Crawl [2019]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 25. April 2020
Genre: Horror / ThrillerOriginaltitel: Crawl
Laufzeit: 87 min.
Produktionsland: USA / Serbien / Kanada
Produktionsjahr: 2019
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Alexandre Aja
Musik: Max Aruj, Steffen Thum
Besetzung: Kaya Scodelario, Barry Pepper, Morfydd Clark, Cso-Cso, Ross Anderson, Jose Palma, Tina Pribicevic, George Somner, Anson Boon, Ami Metcalf, Srna Vasiljevic
Kurzinhalt:
Als ein Hurrikan Florida bedroht, ruft die entfernt wohnende Beth (Morfydd Clark) besorgt ihre Schwester Haley (Kaya Scodelario) an und bittet sie, nach ihrem Vater Dave (Barry Pepper) zu sehen. Beth wollte ihn vor dem Unwetter warnen, konnte ihn jedoch nicht erreichen. Obwohl Haley kein gutes Verhältnis zu ihrem Vater hat, sucht sie ihr früheres Elternhaus auf. Von Hund Sugar abgesehen, fehlt von ihrem Vater jede Spur, bis Haley den Keller durchsucht. Dort findet sie ihren Vater ohnmächtig und mit schweren Verletzungen. Als sie ihn zur Treppe ziehen will, wird auch Haley angegriffen – von einem riesigen Alligator. Mit Mühe kann sie sich und ihren Vater in einen sicheren Bereich im Keller retten. Doch als der Hurrikan seine volle Wucht entfaltet, wird der Keller überflutet und Haley und Dave bleibt nichts anderes, als sich dem unerbittlichen Reptil zu stellen …
Kritik:
Selbst wenn eine hochkarätige Besetzung an Bord ist, sind sogenannte „Creature-Features“, Horror-Filme mit realen oder Fantasy-Wesen als Gegner, oftmals lediglich sogenannte B-Filme. Also Filme, die objektiv gesehen nicht wirklich gut sind, selbst wenn sie überaus unterhaltsam ausfallen. Dass hierbei, wenn es um „blutrünstige Monster“ aus der Tierwelt geht, eine Perle wie The Shallows: Gefahr aus der Tiefe [2016] dabei ist, ist überaus selten. Ganz zu schweigen von einem Meilenstein wie Der weiße Hai [1975]. Alexandre Ajas Crawl ist letztendlich mehr ersteres, dabei in mancherlei Hinsicht überlegen, in anderer wieder nicht. Wer in der richtigen Stimmung für eine solche Art Film ist, findet hier aber die unterhaltsamsten und spannendsten eineinhalb Stunden der vergangenen Jahre.
Dazu trägt sicher auch die kompakte Laufzeit bei, die sich auf das Wesentliche beschränkt und von Anfang an ein ebenso bedrohliches wie durchaus glaubhaftes Szenario entwirft. In Anbetracht eines aufziehenden Hurrikans sucht die Wettkampfschwimmerin Haley ihren Vater Dave Keller auf, um nach dem Rechten zu sehen. Während die Sturmfront immer dichter zieht und die Wasserstände steigen, findet sie ihn im Keller des Hauses schwer verletzt. Er wurde dort von einem Alligator angegriffen und nur mit Mühe kann Haley ihn und sich in eine geschützte Ecke retten, wo das riesige Reptil sie nicht erreichen kann. Doch als das Wasser im Keller immer höher steigt, müssen sie eine Flucht versuchen, so aussichtslos der Kampf auch sein mag.
Wie intensiv die Auseinandersetzung letztlich ist, wird nicht nur an der FSK-Freigabe deutlich. Crawl ist kein zimperlicher Horror-Film, aber gleichzeitig nicht ausfallend grausam. Filmemacher Aja verlässt sich mehr auf die beängstigend klaustrophobische Situation an sich, mit dem Hurrikan als Hintergrund und dem immer knapper werdenden Überlebensraum der beiden Hauptfiguren. Dass deren Verhältnis zueinander nicht unbelastet ist, soll die emotionale Bindung des Publikums an die Charaktere stärken und genau hier liegt ein merklicher Unterschied zu The Shallows. War die zentrale Figur dort auf sich allein gestellt und das Publikum auf Grund ihres reinen Überlebenskampfes investiert, gibt es hier gleichzeitig eine Hintergrundstory, die die merklich oberflächlichen Figuren in wenigen Szenen ausarbeiten soll.
Das funktioniert insofern nur bedingt, weil die familiären Zusammenhänge weit weniger interessieren, als der Kampf Mensch gegen Natur. In diesem Fall sogar in doppelter Hinsicht, in Form des Hurrikans mit seiner weitreichenden Zerstörung und des Alligators, als noch tödlichere Gefahr. Inwieweit die Darstellung des Reptils den Tatsachen entspricht (so soll er laut Dave seine Beute nicht sehen können, wenn sie sich nicht bewegt, und auch schlecht hören, es sei denn, er ist unter Wasser), sei dahingestellt. Die Art, wie der Alligator in Crawl vorgestellt wird, wie unerbittlich er seine vermeintliche Beute einkreist, während sich das Terrain des feuchten, erdigen Kellers zunehmend zu einer Sumpf- und Wasserlandschaft verwandelt, in der er mit seinen Fähigkeiten weit überlegen ist, ist schlicht packend. Nicht nur, dass Regisseur Alexandre Aja einige Erschreckmomente einstreut, die man in der Tat nicht kommen sieht, die zunehmend aussichtslosere Situation von Haley und ihrem Vater zieht die Spannungsschraube zusätzlich an.
Zugegeben, die grundsätzlichen Situationen sind hier oftmals nicht neu und der gesamte Aufbau des Films, ebenso der Hintergrund mit dem Hurrikan, erinnern merklich an Jurassic Park [1993]. Aber nicht zuletzt dank der Darbietungen von Kaya Scodelario und Barry Pepper kommen nie Zweifel auf, wie ernst die Bedrohung wirklich ist.
Das verdankt Crawl auch den in Bezug auf das Reptil geradezu unsichtbaren Trickeffekten. Nicht nur, dass die Filmemacher nicht mit ihrem „Monster“ geizen, auch die von dem Sturm zunehmend mitgenommene Umgebung sieht allzeit erstklassig aus. Die handwerkliche Finesse rundet die trotz der ernsten Erzählung immens unterhaltsame Präsentation ab, die durchaus mit einigen augenzwinkernden Momenten aufwartet. So Furcht einflößend der Kampf Mensch gegen Alligator auch ist, dies ist kein Film den man ernst nehmen sollte – allein schon, weil es in Wirklichkeit wohl ein deutlich kürzerer Kampf werden würde. Als Überlebensthriller ist dies für ein erwachsenes Publikum, das bereit ist, sich erschrecken zu lassen und gleichzeitig mitzufiebern, in jedem Fall sehenswert. Und der vielleicht beste Alligator-Horror-Film bislang.
Fazit:
Dass zwei Menschen wieder zueinander finden im Angesicht einer unfassbaren Bedrohung, ist ebenso ein Klischee, wie manche Erschreckmomente, die Alexandre Aja hier präsentiert. Doch behält sich der Filmemacher eine Leichtigkeit, als wäre er sich der überzogenen Konstellation bewusst, ohne die lebensbedrohliche Situation eines Kampfes der beiden Beteiligten gegen einen Alligator ins Lächerliche zu ziehen. Selbst wenn manche Momente hier doch – so cool sie dargebracht sind – an den Haaren herbeigezogen erscheinen. Insofern kommen nie Zweifel daran auf, was auf dem Spiel steht. Dank der guten Besetzung und der erstklassigen Trickeffekte, kommt der Horror dem Publikum näher, als diesem mitunter angenehm sein dürfte. Das Setting inmitten eines Hurrikans in Florida macht das Gezeigte nur umso greifbarer. Was die Charakterentwicklungen anbelangt, mag Crawl kein wirklich einfallsreicher Film sein. Als Creature Feature mit einem glaubwürdigen Reptil als Gegner für zwei sympathische und dem Jäger allzeit unterlegene Figuren, ist das eines der mitreißendsten (kein Wortwitz beabsichtigt) der letzten Jahre. Und für ein Publikum, das den Spagat aus Horror und Unterhaltung versteht, ein klare Empfehlung.