Das erste Omen [2024]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 5. April 2024
Genre: Horror / FantasyOriginaltitel: The First Omen
Laufzeit: 120 min.
Produktionsland: USA / Italien / Großbritannien
Produktionsjahr: 2024
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Arkasha Stevenson
Musik: Mark Korven
Besetzung: Nell Tiger Free, Sônia Braga, Ralph Ineson, Bill Nighy, Nicole Sorace, Maria Caballero, Tawfeek Barhom, Charles Dance
Kurzinhalt:
Als Margaret Daino (Nell Tiger Free) in Rom eintrifft, freut sich die junge Novizin darauf, ihr Gelübde als Nonne abzulegen. Kardinal Lawrence (Bill Nighy), den sie seit langem kennt, hat sie nach Rom geholt, wo sie in einem Waisenhaus der Glaubensgemeinschaft auf andere Nonnen und Äbtissin Schwester Silvia (Sônia Braga) trifft. Unter den Waisenkindern ist auch die verschlossene Carlita Scianna (Nicole Sorace), bei der sich Margaret verpflichtet fühlt, ihr zu helfen. Nicht erst, nachdem die Novizin Luz (Maria Caballero) Margaret in das römische Nachtleben eingeführt hat, wird diese von beängstigenden Visionen heimgesucht. Noch bevor sich grauenvolle Ereignisse zu häufen beginnen, wird Margaret von Pater Brennan (Ralph Ineson) aufgesucht, der sie um Hilfe bittet. Er ist der Überzeugung, dass in dem Waisenhaus nichts weniger vorbereitet wird, als die Ankunft des Antichristen …
Kritik:
Das Prequel zum Genre prägenden Horrorfilm Das Omen [1976] bleibt der Vorlage hinsichtlich des atmosphärischen Aufbaus durchaus treu und steuert gleichzeitig immerhin einen neuen Aspekt zu der Hintergrundgeschichte über die Geburt des Antichristen bei. Doch so gelungen und stimmig Das erste Omen handwerklich ist, die Art der Erzählung wirkt heute unerwartet behäbig, wohingegen die Verbindung unterschiedlicher Horrorelemente der Erzählung spürbar überrascht. Gerade deshalb eignet sie sich jedoch nicht für Zartbesaitete.
Obwohl die Geschichte von Das erste Omen, bis auf einen unnötigen Epilog, der eine Fortsetzung außerhalb der bisherigen Teile der Reihe ermöglicht, an sich nahtlos in den inzwischen beinahe ein halbes Jahrhundert alten ersten Teil der Reihe mündet und damit, wie auch auf Grund einiger Verweise zuvor, Fans des Originals viel Wiedererkennungswert bietet, empfiehlt es sich beinahe, Arkasha Stevensons späte Erweiterung der Story vor allen anderen Filmen der Reihe zu sehen. Nicht nur, dass die eigentlichen Überraschungen der Hintergrundgeschichte aus Das Omen sonst mehrere Wendungen hier bereits verraten. Vielmehr erahnt man den Ausgang der allermeisten unheimlichen Momente, wenn man die Mechanik der Story bereits kennt.
Die spielt nach einem kurzen Prolog, in dem der exkommunizierte Pater Brennan einen anderen Priester aufsucht, im Rom des Jahres 1971. Dort trifft die strenggläubige Novizin Margaret Daino aus ihrer Heimat in den Vereinigten Staaten ein, um unter dem ehrwürdigen Kardinal Lawrence, den sie seit ihrer Kindheit kennt, Nonne zu werden. In einem Waisenhaus, das von der Glaubensgemeinschaft betrieben wird und in dem auch unverheiratete, schwangere Frauen bis zur Entbindung aufgenommen werden, lernt Margaret ein verschlossenes Mädchen kennen, Carlita. Carlita gilt als Einzelgängerin und wird oftmals von den anderen Kindern getrennt gehalten, da sie auch gewalttätig ist. Gleichzeitig verstören düstere Bilder, die sie malt, während sich die anderen Kinder des Waisenhauses wohl zu fühlen scheinen. Bis sie ihr Gelübde ablegt, wohnt Margaret mit einer anderen Novizin in einer kleinen Wohnung in Rom. Luz ist in etwa in ihrem Alter, aber voller Lebensfreude und so erweckt Das erste Omen anfangs den Anschein, als wollte es Margaret als eine junge Frau zeigen, die zwischen einer nie gekannten Lebendigkeit im pulsierenden Nachleben Roms und einem Leben für die Kirche hin und hergerissen wird.
Aber auch wenn Filmemacherin Stevenson in ihrem Spielfilmregiedebüt ein gelungenes Porträt jener Zeit gelingt, abgerundet mit einer fantastischen Ausstattung was Autos, Kleidung und Farbgebung betrifft, etwas Düsteres, das Margaret umgibt, lässt sie nie los. Sie selbst meint, dass sie seit ihrer Kindheit bereits eine blühende Fantasie gehabt habe und oft nicht wusste, was real ist und was nicht. Doch ihre Visionen werden zunehmend brutalerer Natur und als Pater Brennen sie aufsucht und um Hilfe bittet, ahnt sie, dass dessen Warnungen berechtigt sind. So kommt die junge Novizin einer Verschwörung innerhalb der Katholischen Kirche auf die Spur, die mit einem perfiden Plan Gläubige für die Kirche gewinnen will. Dieser inhaltliche Aspekt verbindet Das erste Omen direkt mit der Geschichte von Das Omen, so dass diejenigen, die mit dem Genreklassiker vertraut sind, nicht nur bald erahnen, worauf die Geschichte hinauslaufen wird, sondern auch wenigstens einen Aspekt werden kommen sehen.
Das mag auch daran liegen, dass sich Regisseurin Arkasha Stevenson viel Zeit nimmt, ihre Geschichte zu erzählen und mit zwei Stunden ist Das erste Omen 10 bis 15 Minuten länger, als er sein müsste. Die langsame Erzählung ermöglicht ihr jedoch einen unerwarteten und überraschend wandlungsfähigen Aufbau. Anstatt laute Schreckmomente nutzt sie lange aufgebaute Szenen, um eine anfangs unheimliche, später beängstigende Atmosphäre zu erzeugen. Einige der Bilder, die sie dafür findet, zählen zu den schockierendsten und unerwartetsten, die man seit langem in einem Film eines so großen Studios zu sehen bekam. Das ist mutig, umso mehr, wenn man bedenkt, dass sich der Horror im Speziellen auf den weiblichen Körper bezieht und dieser auch grafisch gezeigt wird. Es soll genügen zu sagen, dass eine Geburt im Film gezeigt wird, die man so schnell nicht vergessen wird.
Doch gerade, da sich die Gewalt auch hier, wie zuletzt im thematisch dicht verwandten Immaculate [2024], gegen Frauen wendet, stellt sich die Frage, was für eine Aussage Das erste Omen damit treffen will. Dass der Machtmissbrauch, gerade der Katholischen Kirche, Frauen gegenüber angeprangert wird, kann man durchaus hineinlesen. Es würde aber helfen, würden die betroffenen Frauen dies auch anprangern und sich von einem Glauben, der sie zu fremdbestimmten Gefäßen degradiert, abwenden. Nur passiert gerade das nicht. So bleibt es am Ende bei einem durchaus beeindruckenden Spielfilmregiedebüt, das eine Geschichte erzählt, die, so kompetent sie umgesetzt ist, am Ende doch für das Verständnis von Das Omen nicht notwendig ist. Das heißt nicht, dass Stevenson kein anerkennenswerter Beitrag gelingt, der auch mühelos für sich stehen kann. Nur würden das hier gezeigte Talent samt den Ideen in einer eigenen Geschichte besser zur Geltung kommen.
Fazit:
Setzt in einem entscheidenden Moment Jerry Goldsmiths ikonisches und zu Recht für den Oscar nominiertes Thema der Reihe ein, unterstreicht Arkasha Stevenson gewissermaßen, dass sie die Vergleiche mit dem Genre prägenden Original nicht scheuen möchte. In vielerlei Hinsicht braucht sie das auch nicht. Kamera und Schnitt sind eindrucksvoll umgesetzt und unterstreichen ebenso die unheimliche Stimmung wie Nell Tiger Free in der Rolle der Margaret mit ihrer furchtlosen und fordernden Darbietung, die die gesamte schauspielerische Bandbreite abdeckt. Es sind zum Teil bewusst quälend lange Einstellungen, die das Publikum binden und nicht loslassen wollen. Doch diese Finesse kann nicht aufwiegen, dass der Verlauf der Geschichte spätestens nach dem ersten Drittel so absehbar ist, wie der Ausgang der unglücklichen „Zufälle“, die die Opfer hier heimsuchen. Zudem werden auch hier wieder vor Schmerzen schreiende Frauen gezeigt, die von Männern und Institutionen gegen ihren Willen ausgenutzt werden. Doch eine Genugtuung, eine Gerechtigkeit, gibt es für sie nicht. Das erste Omen verwehrt ihnen einen Abschluss. Umso mehr, wenn das Ende für Fortsetzungen offen gehalten wird. Als aufwändig inszenierter, unerwartet brutaler und grafisch konsequenter Horrorfilm, der gleichermaßen auf Spannung, Aufbau und explizite Darstellungen setzt, ist das Prequel eine wirkliche Überraschung. Aber es erzählt, teilweise langsamer als notwendig, eine Vorgeschichte, die für das Verständnis des ersten Films nicht erforderlich und offenbar dazu gedacht ist, eine neue Erzähllinie zu etablieren. Dabei hätten die Verantwortlichen mit ihrem Talent auch eine eigenständige Idee erzählen können.