CSI: Miami – "Absturz" [2002]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 21. Januar 2004
Genre: Thriller

Originaltitel: CSI: Miami - "Golden Parachute"
Laufzeit: 42 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2002
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Joe Chappelle
Musik: Graeme Revell
Darsteller: David Caruso, Emily Procter, Adam Rodriguez, Khandi Alexander, Rory Cochrane, Kim Delaney, Julie Dretzin


Kurzinhalt:
Das CSI-Team ("CSI" bedeutet "Crime Scene Investigation", auf Deutsch: Spurensicherung der Polizei) in Miami unter der Leitung von Horatio Caine (David Caruso) untersucht einen Flugzeugabsturz in den Everglades.
Was die Ermittler jedoch vor ein Rätsel stellt, ist eine Leiche, die einige Kilometer von der Unfallstelle entfernt gefunden wird. Die junge Christina Colucci (Julie Dretzin) war Chefbuchhalterin des Flugzeuginhabers Scott Erik Summer (Sam Anderson), der gleichzeitig einer der größten privaten Versicherungsagenten der amerikanischen Ostküste ist. Zusammen mit seinem Vorstand und seiner Buchhalterin befand er sich auf dem Weg zur Börsenaufsicht. Summer selbst hat den Absturz als einziger Passagier überlebt, wenn auch schwer verletzt – er behauptet, Mrs. Colucci wollte sich das Leben nehmen und öffnete die Tür, doch Caine glaubt ihm nicht.
Er muss mit seinem Team, bestehend aus der Ballistikerin Calleigh Duquesne (Emily Procter), Eric Delko (Adam Rodriguez), Timothy Speedle (Rory Cochrane) und der früheren CSI-Leiterin Megan Donner (Kim Delaney), die nach einer Pause aus persönlichen Gründen wieder zurückgekehrt ist, rekonstruieren, was an Bord des Flugzeuges geschah, um so den wirklichen Tathergang aufzuklären.
Angesichts dessen, dass die Wrackteile über Kilometer verstreut sind, keine leichte Aufgabe.


Kritik:
David Caruso
und Sherry Stringfield haben mehr gemeinsam, als man annehmen  könnte: Beide sind recht erfolgreiche Seriendarsteller, Stringfield in e.r. - Emergency Room [seit 1994] und Caruso in dem 2002 gestarteten CSI: Tatort Las Vegas [seit 2000]-Ableger CSI: Miami. Beide spielten von 1993 bis 1994 in der von Kritikern und Zuschauern gelobten – in Deutschland jedoch leider untergegangenen – Cop-Serie NYPD Blue [seit 1993] mit, Caruso dabei sogar die Hauptrolle.
Stringfield verließ das Feld für e.r., wo sie 1996 allerdings zum Erstaunen der Produzenten und Zuschauer schon wieder aussteigen wollte, und wegen Vertragsbruchs für andere Studios zwei Jahre lang gesperrt war. Erst 1998 konnte sie neue Rollenangebote annehmen, die aber allesamt nicht sehr erfolgreich waren, und so ist sie seit 2001 wieder bei e.r. zu sehen.
Caruso andererseits war 1994 nach seinem Erfolg in NYPD Blue so sehr von einer möglichen Filmkarriere geblendet, dass er aus der Serie ausstieg, wobei er sich mit den Produzenten und anderen Darstellern verkrachte. Den Zuschauern und Machern sagte er noch, "ohne mich wird NYPD Blue keinen Erfolg haben". Die Serie läuft in den USA heute immer noch, und Caruso wurde nach seinem unsanften Abgang von Zuschauern und Studios derart gemieden, dass er förmlich um Rollen betteln musste. Heraus kamen kolossale Flops im Stile von Jade [1995] oder Kiss of Death [1995]. Heute meint der inzwischen 48jährige dazu, dass es bisweilen schwer für ihn war, Arbeit zu finden.
Zu seinem Glück hatten die Produzenten der äußerst erfolgreichen Thriller-Serie CSI – Tatort Las Vegas genügend Vertrauen in ihn, denn sie übergaben David Caruso die Rolle des Teamleiters im 2002 gestarteten Spin-Off CSI: Miami – angesichts der beeindruckenden Leistung, die William Petersen in der Original-Serie vorlegte, sicher keine leichte Aufgabe.
Caruso ist darüber verständlicherweise sehr dankbar und sagt: "Wenn jemand wie ich so tief gefallen ist, was Arbeitslosigkeit und einen geschädigten Ruf angeht, dann ist es unvorstellbar, dass diese Stadt Dir eine neue Chance geben möchte".
Als Darsteller ist er der Rolle sicherlich gewachsen, Fans des beliebten CSI-Originals schauen dennoch mit gemischten Gefühlen auf den Ableger – und das zurecht.

Zwar ist es sehr schwer, eine Serie anhand von nicht mal 45 Minuten zu beurteilen, zumal gerade CSI vor vier Jahren bewies, dass die ersten Episoden für das Serienkonzept nicht ausschlaggebend sein müssen. Damals hatten viele Zuschauer kritisiert, dass eine einzige Episode nicht ausreicht, bis zu drei Fälle durchzupressen, woraufhin das Konzept zugunsten weniger, dafür ausführlicherer Fälle geändert wurde. Für einen Ersteindruck zur Besetzung reicht es jedoch allemal.

Im Vordergrund von Absturz steht ein durchaus interessanter Fall, der mit seinem außergewöhnlichen Setting überzeugen kann. Die Details wirken allerdings etwas gehetzt, so als hätte man aus der Story zweifellos 70 Minuten Film drehen können.

Für die Zuschauer aber fast bedeutsamer ist der Blick auf das neue CSI-Team, das bis auf Caruso jedoch noch nicht vollends überzeugen kann.
Er selbst wirkt wie das bewusst gewählte Gegenteil von CSI-Chef Grissom (William Petersen). Caine tritt zwar charismatisch auf, vertraut gleichzeitig aber zu sehr seinen Gefühlen, als dass er der Wissenschaft verschrieben sein könnte. Sein Charakter ist ohne Frage ausbaufähig, was man von den anderen auf den ersten Blick nicht behaupten kann.
Sowohl Calleigh Duquesne (Emily Procter), als auch Timothy Speedle (Rory Cochrane) wirken zu eindimensional; eine Katastrophe hingegen ist die Figur Eric Delko (Adam Rodriguez), die weder Ausstrahlung, noch irgendeine sonstige nennenswerte Eigenschaft besitzt.
An Megan Donner (Kim Delaney) sollten sich die Fans lieber nicht zu sehr gewöhnen, gleichwohl ihr Charakter Potential bietet, wird sie nur die ersten zehn Folgen mit an Bord sein. Interessanterweise ist auch Delaney eine alte NYPD Blue-Veteranin. Sie spielte in der Cop-Serie von 1995 bis 2001 mit.
Als gewöhnungsbedürftig lässt sich wohl am ehesten Khandi Alexanders Darstellung der Pathologin Alexx Woods beschreiben. Die Art und Weise, wie sie sich gegenüber den Opfern verhält, die sie untersucht, mag zwar dem Stress und der Abwehrreaktion eines Beteiligten entsprechen, doch wenn sie vor einer Leiche steht und fragt "Wer hat dir das angetan, meine Süße?", dann weiß man nicht, ob man lachen soll, oder nicht – denn witzig ist es nicht gemeint, und makaberer Humor in einem solchen Moment ansich auch nicht angebracht.

Was am Drehbuch darüber hinaus auffällt, sind einige unpassende Sprüche, insbesondere der Schlusskommentar von Horatio, wenn er den Täter (der sich inzwischen erhängt hat) findet – ein cooler Spruch in dieser Situation wirkt schlicht respektlos und sollte einem erfahrenen Polizisten nicht über die Lippen kommen.
Alles in allem hinterlässt das Skript also einen gemischten Eindruck: Der Fall selbst ist packend, doch auf der anderen Seite vermag das Team nicht so recht zu gefallen. Da genügt es auch nicht, dass ein namhafter und prinzipiell sympathischer Schauspieler mit von der Partie ist.

Bei den Darstellern verhält es sich ähnlich:
Caruso spielt routiniert, wenngleich sein Horatio Caine noch zu wenig Hintergrund besitzt, als dass man ihn einschätzen könnte.
Der Rest des Teams scheint einem Schönheitswettbewerb entsprungen. Ausstrahlungslose, perfekt geschminkte Gesichter blicken einem da von der Mattscheibe entgegen. Zwar wird niemand behaupten, die Besetzung von CSI bestünde aus hässlichen Menschen, doch was den Schauspielern von CSI: Miami fehlt, sind markante Charakterzüge. Ecken- und kantenlos wirken die Darsteller, als wäre es ihnen ansich schon unangenehm, sich die Finger schmutzig zu machen.
Eine Besserung wäre hier wünschenswert und vor allem notwendig, wenn man zum Weiterschauen motiviert werden soll.

Die Inszenierung erinnert mit den unzähligen Kamera-Gimmicks verständlicherweise an CSI, auch wenn die Zoom-Effekte leicht verändert wurden, und hier bisweilen so oft und so lange eingesetzt werden, dass sie vom Gezeigten eher ablenken, als die Aufmerksamkeit darauf zu richten.
Schade ist nur, dass man die Serie im deutschen Free-TV auf VOX wieder einmal nur um 30 Prozent beschnitten zu Gesicht bekommt, denn während CSI erst ab der zweiten Staffel im kinoreifen 16:9-Format produziert wurde, ist dies bei CSI: Miami schon von Beginn an der Fall gewesen. Dies kommt natürlich auch dem amerikanischen HD-TV-Format zu Gute und erklärt die im deutschen Fernsehen zu sehenden grieseligen Aufnahmen, wenn die Bilder auf 4:3 aufgebläht und an den Seiten Bild-Informationen weggelassen werden.
Wieso sich die Sender nicht wenigstens bei neueren Serien ein Herz fassen können und Fans mit dem Originalformat beglücken, verstehe, wer will – in 16:9 wirkt CSI: Miami optisch deutlich ausgefeilter und von der Inszenierung her (wie CSI) beinahe auf Kino-Niveau.
Kamera- und Schnitt sind wie gesagt sehr sauber und gut gelungen, bei dem kreativen Team hinter der Kamera konnte man aber auch nicht weniger verlangen.

Ein wahrer Glücksgriff ist den Machern bei der Wahl des Komponisten gelungen: Graeme Revell (unter anderem Verhandlungssache [1998] und Ausnahmezustand [1998]) vermag seine Erfahrung aus dem Filmbereich erfolgreich einzubringen und überzeugt mit interessanten Themen, sowie einer temporeichen Instrumentierung. Die Musik ist wirklich erstklassig den Szenen angepasst und wäre kaum besser zu machen gewesen.
Zwar lässt er bislang ein Thema für das eigentliche CSI: Miami-Gruppe vermissen, doch dafür hat er ja noch Zeit. Revell versucht zudem nicht, den Stil von John M. Keane, dem Komponisten der Original-Serie zu kopieren, sondern seinen eigenen Stil zu finden.
Im Gegensatz zum Titelthema der Serie, das wie bei CSI ("Who are you?") erneut von The Who gesungen wird – diesmal mit dem recht ähnlich klingenden Song "Won't get fooled again". Der passt zwar gut zu den Bildern, mutet aber aufgesetzt an, in Anbetracht der Tatsache, dass die Kombination bei der Mutterserie einfach neu war.

Eben dieses Gefühl wird man in Bezug auf viele Dinge in CSI: Miami nicht los. Als Fan der Originalserie kann man nicht umhin, sich vorzustellen, wie die Fälle mit dem bekannten CSI-Team aussehen würden (und sie wären wohl eindeutig besser).
Als wäre das nicht genug, ist für Herbst 2004 auch noch der Start eines zweiten Ablegers – CSI: New York, immerhin mit Hauptdarsteller Gary Sinise (Forrest Gump [1994], Kopfgeld – Einer wird bezahlen [1996]) – angekündigt worden, was nun also insgesamt drei Teams macht. Statt sich so gegenseitig die Stories zu klauen, wäre es wahrscheinlich besser gewesen, zuerst CSI auszunutzen und vielleicht irgendwann einmal einen Kinofilm zu produzieren, und die Ideen für ein und dasselbe Format nicht an drei Fronten zu verpulvern.
Es ist traurig zu sehen, wie die ansich interessante und auch gut ausgeführte Idee zur CSI-Serie so vermarktet und ausgeschlachtet wird.
Das Miami-Team wirkt zumindest bislang zu glatt, zu durchdesignt und zu makellos. Hatte man beim Original CSI noch den Eindruck, als stünden sie jederzeit kurz vor der Wegrationalisierung, bekommt man hier stattdessen viel Glas, viel nackte Haut, Chrom und High-Tech-Equipment zu sehen. Interessant ist allerdings, dass keiner aus der Gruppe in den ersten beiden Fällen ein Photo vom Tatort schießt.

Ein Blick auf die weiteren Episoden der ersten Staffel zeigt aber deutliche Besserung. So wagt sich CSI: Miami an einige sehr schwere Fälle heran, darunter einen Kindesmissbrauch und eine Vergewaltigung. Man darf sich hierbei sicher fragen, inwieweit eine Kriminalstory noch als Unterhaltung dienen soll, wenn solch ernste Themen angesprochen werden; den Machern gelingt es allerdings, den Balance-Akt erfolgreich zu meistern. Nach wie vor bleiben Emily Procter und Adam Rodriguez aber so farblos, dass man sie am liebsten einfach ausblenden möchte.


Fazit:
Als Urlaubsort ist Miami sicher so interessant wie Las Vegas. Ob das für Kriminalaufklärung auch gilt, wird sich weisen. Bislang macht die Serie einen eher zwiespältigen Eindruck. Denn während die Fälle durchaus gefallen, wirkt das Team selbst zu steril und zu kühl, als wären in erster Linie Schönlinge und keine Darsteller besetzt worden.
David Caruso hat die Zügel zwar in der Hand, doch William Petersen wird er kaum das Wasser reichen können. Fans der Originalserie bleiben weiterhin skeptisch, ob das neue Team an Profil gewinnen kann – Hoffnung hat man dafür allerdings wenig. Für alle, die mit dem bisherigen Konzept nichts anfangen konnten, wird CSI: Miami uninteressant bleiben; die Fans werden bei der direkten Wahl zwischen CSI – Tatort Las Vegas oder CSI: Miami weiterhin zum Original, anstatt zur Kopie greifen.
Dennoch bietet die Serie spannende Unterhaltung auf hohem Niveau, und das ist mehr, als man von den meisten anderen derzeitigen Fernseh-Sendungen sagen kann.