Civil War [2024]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 10. April 2024
Genre: Kriegsfilm / DramaOriginaltitel: Civil War
Laufzeit: 109 min.
Produktionsland: USA / Großbritannien
Produktionsjahr: 2023
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Alex Garland
Musik: Geoff Barrow, Ben Salisbury
Besetzung: Kirsten Dunst, Wagner Moura, Cailee Spaeny, Stephen McKinley Henderson, Sonoya Mizuno, Nick Offerman, Jefferson White, Juani Feliz, Nelson Lee, Edmund Donovan, Karl Glusman, Jin Ha, Jojo T. Gibbs, Jesse Plemons, Jess Matney
Kurzinhalt:
Verschiedene Fraktionen kämpfen in naher Zukunft in den Vereinigten Staaten von Amerika in einem blutigen Bürgerkrieg um den Sieg. Der amtierende Präsident (Nick Offerman), dem weiterhin eine große Zahl der Bundesstaaten die Treue hält, hat sich in der Hauptstadt Washington, D.C. zurückgezogen und schwört die Menschen in Ansprachen auf einen baldigen Sieg ein. Aber nicht nur, dass die „Western Forces“, bestehend aus den Streitkräften von Texas und Kalifornien, auf dem Vormarsch sind, die „Florida Alliance“ hat den Südosten des Landes im Griff, während im Nordwesten die „New People’s Army“ herrscht. Gerüchten zufolge stehen die Soldaten des Präsidenten kurz vor der Kapitulation, weshalb Kriegsfotografin Lee Smith (Kirsten Dunst) mit dem Reporter Joel (Wagner Moura) trotz aller Gefahren nach Washington aufbricht, um ein letztes Interview mit dem Präsidenten zu führen. Der alteingesessene und erfahrene Journalist Sammy (Stephen McKinley Henderson) begleitet sie, ebenso wie die aufstrebende Fotografin Jessie (Cailee Spaeny), die in Lee ein Idol sieht. Sie reisen durch ein Land, in dem Tod und Zerstörung überall präsent und unübersehbar sind. Ein Land, mehr als nur entzweigerissen. Ihr Status als Teil der unabhängigen Presse schützt sie dabei nur bedingt …
Kritik:
Alex Garlands dystopisches Antikriegsdrama Civil War könnte drängender und aktueller kaum sein. Der Filmemacher beschreibt darin ein Szenario, an dem die Vereinigten Staaten vor nicht allzu langer Zeit gefühlt nur knapp vorbeigeschrammt sind und das in jedem demokratischen Land, in dem populistische Kräfte auf eine Spaltung der Gesellschaft für ihren Machterhalt setzen, nicht fernab jeder Realität erscheint. Die Intensität, mit der ein fiktiver Bürgerkrieg hier geschildert wird, ist aber nur für starke Nerven geeignet.
In naher Zukunft hat ein Bürgerkrieg mehrerer Parteien die USA vollständig erfasst. Während der Präsident zu Beginn beim Einstudieren einer Ansprache Optimismus eines baldigen Sieges heraufbeschwören will, sieht die Situation anders aus. Die Streitkräfte der „Western Forces“, bestehend aus Texas und Kalifornien, sind auf dem Vormarsch Richtung Washington, D.C., wo sich der Präsident verschanzt und seit über einem Jahr nicht einmal mehr ein Interview gegeben hat. Journalistinnen und Journalisten werden in der Hauptstadt erschossen, da sie Teil eines vermeintlich den Umsturz planenden Systems sein sollen. Der Präsident, zwischenzeitlich in seiner dritten Amtszeit, hat das FBI aufgelöst und steht mit dem Rücken zur Wand. Es wird gemunkelt, dass die Hauptstadt in spätestens einem Monat fallen wird. Deshalb macht sich die berühmte Fotojournalistin Lee Smith zusammen mit dem Reporter Joel auf, den Präsidenten zu interviewen. Die aufstrebende Fotoreporterin Jessie, die Lee nacheifert, schließt sich ihnen ebenso an, wie der alternde New York Times-Journalist Sammy. Auf ihrer mehr als 1.300 Kilometer langen Fahrt nach Washington dokumentieren sie den Zustand eines Landes, in dem gesetzlose Gewalt vollkommen entfesselt ist.
Der erfahrenen Kriegsreporterin Lee sind der Anblick von Häuserkämpfen und Exekutionen nicht fremd. Jessie hingegen, die so ehrgeizig wie jung ist, ist von den Situationen offener Grausamkeit, von Lynchjustiz und Menschenverachtung, ebenso lähmend überwältigt, wie das Publikum. Aber während Lee eingangs eine Distanz wahrt, die sie selbst bei einem Krieg auf heimischem Boden zur beinahe unbeteiligten Zuschauerin werden lässt, was Regisseur Garland sogar in der Wahl der Bilder zum Ausdruck bring, in denen einzig Lee deutlich zu sehen ist, ihre Umgebung aber undeutlich bleibt, kehrt sich die Position der beiden Frauen im Verlauf des Films um. Soweit, bis Jessie ihr Leben aufs Spiel setzt, sich bewusst ins Kreuzfeuer begibt, für das eine Foto, das auf der Titelseite landen wird. Civil War versetzt das Publikum in geradezu beklemmend dokumentarischer Art an die Seite dieser Journalistinnen, die von den Einsatzkräften an die vorderste Front mitgenommen werden und die stolz für Fotos ihrer „Siege“ mit ihren Opfern posieren. Gleichzeitig zeichnet der Film das Bild eines Landes, in dem verschiedene Fraktionen mit gleichermaßen unerbittlicher Grausamkeit für ihre Überzeugungen kämpfen. Es werden keine Gefangenen gemacht und im Zweifel wird geschossen, auch wenn man gar nicht weiß, ob diejenigen im Visier derselben oder einer anderen Fraktion angehören.
Das Porträt der Vereinigten Staaten als ein Land im Kriegszustand, ist in erschreckend realistische Bilder getaucht, zwischen denen Alex Garland immer wieder malerische Einstellungen findet. Sei es in einer Gemeinde, die wie eine Enklave nicht nur der Gewalt, sondern der Realität im Gesamten zu trotzen scheint und in der das „normale Leben“ einfach weitergeht, oder in Augenblicken in der Natur. Ganz so, als wollte er zeigen, wie wunderschön es sein könnte. Getragen wird dies von einer starken Besetzung, angeführt von Kirsten Dunst in einer packenden und trotz ihrer äußerlichen Härte facettenreichen Darbietung. Vertraut sie sich in einem Moment Sammy an, als sie meint, sie habe die Bilder aus den Kriegsgebieten als Warnung nach Hause gesandt, auf dass es nie soweit kommen solle, dann erkennt man in ihrem desillusionierten Blick eine Melancholie, als habe sie den Glauben daran verloren, dass der Journalismus etwas bewirken kann. Um mit alledem umgehen zu können, hat sie sich einen emotionalen Schild zugelegt, der sie von der Welt um sie herum entkoppelt, während Joel sich mit Alkohol betäubt. Die Wandlung von Cailee Spaenys Jessie ist mit Händen zu greifen, wohingegen Wagner Moura als Joel und Stephen McKinley Henderson dem in nichts nachstehen.
Selbst diejenigen, die nie in den USA gewesen sind, verbinden mit dem Land eine gewisse Vorstellung, die durch die unzähligen Filme und Serien geprägt ist, denen man seit Langem ausgesetzt ist. Bilder in der Werbung oder Berichterstattungen haben das Gefühl jenes Landes verfestigt. Die bekannten Denkmäler, Städte oder Wahrzeichen als Teil eines Kriegsgebietes zu sehen, in dem Gefechtslärm und Leuchtmunitionsstreifen bei Nacht ständiger Begleiter sind, das Land der unbegrenzten Versprechungen, so naiv es klingen mag, in diesem Zustand der selbst zugefügten Zerstörung zu sehen, treibt einem die Tränen in die Augen. Civil War erweckt dabei eine Größe und einen Aufwand mit Militärgefechten, Bataillonen und der gezeigten Zerstörung, dass es einen vollkommen überwältigt. Die Präsentation ist derart wuchtig, dass man den Rückschlag eines jeden Schusses zu spüren vermag. Bedenkt man die Wahl der bereits beschriebenen Optik, wenn Lee das Geschehen oder auch sich selbst ins Auge fasst, dann spricht die allerletzte Einstellung Bände in der Beziehung, an welchem Punkt die ursprünglich wie einst Lee so idealistische Jessie letztlich angekommen ist.
All dies auszuhalten, ist auch auf Grund der gezeigten Grausamkeiten nicht einfach. In einer der intensivsten Szenen des Films mit Jesse Plemons, in der die Protagonisten um ihr Leben fürchten müssen, traut man sich kaum, zu atmen. Menschen, die sich in Camps zusammenfinden, um Schutz, Unterkunft und Nahrung zu suchen, eine völlig zusammengebrochene Infrastruktur oder Selbstmordattentäter, die Ausgabestationen von Grundnahrungsmitteln angreifen, erscheinen auf den ersten Blick so abwegig und sind doch alltäglich in vielen anderen Ländern unserer heutigen Zeit. Civil War ist nicht darum bemüht, eine Lösung anzubieten, für eine der beteiligten Gruppen Partei zu ergreifen oder die Situation insgesamt überhaupt zu bewerten. Filmemacher Garland hält den demokratischen Gesellschaften vielmehr den Spiegel vor, wohin es führen wird, wenn man nicht die Möglichkeit findet, miteinander zu sprechen und sich einig zu werden. Das mag einen nicht hoffnungsvoll stimmen, in Anbetracht der täglich größer zu werdenden Gräben, die sich im gesellschaftlichen Zusammenleben aufzutun scheinen. Aber vielleicht rüttelt die Vorstellung auf, wohin unser bisheriger Weg uns führen kann. Und je höher die Eskalationsstufe, umso kürzer wird dieser Weg.
Fazit:
Die zerstörten Landschaften, der unerbittliche Kampf der einzelnen Parteien gegeneinander, Straßensperren und verlassene Autokolonnen erinnern an postapokalyptische Geschichten, in denen Menschen gegen Fabelwesen wie Zombies antreten. Doch hier sind es Menschen, die einander Grausames antun. Dass die Gräueltaten, die gezeigt werden, ohne Kontext präsentiert werden, macht das Gesehene nur schlimmer. Durch die Kameralinsen der beiden Fotojournalistinnen zeichnet Regisseur Alex Garland handwerklich überragend und geradezu schockierend beängstigend realistisch das Bild eines Landes, das den sozialen Kipppunkt bereits überschritten hat und sich selbst verschlingt. Das mitanzusehen, ist auch deshalb zutiefst beunruhigend, weil das inhaltlich alles andere als abwegige Drama vor Augen führt, wie gefährlich es ist, an den Grundfesten der Demokratie und des gesellschaftlichen Zusammenhalts zu zündeln. Herausragend gespielt und mit einer bedrückenden Stimmung sowie einprägenden Bildern versehen, die für Gänsehaut sorgen und lange bei einem bleiben, ist Civil War einer der besten und mahnendsten Filme des jungen Kinojahres. Dass die unüberhörbare Aussage so schwer wiegt, macht sie umso wichtiger und sorgt bei allen Teilen des Publikums für Gesprächsstoff. Die neutrale Art der Erzählung durch die unparteiischen Journalistinnen kann auch so gewertet werden kann, als wollten sich die Verantwortlichen keinen Teil des Publikums verprellen. Man man selbst aufschreiben und rufen, dass man sich in Anbetracht einer solchen, durchaus möglichen Realität, doch nicht moralisch enthalten und keine der Seiten verurteilen kann. Doch auch mit dieser Haltung provoziert das Drama einen notwendigen Diskurs. Es ist nur kein Film, der Spaß macht, anzusehen.