CSI: Miami - "Würgemale" [2004]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 28. Mai 2005
Genre: Thriller

Originaltitel: CSI: Miami – "Innocent"
Laufzeit: 42 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2004
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Joe Chappelle
Musik: Jeff Cardoni, Kevin Kiner
Darsteller: David Caruso, Emily Procter, Adam Rodriguez, Khandi Alexander, Rory Cochrane, Sofia Milos, Deanna Wright, David Lee Smith, Jennifer Sky, Vyto Ruginis, Mike Erwin


Kurzinhalt:
Als in Miami die Leiche der jungen Porno-Darstellerin Ashley Anders (Deanna Wright) gefunden wird, übernimmt das CSI-Team unter Leitung von Lieutenant Horatio Caine (David Caruso) die Untersuchungen. Die erwürgte Frau war zuvor Gast auf einer Party des Verlagsproduzenten David Jeffers (Vyto Ruginis), und es deutet Vieles darauf hin, dass dieser einen Skandal zu vertuschen versucht.
Während der Ermittlungen wird ein wichtiges Tonband durch einen Zwischenfall im CSI-Labor beschädigt. Da Eric Delko (Adam Rodriguez) der letzte Mitarbeiter war, der das Beweisstück bearbeitete, nimmt Rick Stetler (David Lee Smith) von der Abteilung für Innere Angelegenheiten, dessen Romanze mit Horatios verwitweter Schwägerin Yelina Salas (Sofia Milos) immer offensichtlicher wird, ein Verfahren gegen Delko auf.
Unterdessen suchen Calleigh Duquesne (Emily Procter) und Tim Speedle (Rory Cochrane) nach weiteren Hinweisen auf den Täter, und auch Gerichtsmedizinerin Alexx Woods (Khandi Alexander) findet nach Horatios Hinweis etwas Unerwartetes über das Opfer heraus ...


Kritik:
Dass die innovative Krimiserie C.S.I. - Tatort Las Vegas [seit 2000] mit ihrem durchaus erfolgreichen Start – den Pilotfilm sahen in den USA immerhin 17 Millionen Zuschauer – darüber hinaus ein ganzes Franchise ins Leben rufen würde, hatte wohl niemand geahnt; und wenn es nach Produzent und Hauptdarsteller William L. Petersen geht, wäre es wohl auch nicht so weit gekommen. Seine Abneigung gegenüber der Spin-Off-Serie CSI: Miami äußerte er nicht nur in Interviews, sondern weigerte sich sogar, bei der Crossover-Episode in der zweiten C.S.I.-Staffel ("Tod in Miami") an der Seite seines zukünftigen Serien-Kollegen David Caruso vor die Kamera zu treten. Selbst zahlreiche Zuschauer waren hinsichtlich der Ankündigung einer Spin-Off-Serie zunächst alles andere als begeistert: Während sich vor allem in Miami ansässige Fans erfreut zeigten und sinnierten, welche Locations und welches Flair man denn einfangen könnte, waren sich Viele einig, dass das neue Forensiker-Team dem Original ansich nur die interessanten Geschichten wegnehmen würde. Wer sich die ersten paar Episoden, oder gar die ganze Staffel eins von CSI: Miami ansah, musste entsprechend feststellen, dass abgesehen von einigen überaus gelungenen Episoden der Großteil der behandelten Fälle vor allem am fehlenden Charisma der Darsteller und der auf Hochglanz polierten, scheinbar seelenlosen Kulisse litt.
Trotzdem behauptete sich CSI: Miami gegenüber dem Original mit stabilen Quoten, sodass weitere Staffeln gesichert waren. Wer sich allerdings die zweite Staffel zu Gemüte führte, erkannte spätestens nach den Auftakt-Episoden, dass sich das Bild deutlich gewandelt hatte. Mit vielschichtigen, tragischen, von Korruption, Gier und Macht geprägten Stories warfen die Autoren einen Blick hinter die heile Glamour-Welt von Miami, Florida, zerpflückten die Klischees des Sonnenstaates und rückten gleichzeitig die Hauptfiguren immer mehr in den Mittelpunkt der Serie. Während die im selben Jahr gesendete vierte Staffel von C.S.I. zwar mit spaßigen und unterhaltsamen Fällen aufwartete, die Zuschauer wie Ermittler aber großteils emotional unberührt ließen, mauserte sich CSI: Miami zu einer anspruchsvollen, nicht weniger exzellent gemachten und inhaltlich überraschenden Thriller-Serie, die ihrem großen Bruder den Rang ablief und in manchen Belangen sogar übertraf.
So wurden sämtliche Kritik-Punkte an Staffel eins konsequent ausgemerzt, die Figuren (allen voran Chef-Ermittler Horatio Caine) bekamen ein Profil und waren von den Fällen sichtlich mitgenommen, die Glitzerwelt von Miami wurde gekonnt niedergerissen und mit Abgründen versehen, in denen sich realistische, und gerade deshalb erschreckende Verbrechen abspielten. Von der unterkühlten, distanzierten Stimmung des ersten Serien-Jahres ist hier nun glücklicherweise nichts mehr zu sehen, weswegen CSI: Miami dank der guten Stories und der sehr guten Darsteller die derzeit inhaltlich beste CSI-Serie darstellt (was durch Episoden wie "Blutsbrüder", "Ohne Bewährung", "Sturmfront", "Big Brother", "Blutmond", "Buschfeuer", "Störmanöver" oder "Cop-Killer" eindrucksvoll unterstrichen wird).

Auch "Würgemale" wartet mit einer facettenreichen, dramatischen und doch nicht abwegigen Handlung auf, die gleich mehrere Elemente verbindet. Dabei verwenden die Autoren diesmal sehr viel Zeit auf das Opfer, schildern den Lebensweg der jungen Frau, wie sie in die Branche geriet, die sie letztendlich das Leben kostete, und verurteilen dennoch nicht (wie im prüden Amerika sonst üblich) ihre Entscheidungen, sondern diejenigen Menschen, die sie dorthin gebracht haben.
Daneben werden aber sogar Nebenfiguren wie Ashleys Stalker Ned vorgestellt und die Hintergrundgeschichte um Horatio Caine und Yelina Salas weiterentwickelt. Selbst das laufende Ermittlungsverfahren der Abteilung für Innere Angelegenheiten gegen Lieutenant Caine wird kurz angesprochen und auf diese Weise die verschiedenen Handlungsbögen der zweiten Staffel gekonnt miteinander verwoben.
Die Dialoge bewegen sich auf gewohnt hohem Niveau und lassen alle Figuren zum Vorschein treten; auch Timothy Speedle, der in der zweiten Staffel relativ wenig zu sehen war, kommt im letzten Drittel zum Zug.
Insgesamt überzeugt das Skript aus der Feder von Steven Maeda und Sunil Nayar mit guten Ideen betreffend den vielschichtigeren Fall und gelungenen Charakter-Momenten – sie verzichten jedoch auf Action-Sequenzen, wie man es in manchen vorigen Episoden sah, und lassen stattdessen die Figuren für sich sprechen.

Obwohl David Caruso als Horatio Caine gerade in der Folge "Big Brother" seinen mimisch bisher besten Auftritt in der Serie hatte und diesen gekonnt meisterte, sticht in "Würgemale" vor allem sein letzter Moment mit Vyto Ruginis ins Auge, der von Caruso erneut sehr gut gespielt ist. Zu sehen, wie er das unterkühlte Auftreten seines Charakters in den richtigen Momenten abbröckeln lässt, seine emotionalen Züge durchbrechen, ist ein Fest für die Zuschauer und festigt seinen Ruf als Charakter-Darsteller.
Adam Rodriguez mimt seine Rolle gewohnt routiniert, gleichwohl er in der Vergangenheit sicher forderndere Folgen zu bestehen hatte. Sein solides Auftreten kommt der Figur aber sichtlich zu gute, so dass er sich ebenso passend ins Team einfügt, wie seine Schauspielkollegen.
Darunter Emily Procter, die wohl die größte Veränderung seit der ersten Staffel erfahren hat. Das ernstere Auftreten steht ihr ohne Zweifel hervorragend, so dass sie aus dem Team kaum noch wegzudenken ist.
Dass Khandi Alexander eine gute Schauspielerin ist, hat sie nicht nur in ihren Gastauftritten bei der Drama-Hit-Serie Emergency Room [seit 1994] bewiesen, auch in CSI: Miami gehört sie zu den charismatischsten Figuren; deshalb verwundert es nicht, dass ihre Szenen hier einmal mehr vollauf überzeugen können.
Rory Cochrane besitzt trotz oder aufgrund seines ruhigen Auftretens zwar eine große Fan-Gemeinde, gibt sich in der letzten Episode der zweiten Staffel allerdings recht unterkühlt.
Sofia Milos, die ab der dritten Staffel endlich im Vorspann erscheinen wird, mimt ihre Rolle angemessen, obwohl man sich ein wenig mehr Einsatz für ihren Charakter Yelina Salas gewünscht hätte und die Hintergrund-Story um sie und Caine weitergehen sollte.
Die Gast-Darsteller bringen ebenfalls durchweg gute bis sehr gute Leistungen, allen voran Deanna Wright und David Lee Smith; aber auch Malcolm Danare und Jennifer Sky können gefallen, und verleihen der Episode Glaubhaftigkeit.

Inszenatorisch gibt sich Joe Chappelle, der darüber hinaus für die Dean R. Koontz-Verfilmung Phantoms [1998] verantwortlich war, gewohnt solide. Nicht nur, dass er ohnehin die besten Episoden der zweiten Staffel inszenierte, er kleidet das Staffelfinale ebenfalls in malerische Bilder und fängt die Figuren stimmig ein.
Die Kamera-Gimmicks werden nicht zu exzessiv eingesetzt und die Szenenfolgen sind nicht zu schnell – am besten gelungen ist ihm sicherlich die Abschluss-Sequenz der Episode, in der nochmals das gesamte Team beleuchtet und ein würdiger Abgang in die Sommerpause präsentiert wird. Dies ist nicht nur exzellent gefilmt, sondern bietet gleichzeitig das bislang beste Staffel-Ende einer C.S.I.-Serie überhaupt.
Handwerklich gibt es an "Würgemale" nichts auszusetzen, Regisseur Chappelle schafft es sowohl, die Darsteller durch die Geschichte zu leiten, als auch den Fall im für Miami üblichen edlen Ambiente zu inszenieren.

Für die Musik zeichnen erneut die Komponisten Jeff Cardoni und Kevin Kiner verantwortlich, die Graeme Revell als Haupt-Komponisten von CSI: Miami im Laufe dieser Staffel abgelöst haben. Während sich Revell mehr auf seine Kino-Produktionen konzentrieren kann, zeigen die beiden "neuen" Musiker, dass sie in der Lage sind, die komplexen und dramatischen Fälle in eine angemessene musikalische Stimmung zu kleiden. Zu Recht bekamen sie dafür bereits Auszeichnungen und stehen diesbezüglich John M. Keane, der für die Untermalung der Original-CSI-Serie verantwortlich ist, in nichts nach.
Ihre düsteren, basslastigen Melodien klingen dabei zwar meist elektronisch, jedoch nie unpassend und erinnern bisweilen an die Scores zu Without a Trace – Spurlos verschwunden [seit 2002] von Reinhold Heil und Johnny Klimek. Cardoni und Kiner finden für die schwülen Nächte und heißen Tage in Miami gleichermaßen ein entsprechendes Motiv, das nie aufdringlich wirkt, und in den notwendigen Situationen die Szenen gelungen unterstützt.

Dass CSI: Miami sogar hierzulande sehr erfolgreich ist, erkennt man schon daran, dass Hauptsender RTL seiner kleineren Tochter VOX das Format kurzerhand entzogen hat, um es selbst auszustrahlen – und dies mit den derzeit höchsten Quoten einer US-Serie im deutschen Fernsehen schlechthin. C.S.I. – Tatort Las Vegas hingegen bleibt weiterhin bei VOX – kein Wunder, immerhin schalten bei der renommierten Serie pro Woche knapp 700.000 Zuschauer weniger ein.
Sieht man sich die zweite Staffel der Krimi-Serie an, verwundert der Zuwachs an Popularität nicht, im Gegenteil: Nach wie vor zählt das "Original" C.S.I. aktuell zu den hochwertigsten und unterhaltsamsten Serien – CSI: Miami wartet ebenfalls mit einem interessanten Setting auf, wobei die Mängel des Serien-Startes im zweiten Jahr vollständig ausgemerzt wurden. "Würgemale" unterstreicht, weshalb CSI: Miami momentan die beste CSI-Serie ist – zwar nicht die leichtgängigste oder am einfachsten zu konsumierende, aber dank der vielschichtigen, komplexen Geschichten, den guten Darstellern und den ergreifenden Fällen die derzeit mitreißendste.


Fazit:
Während viele etablierte Serien mit einem Cliffhanger das laufende Jahr beenden, um sicherzustellen, dass die Zuschauer auch in der kommenden Staffel wieder einschalten, gingen die CSI: Miami-Autoren einen anderen Weg: Sie führten die große Hintergrund-Geschichte der Serie fort, erzählten jedoch darin einen abgeschlossenen Fall, der die Vorzüge des Schauplatzes in Miami ebenso zur Geltung bringt, wie die hervorragenden Darsteller, die hier alle nochmals ins Rampenlicht treten dürfen.
Dank der pointierten Dialoge, der komplexen Story und nicht zuletzt der exzellenten Optik, erweist sich "Würgemale" als sehr gute Episode, doch nicht die beste Folge der zweiten Staffel. Für den Abschluss ließ sich Joe Chappelle eine gelungen choreographierte Collage einfallen, die das Team in den Mittelpunkt stellt – und wäre der Fall so ergreifend gewesen wie einige der vorangegangenen, dann wäre mit Sicherheit auch noch ein halber Punkt mehr in der Wertung möglich gewesen.
Fans bekommen hier eindrucksvoll bewiesen, weswegen CSI: Miami neben der Mutter-Serie problemlos erfolgreich sein kein, und dass man damit zwar ein ähnliches, aber nicht unbedingt dasselbe Publikum ansprechen möchte. Für Interessierte an gehobener Thriller-Unterhaltung sind die drei CSI-Serien ohnehin ein Pflicht-Tipp, für diejenigen mit einem Faible für emotional ausgereifte Stories ist CSI: Miami dagegen zur Zeit die beste Wahl.