständlich. Nicht nur, dass The Recruit in den USA mit 50 Millionen Dollar Einspielergebnis recht erfolgreich war (obgleich das Studio keine Angaben zu den Produktionskosten macht), auch die Kritiker zeigten sich dem Film nicht völlig abgeneigt, obwohl die Meinung der Kinobesucher durchwachsen war.
Letzteres kann man ansich nur auf das Drehbuch schieben, denn handwerklich gibt es an Roger Donaldsons Film ebensowenig etwas auszusetzen, wie an den darstellerischen Leistungen.
Das Skript dagegen ist ein zäher Brocken und wirkt fehlkonzeptioniert. Zwar ist es durchaus interessant, die Rekrutierungs- und Ausbildungsmethoden der CIA einmal im Detail zu sehen. Doch während den Zuschauer die Übungen zu Anfang noch interessieren, verliert der Film im Mittelteil schnell an Tempo und zieht sich hin, bis schließlich eine neue Story aufgenommen wird: Claytons erster Einsatz.
Dieser Einsatz scheint mit dem Beginn des Films aber nicht wirklich verbunden zu sein, weshalb man sich als Zuschauer fragt, wofür die gesamte Stunde an Exposition überhaupt notwendig war. Es dauert eine Zeit, bis der Zuschauer versteht, dass die Ausbildung der jungen Rekruten kein Vorspiel zur eigentlichen Haupthandlung ist, sondern vielmehr schon die Hauptstory ansich!
Genau das ist allerdings der Hauptunterschied zwischen The Recruit und dem ähnlich gelagerten Spy Game [2001], in dem Robert Redford sein Training mit dem jungen Brad Pitt Revue passieren lässt, all das aber in eine größere Story mit eingebettet ist. Dadurch entwickelt sich in Spy Game eine gewisse Eigendynamik, die The Recruit schlicht fehlt.
Beinahe wieder wett gemacht wird das aber durch die interessante Story, die zum Schluss hin im Schnelldurchlauf abgehandelt wird, für deren richtiges Verständnis man aber die eine oder andere Kenntnis auf dem Bereich der Computersoftware benötigt. Wer sich hier nicht wenigstens mit den Grundlagen auseinander gesetzt hat, wird aus dem Techno-Gerede nicht schlau werden und die Gefahr, um die es geht, nicht verstehen können.
Das Finale ist dann mit zahlreichen Überraschungen und Wendungen gespickt, die Spaß machen und auch nicht unbedingt vorhersehbar sind.
Dem gegenüber hat man beim klischeehaften Bösewicht den Eindruck, als wäre er dem "Universal-Drehbuch für ideenlose Autoren" entnommen, und dieser Twist im Film selbst völlig überflüssig.
Man kann nicht sagen, dass das Drehbuch von den Autoren nicht ausgenutzt wurde, sie haben offensichtlich versucht, die Ausbildung und den ersten Auftrag geschickt miteinander zu kombinieren; aber insbesondere die Ausgangslage der Geschichte mit dem immens langen Anlauf war einfach nicht genügend durchdacht.
Wäre The Recruit der erste Teil einer Filmreihe um den Charakter James Clayton, könnte man das Ganze als seine Geburtsstunde betrachten und den Film als Vorgeschichte akzeptieren, doch als alleinstehendes Werk ist The Recruit mit einem Wort unwichtig.
Die Riege der Darsteller kann sich sehen lassen, Colin Farrell befindet sich nach zahlreichen Nebenrollen (zuletzt in Minority Report [2002]) und einigen Hauptrollen wie in Nicht auflegen! [2002] eindeutig auf dem aufsteigenden Ast und zählt zu Hollywoods Jung-Elite. Mit Al Pacino konnte man sogar eine wahre Schauspiellegende verpflichten.
Farrell ist es dann auch, der den Film trägt und seinen Charakter dem Zuschauer näher bringt. Er wirkt nicht wie der unnahbare Super-Geheimagent, dem nichts etwas anhaben kann. Er ist unsicher und stellenweise auch verängstigt. Darstellerisch gibt sich Farrell sichtlich Mühe und überzeugt in beinahe allen Szenen. Lediglich in einigen Einstellungen wirkt seine Mimik etwas unentschlossen, was aber nicht weiter ins Gewicht fällt.
Altmeister Al Pacino scheint zu Beginn des Films mehr Interesse an seiner Rolle gehabt zu haben, als am Ende. Als Ausbilder gefällt er zwar durch seine leicht arrogante Überlegenheit, spürbaren Elan oder das für ihn bekannte innere Feuer sucht man allerdings leider vergebens.
Für Bridget Moynahan war dieser Film nach ihrer Mini-Rolle in Der Anschlag [2002] der nächste Film, und glücklicherweise darf sie deutlich mehr Zeit vor der Kamera verbringen, als zuvor. In ihre Rolle passt sie maßgeschneidert hinein, die starke CIA-Agentin nimmt man ihr ebenso ab, wie die verletzliche junge Frau – übermäßig gefordert ist sie in ihrer Rolle aber auch nicht.
Auch am restlichen Cast gibt es nichts zu nörgeln, doch den Darstellern wären eindeutig bessere Leistungen zu entlocken gewesen, hätte ihnen das Drehbuch etwas mehr zu spielen gegeben.
Keine Blöße gibt sich Regisseur Roger Donaldson, der bereits mit Dante's Peak [1997] und Thirteen Days [2000] nicht nur unterhaltsames, sondern in letzterem Fall auch sehr intelligentes Kino zum Mitdenken geschaffen hat.
Handwerklich ließen seine bisherigen Filme keine Wünsche offen, The Recruit bildet diesbezüglich keine Ausnahme. Er verzichtet bewusst auf hektische Schnitte und präsentiert stattdessen eine ruhige, besonnene Inszenierung, die in den richtigen Situationen mit einer guten Portion Spannung aufwarten kann. Die tempo- und actionreichen Szenen sind sauber und solide umgesetzt, allerdings gibt es im Film davon deutlich zu wenig. Dennoch fing Donaldson The Recruit in makellosen Bildern ein, und gerade die Verfolgungsjagden wirken erfreulicherweise wie aus einem Guss – das bedeutet beispielweise, dass das Verfolgerauto an demselben Haus oder Baum oder Auto vorbei fährt, wie der verfolgte Wagen kurz zuvor), und das ist schon mehr, als man dieses Jahr sonst im Kino zu sehen bekam.
Seinen letzten Film Thirteen Days kann er zwar weder an Tempo, noch an Spannung übertreffen, das war aber auch gar nicht nötig.
Eine kleine aber angenehme Überraschung ist der musikalische Score von Klaus Badelt, der in Deutschland hauptsächlich für seine Musik für Werbespots und Ähnliches bekannt war und 1998 von Hans Zimmer nach Amerika geholt wurde.
Seither unterstützte er den Landsmann nicht nur bei dessen Arbeiten, sondern schrieb auch selbst die Musik zu Filmen wie K-19 - Showdown in der Tiefe [2002] und jüngst Fluch der Karibik [2003].
Für The Recruit griff er tief in die (elektronische) Trickkiste und präsentiert eine Melodie, die bisweilen an eine Mischung aus Graeme Revells [1998] und James Newton Howards Auf der Flucht [1993] erinnert, aber zu The Recruit bestens passt und sich durch den gesamten Film hindurch zieht. Rhythmisch und melodisch kommt der Score auch im Surround-Bereich sehr gut zur Geltung und unterstützt die Szenen des Films vielleicht besser, als es ein rein orchestraler Score getan hätte.
Insofern hat Badelt sehr gute Arbeit geleistet.
Wer sich für die CIA und ihre Rekrutierungsmethoden interessiert, sollte bei The Recruit gut aufpassen, dem Filmteam stand nämlich ein Mitarbeiter der Central Intelligence Agency zur Seite, der zum ersten Mal zugab, dass es Trainingseinrichtungen wie die Farm in Wirklichkeit überhaupt gibt und auch sonst bei dem technischen Hintergrund geholfen hat. Von daher ist das im Film gezeigt Verfahren durchaus realistisch geraten, obwohl die Rekruten beim Training in Wirklichkeit nicht gefoltert werden. Vielleicht ist es ja dem erhöhten Realismus vorzuwerfen, dass der Film in der Trainingsphase nicht mit einer interessanten Agentengeschichte aufwarten kann.
Leser des Autors Kurt Vonnegut Jr. werden in The Recruit überdies einige Bezüge zu dessen Büchern finden. So liest Clayton Schlachthaus 5 oder der Kinderkreuzzug, vom Frühstück für Helden ist einmal die Rede und Elemente aus Katzenwiege spielen ohnehin eine große Rolle im Film.
Wer sich die US-DVD aus der Videothek holt, sollte die auf der Disc befindlichen Deleted Scenes nicht verpassen, von denen ein paar eindeutig in den Film hätten übernommen werden sollen. In einer gelöschten Sequenz sagt Al Pacino gar etwas, auf das er beim Finale im endgültigen Film wieder Bezug nimmt, was zu einem besseren Verständnis beigetragen hätte.
Filmfans sollten sich im Übrigen nicht daran stören, dass der Film auf DVD nur im Bildverhältnis 1,78:1 gezeigt wird, während er in den Kinos in 2,35:1 gezeigt wird. Regisseur Rogar Donaldson passte das Bildformat für die DVD speziell an; es war von vorne herein sein bevorzugtes Bildformat gewesen, das er bei der Kino-Veröffentlichung aber nicht umsetzen konnte oder durfte.
Was nach knapp zwei Stunden bleibt, ist ein gut gespielter, makellos inszenierter und bisweilen tatsächlich spannender Film, der von Grund auf falsch angelegt war. Der Mittelteil mit der Ausbildung der Agenten zieht sich zu lange hin, bis man als Zuschauer feststellt, dass der Film schon zu zwei Dritteln vorbei ist.
Unterhaltsam ist der Film dennoch, wenngleich man bei diesem Regisseur und den Darstellern mehr erwartet hätte.
Zumal Robert Redford und Brad Pitt in Spy Game vor zwei Jahren das Thema mit einem interessanteren Schauplatz nicht nur deutlich unterhaltsamer, sondern auch temporeicher umgesetzt hatten.
Fazit:
Zugegeben, wenn man die Namen Al Pacino und Roger Donaldson hört, und dann noch Colin Farrell dazu nimmt, hätte man einen spannenderen Film erwartet, der schneller zum Punkt kommt.
Doch handwerklich gibt es nichts zu bemängeln, die Darsteller können überzeugen und angesichts der Kinoschlappen in diesem Jahr gibt es sowohl auf der Leinwand, als auch im Fernsehen deutlich schlechtere Filme zu sehen.
Würde es sich bei The Recruit um den Auftakt einer Film-Serie handeln, wäre eine Kinoempfehlung eher auszusprechen, als wenn man den Film für sich allein sieht. So erscheint er nicht viel mehr, als die unwichtigen Jugendabenteuer von Ethan Hunt aus Mission: Impossible, die einen vielleicht interessieren können, die man aber nicht unbedingt gesehen haben muss, um die nachfolgenden Filme genießen und verstehen zu können.