Deadpool & Wolverine [2024]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 24. Juli 2024
Genre: Komödie / Action

Originaltitel: Deadpool & Wolverine
Laufzeit: 127 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2024
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Shawn Levy
Musik: Rob Simonsen
Besetzung: Ryan Reynolds, Hugh Jackman, Matthew Macfadyen, Emma Corrin, Morena Baccarin, Rob Delaney, Leslie Uggams, Karan Soni, Brianna Hildebrand, Stefan Kapičić (Stimme), Shioli Kutsuna, Randal Reeder, Lewis Tan


Kurzinhalt:

Sechs Jahre sind vergangen, seit Wade Wilson (Ryan Reynolds), bekannt als Superheld Deadpool, sich entschied, mit Hilfe einer Zeitmaschine Ereignisse zu korrigieren, die für ihn einen unverwindbaren Verlust bedeutet hätten. Doch ist sein Leben seither nicht so verlaufen, wie er dachte. Sein Vorsprechen bei den Avengers war nicht erfolgreich und nachdem ihn seine Vanessa (Morena Baccarin) verlassen hat, hat Wade das rote Superheldenoutfit abgelegt. Bis ihn eines Tages eine Gruppe Agenten der „Time Variance Authority“ (TVA) zu Mr. Paradox (Matthew Macfadyen) bringt, dessen Aufgabe es ist, über das Multiversum zu wachen. Mr. Paradox eröffnet Wade, dass sein Universum dem Untergang geweiht ist, Wade jedoch in ein anderes wechseln kann, um dort den Avengers anzugehören. Selbst wenn damit sein größter Traum in Erfüllung gehen würde, entscheidet sich Wade, auf eigene Faust denjenigen Helden zu finden, der sein Universum und sämtliche Menschen darin, die Wade etwas bedeuten, retten kann: Wolverine (Hugh Jackman). Doch dafür muss Wade selbst in ein anderes Universum reisen. Der Wolverine, den Wade dort findet, ist ein gebrochener Mann und die Zeit zur Rettung von Wades Welt denkbar knapp …


Kritik:
Deadpool & Wolverine ist mit Leichtigkeit der beste der drei bisherigen Filme um den fluchenden, sich selbst und das filmische Universum, in dem er spielt, ständig referenzierenden Titelhelden. Dass dem so ist, liegt aber nicht nur daran, dass Filmemacher Shawn Levy einen der bestgemachten Actionfilme des aktuellen Kinojahres auf die Leinwand bringt, sondern weil dem auf wenige Aspekte reduzierten Deadpool mit Wolverine eine Figur an die Seite gestellt wird, mit der man tatsächlich mitfiebert.

Dass die Bedenken derjenigen groß sind, die die persönliche Reise des mit Selbstheilungskräften und einem unzerstörbaren Skelett versehenen Wolverine in James Mangolds Logan: The Wolverine [2017] an einem perfekten Abschluss angekommen sahen, erkennen die Verantwortlichen bereits zu Beginn selbst an. Ihre Antwort darauf, ob mit dem Vermächtnis Logans respektvoll umgegangen wird, könnte jedoch bereits vor dem Vorspann kaum deutlicher ausfallen. Es soll genügen zu sagen, dass die Geschehnisse von Logan nicht aufgehoben werden, aber Zartbesaitete, die sich darüber hinaus an Leichenfledderei stören, nicht nur den Beginn besser überspringen sollten. Dabei ist Deadpool & Wolverine im Kern auf etwas anderes aus und spielt, ausgehend vom zeitlich innerhalb der Geschichte verorteten Prolog, nach einem Rückblick zu den Ereignissen am Ende von Deadpool 2 [2018] im Jahr 2024 auf Erde-10005. In diesem Universum sind unter anderem die X-Men beheimatet, nicht aber die bzw. sämtliche Geschehnisse des restlichen Marvel Cinematic Universe (MCU) passiert. Wie jedoch die Ereignisse von Logan geschehen sein können, der im Jahr 2029 spielt, verstehe wer will, aber das wird Fans des die vierte Wand durchbrechenden Deadpool kaum stören.

Jedenfalls hat der gleichermaßen unsterbliche und mit Selbstheilungskräften versehene Wade Wilson alias Deadpool das Superheldendasein inzwischen aufgegeben und verdient seinen Lebensunterhalt als Autoverkäufer, nachdem ein Vorsprechen bei Happy Hogan, um Teil der „Avengers“ zu werden, nicht von Erfolg gekrönt war. Zwar konnte Wade Vieles von dem ungeschehen machen, was in Deadpool 2 passiert war, doch die Liebe seines Lebens, Vanessa, hat er trotzdem verloren. Nichtsahnend wird Wade von Agenten der „Time Variance Authority“ (TVA) unter der Leitung von Mr. Paradox eingesammelt, deren Ziel es ist, die sogenannte „Heilige Zeitlinie“ (die des tatsächlichen MCU) zu beschützen und den Verlauf anderer Universen im Multiversum zu beobachten. Laut der TVA ist das Universum von Erde-10005 dem Untergang geweiht, ein Prozess, den Mr. Paradox beschleunigen will. Wade wird die Möglichkeit gegeben, in die Heilige Zeitlinie zu wechseln und dort den Avengers anzugehören, was er sich sehnlichst wünscht. In dem Wissen, dass sein Universum ohne seine Hilfe in nur drei Tagen aufhören wird, zu existieren, entscheidet er sich jedoch, stattdessen den Kampf mit der TVA aufzunehmen und die eine Person zu finden, die sein Universum retten kann – Wolverine. Doch der Logan, den Wade in einem anderen Universum findet, hat mit eigenen Dämonen zu kämpfen und als sie gemeinsam von der TVA in die „Leere“ verbannt werden, einem Ort abseits von Raum und Zeit, finden sie dort alte wie neue Feinde … und Verbündete.

Die Geschichte von Deadpool & Wolverine klingt überraschend komplex und greift dabei nicht nur auf die Ereignisse der bisherigen Deadpool-Filme zurück, sondern auch in Teilen auf das inzwischen beinahe drei Dutzend Filme umfassende MCU, mehr als 25 Jahre zurückgehende Marvel-Verfilmungen außerhalb des MCU sowie Filme um Marvel-Figuren, die gar nie existiert haben, aber lange Zeit in der Gerüchteküche brodelten. Kurzum, für Fans dieses schier unerschöpflichen Comic-Franchise ist Shawn Levys Superheldenabenteuer ein Fest, das so viele Verweise und Referenzen enthält, dass man darüber beinahe eine Doktorarbeit verfassen könnte. Da gerät beinahe in Vergessenheit, dass das erste Aufeinandertreffen der beiden Titelhelden zwar bereits 15 Jahre zurückliegt (X-Men Origins: Wolverine [2009]), in der Form jedoch nicht nur von einem Großteil des Publikums, sondern auch von Ryan Reynolds lange herbeigesehnt war.

Das Publikum erhält hier genau das, was der Titel verheißt, denn selbst wenn Logan und Wade letztendlich zusammen gegen eine das gesamte Multiversum bedrohende Gefahr kämpfen, zuvor treffen die ungleichen Figuren mehrmals aufeinander und lassen buchstäblich die Fetzen fliegen. Das ist wie zuvor immens brutal und in einigen Momenten gewaltverherrlichend in Szene gesetzt, doch gelingt Regisseur Levy eine handwerkliche Finesse, die den bisherigen Filmen merklich fehlt. Doch so eingängig die vielen Actionmomente umgesetzt sind, sie täuschen nur bedingt darüber hinweg, dass darin – ebenso wie bei den Vorstellungen der vielen, vielen Gastauftritte aus vorigen Comic-Verfilmungen – nur wenig mit Substanz passiert. Auch die wasserfallartig dargebrachten Kommentare von Wade Wilson kaschieren lediglich inhaltlichen Leerlauf. Das ist nicht mehr oder weniger, als in den vorigen beiden Filmen, es fällt jedoch deshalb stärker auf, da dazwischen einige ernste, vor allem von Hugh Jackman fantastisch gespielte Szenen schlummern, in denen Deadpool & Wolverine ein Potential durchblitzen lässt, an dem die Verantwortlichen nur am Rande interessiert sind. Das ist trotz des Unterhaltungswerts durchaus schade.


Fazit:
Nicht nur, dass die vielen bewusst bissigen Kommentare von Deadpool über den Zustand des MCU und das bereits seit langem ausgelaugte Multiversum-Konzept den Nagel auf den Kopf treffen, zusammen mit dem Umstand, dass die Figur hier nun endgültig in jenes filmische Universum überführt wird, klingt es beinahe wie eine Entschuldigung der Verantwortlichen. Als hätten sie verstanden und geloben Besserung. Hier gibt es ebenso viel zu schmunzeln, wie mit den unzähligen Anspielungen bei den Figuren, den Querverweisen, bewusst enttarnten Klischees oder gar nur im Hintergrund platzierten Logos. Das ist stellenweise subtiler und hintersinniger, als zuvor, auch wenn die grafische Brutalität und der krude Verbalhumor ein Comeback feiern. Doch bietet Regisseur Shawn Levy mit Wolverines Schicksal endlich ein Element in Deadpools Filmen, das tatsächlich interessiert und bei dem mitzufiebern sich lohnt. Der Dialog zwischen Logan und Wade im Auto im Wald, kurz vor einer weiteren Kampfszene zwischen ihnen, ist der beste und entblätterndste des Films, bringt er doch beide Figuren auf den Punkt. Hugh Jackman fördert Facetten an Wolverine zum Vorschein, die differenzierter sind, als man sie bisher erleben durfte. So bekommen Fans der ersten beiden Filme die überzogene, gewaltverherrlichende Action mit überbordendem Humor, wie erwartet, während aber auch Fans des Comic-Franchise insgesamt bei Deadpool & Wolverine viel entdecken können. Nicht zuletzt erscheinen die B-Roll-Aufnahmen beim Abspann wie eine späte Würdigung selbst unbeliebter Einträge der Comic-Verfilmungen. Das ist so entwaffnend, wie die Selbstironie das MCU betreffend erfrischend.