Das Haus am See [2006]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 05. September 2006
Genre: Liebesfilm / Drama

Originaltitel: The Lake House
Laufzeit: 105 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2006
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung

Regie: Alejandro Agresti
Musik: Rachel Portman
Darsteller: Keanu Reeves, Sandra Bullock, Shohreh Aghdashloo, Christopher Plummer, Ebon Moss-Bachrach, Dylan Walsh, Brianna Hartig, Willeke van Ammelrooy, Lynn Collins


Kurzinhalt:
An sich hat die Ärztin Kate Forster (Sandra Bullock) gerade ihre Sachen gepackt, und ist beim Haus am See ausgezogen. Aber nach einem schweren Tag im Krankenhaus, zieht es sie zu dieser einsamen und verlassenen Zuflucht, wo ihr überraschenderweise ein vermeintlicher Nachmieter auf ihren Abschiedsbrief, den sie im Briefkasten hinterließ, geantwortet hat.
Doch Alex Wyler (Keanu Reeves) ist mehr als verwundert, von den Schäden, von denen Kate berichtet, kann er nichts finden, und weswegen sie sich bei der Unterschrift mit dem Jahr 2006 um zwei Jahre im Datum geirrt hat, kann er ebenfalls nicht verstehen. Er selbst lebt im Jahr 2004, und während die beiden ihre Brieffreundschaft fortsetzen, scheint, der Jahresunterschied keine Rolle mehr zu spielen – ganz im Gegenteil: Sie sind in der Lage, sich gegenseitig mehr zu öffnen, als den Menschen in ihrer Umgebung.
Aber als Kate und Alex ein Treffen in Kates Zeit vereinbaren, und Alex nicht erscheint, wird klar, dass in den zwei Jahren etwas geschehen sein muss und die Liebe, die zwischen beiden erwächst, keine Zukunft haben könnte ...


Kritik:
Dass das asiatische Kino in den letzten Jahren einen wirklich beeindruckenden internationalen Erfolg genoss, steht außer Frage, und ist zweifelsohne auch daran erkennbar, dass Hollywood darum bemüht ist, die erfolgreichsten Film in Eigenregie erneut aufzulegen. Das beweisen Remakes wie The Grudge – Der Fluch [2004] oder Darf ich bitten? [2004].
Auch Das Haus am See ist keine Eigenproduktion der Traumfabrik, sondern die Neuauflage eines sehr erfolgreichen koreanischen Films, Siworae [2000], international bekannt unter dem Titel Il Mare – wie auch das schicksalhafte Restaurant in der US-Version getauft wurde. Ein Vergleich zwischen Original und Remake ist dabei sicherlich nur denjenigen vorbehalten, die beide Versionen kennen, wer sich allerdings nur auf die US-Interpretation des Themas einlässt, wird mit einer ungewöhnlichen Prämisse konfrontiert, die vom Zuschauer schlichtweg verlangt, dass er sie akzeptiert, ehe sich eine sehr emotionale und sehr gut gespielte Geschichte entfaltet, die in herrlichen Bildern eine Beziehung schildert, deren Magie für offene Zuschauer spürbar wird.

Dabei verlangt das Skript zu Beginn einen nicht zu unterschätzenden Glaubenssprung von den Zuschauern, die die gegebene Situation, dass ein Briefkasten die Post zwischen dem Jahr 2006 und 2004 austauscht, entweder akzeptieren müssen, oder aber nie Teil jener Liebesbeziehung werden können, die mit viel Charme und Einfühlungsvermögen erzählt wird.
Dass die beiden Hauptfiguren jenen Umstand in Sekundenschnelle annehmen, gestaltet die fantasyartige Ausgangslage sicherlich einfacher, macht den Zugang zu jenen an sich bodenständigen Figuren aber zunächst schwieriger. Es ist zu Beginn auch recht schwer, zwischen den verschiedenen Zeitebenen in dem Tempo umzuschalten, in dem sich das Drehbuch bewegt. Als Anker dienen hierbei die beiden Hauptfiguren und die beiden ungewöhnlichen Nebencharaktere; während Alex und Kate die Zuseher mit ihren lebensnahen Hintergründen und ihren Enttäuschungen an sich binden, wirkt einerseits die Stadt Chicago als Anker für die Geschichte, andererseits das malerische, mit sehr vielen Details versehene Haus am See, dessen Bedeutung im Laufe des Skripts ansprechend aufgearbeitet wird.
Die Story selbst ist dabei nicht wirklich spannend, oder mitreißend, entwickelt aber auf Grund der sehr ungewöhnlichen Situation und der Tatsache, dass Alex und Kate sich in Alex' Zeitrahmen begegnen, eine bestechende Eigendynamik, die dadurch noch verstärkt wird, dass der Briefverkehr der beiden mitunter als wirklicher Dialog präsentiert wird. Was Drehbuchautor David Auburn auf faszinierende Art und Weise gelingt, ist eine Chemie zwischen zwei so unterschiedlichen Figuren zu entwickeln, deren Schicksale zwar miteinander verwoben scheinen, aber doch nicht zusammen führen. Der eigentliche Kniff der Story ist dabei für Kenner des Genres schon früh absehbar, die letztliche Auflösung aber überraschend und mit so viel Feingefühl umgesetzt, dass es denjenigen, die im Film aufgegangen sind, die Luft abschnüren wird.
So lässt zwar das Drehbuch manche Charaktermomente vermissen, und auch die Dialoge bewegen sich mitunter knapp am Kitsch vorbei, auf Grund der geschilderten Beziehung und der beiden facettenreichen Hauptfiguren überzeugt die Vorlage zu Das Haus am See mit einer für ein bestimmtes Publikum überaus sehenswerten und metapherreichen Geschichte.

Die Darsteller haben dabei unterschiedlich viel, womit sie arbeiten können, denn während manche Figuren überaus stark entwickelt sind, erhalten andere nur ein Mindestmaß an Hintergrund, was sich letztlich auch darin widerspiegelt, wie häufig sie vor der Kamera zu sehen sind.
Das Hauptaugenmerk liegt dabei eindeutig auf dem von Keanu Reeves verkörperten Alex Wyler, dessen Vergangenheit während der 100 Minuten auseinander genommen wird, und dessen Familiengeschichte auch wirklich erzählt wird. Reeves gibt sich merklich Mühe, seiner Figur jene Präsenz zu verleihen, die sein Filmvater Christopher Plummer mühelos verkörpert, und auch wenn der immerhin 35 Jahre jüngere Darsteller im Vergleich zu Plummer eindeutig untergeht, Reeves gelingt ein sehr ruhiges, differenziertes und abwechslungsreiches Spiel, das seine Figur gekonnt zum Ausdruck bringt.
Ebenso Sandra Bullock, die vielleicht die schwierigste Situation im Film zu meistern hat und einen sehr langen, natürlichen Monolog zum besten gibt. Zwar erreicht sie nicht ganz die emotionale Tiefe ihrer Figur in L.A. Crash [2004], ihre Darbietung hier zählt aber zweifelsohne zu den besten Leistungen ihrer Karriere und die Chemie, die sich zwischen ihr und Keanu Reeves entwickelt (obgleich beide kaum gemeinsame Szenen haben), ist bestechend.
Dass ein versierter Darsteller wie Christopher Plummer Das Haus am See veredeln würde, steht außer Frage, ähnlich ist es jedoch bei der seit einiger Zeit sehr aktiven, im Iran geborenen Shohreh Aghdashloo, die unter anderem in e.r. – Emergency Room [seit 1994], aber auch in 24 [seit 2001] bereits Gastauftritte hatte, und hier wieder eine kleine Rolle mit großem Charisma verkörpert.
Auch Dylan Walsh und Ebon Moss-Bachrach leisten gute Arbeit und runden den sorgfältig ausgesuchten und stimmig zusammen gestellten Cast ab.

Dem argentinischen Regisseur Alejandro Agresti oblag es, Das Haus am See in die entsprechenden Bilder zu kleiden und die bekannten Darsteller trotz der schwierigen Ausgangslage zu motivieren.
Dass ihm dies bei den Akteuren gelungen ist, steht außer Frage, die Bilderpracht, mit der er das Publikum verwöhnt, hätte überdies jetzt bereits Preise verdient. Zwar vermittelt der Film in der gesamten Lauflänge und trotz der verschiedenen Jahreszeiten stets das Gefühl von herbstlichem Wetter (in der Tat scheint es nie wirklich Sommer zu sein), doch nutzt Agresti gerade die warmen, bräunlichen Farbtöne, um die Geschichte in ein ganz bestimmtes Licht zu tauchen. Wenn er außerdem die zahlreichen Bauten und Straßenschluchten Chicagos einfängt, den Zuschauern eine Stadtrundfahrt durch die meist sehr kühl wirkende Metropole präsentiert, kann man sich wie die beiden Protagonisten in den vielen Sehenswürdigkeiten verlieren. Doch auch die übrigen Perspektiven und Bilder wirken malerisch komponiert und es gibt kaum eine Einstellung, die man nicht mit einem Standbild einfangen und als Hintergrund für einen Kalender benutzen könnte.
Agrestis Bildersprache ist beeindruckend und subtil zugleich, vermittelt eben jene Zwiespältigkeit, mit der die Hauptfiguren umzugehen lernen müssen und stellt dabei doch die Gemeinsamkeit zwischen Alex' und Kates Welt heraus. An der handwerklichen Umsetzung gibt es nichts zu bemängeln, ganz im Gegenteil – den Machern ist angesichts des warmen und mitunter schon verführerisch schönen Bilderreigens nur zu gratulieren.

Einen entscheidenden Teil zur rundum gelungenen Atmosphäre des Films trägt auch Rachel Portmans musikalische Untermalung bei, von der zu Beginn eigentlich nicht viel zu hören ist. Einen viel größeren Raum nehmen stattdessen die gesungenen Lieder ein, die mit viel Rücksicht auf Zeitlosigkeit und Bedeutung im Sinne der Liedtexte ausgewählt wurden und hervorragend zu den Bildern passen.
Erst in der zweiten Hälfte ist vom Score selbst mehr zu hören und gerade beim Finale sorgt die Musik für Gänsehaut und feuchte Handflächen. Das Thema, das Portman dabei für Das Haus am See schrieb, ist so minimalistisch wie ausdrucksstark, entfaltet seine Kraft sowohl leise eingespielt, wie mit Streichern intensiv vorgetragen. Der Soundtrack, der allerdings nur einen Ausschnitt der im Film zu hörenden Musik bietet, ist für Kenner zweifelsohne eine Hörprobe wert.

Wie Das Haus am See ausgesehen hätte, hätte statt Keanu Reeves die eigentlich erste Wahl der Produzenten die männliche Hauptrolle gespielt – John Cusack – möchte man sich nicht vorstellen, weil Cusack in die Rolle nicht gepasst hätte, sondern da sich Bullock und Reeves in ihrer zweiten gemeinsamen Arbeit so hervorragend ergänzen, dass man sie sich in keiner anderen Produktion mehr vorstellen möchte.
Die Rollen scheinen ihnen auf den Leib geschrieben und beide Akteure mit Herz und Seele bei ihren Figuren, während der Film durch Nebenrollen wie Christopher Plummer oder Shohreh Aghdashloo veredelt wird. In betörende Bilder eingefangen muss man sich als Zuseher auf eine etwas ungewöhnliche Geschichte einlassen, um eine der berührendsten, wenn auch mitunter rührseligsten Liebesgeschichten der letzten Zeit mitzuerleben. Wer mit diesen Erwartungen ins Kino geht, wird nicht enttäuscht.


Fazit:
Zwölf Jahre mussten Fans der beiden Hauptdarsteller warten, ehe Sandra Bullock und Keanu Reeves, die mit Speed [1994] jeweils ihren Durchbruch feierten, wieder gemeinsam vor der Kamera standen. Ungewöhnlicher hätte die Projektauswahl dabei nicht sein können und doch scheint es die beste Entscheidung gewesen zu sein, sich des auf die Figuren zugeschnittenen Drehbuchs anzunehmen.
Dabei müssen die Zuseher bei Das Haus am See eine sehr weit hergeholte Ausgangslage akzeptieren, die auch im Laufe des Films nicht weiter erklärt wird; wer sich allerdings darauf einlässt, wird mit herausragenden Darstellerleistungen belohnt, die von Regisseur Alejandro Agresti in ebenso melancholische wie tiefsinnige Bilder gebannt wurden. Die malerische Optik ist dabei nur das Sahnehäubchen jener – für Interessierte – sehr emotionalen und darum berührenden Liebesgeschichte, deren Zauber an sich all diejenigen erliegen werden, die dem Charme jener Figuren verfallen. Das mag mitunter kitschig sein, liegt aber in der Natur des Themas.