Chaos Walking [2021]

Wertung: 3 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 12. Juni 2021
Genre: Action / Fantasy / Science Fiction

Originaltitel: Chaos Walking
Laufzeit: 109 min.
Produktionsland: USA / Kanada / Hongkong / Luxemburg
Produktionsjahr: 2021
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Doug Liman
Musik: Marco Beltrami, Brandon Roberts
Besetzung: Tom Holland, Daisy Ridley, Mads Mikkelsen, Demián Bichir, David Oyelowo, Kurt Sutter, Cynthia Erivo, Nick Jonas, Ray McKinnon, Bethany Anne Lind


Kurzinhalt:

Es ist das Jahr 2257. Auf dem Planeten „Neue Welt“ hat die Menschheit Kolonien errichtet. Eine von ihnen ist Prentisstown, in der Todd Hewitt (Tom Holland) aufgewachsen ist. Die Siedlung besteht einzig aus Männern, die Frauen wurden, wie es Todd erzählt wird, von einer einheimischen Spezies ermordet, als Todd noch ein Kleinkind war. Das Besondere an dieser von Wäldern überzogenen Welt, ist die Tatsache, dass die Gedanken der Männer diese wie einen pulsierenden Nebel umgeben und für alle hör- und sichtbar sind. Manche können dies besser kontrollieren als andere. Todds Welt wird auf den Kopf gestellt, als er die junge Viola (Daisy Ridley) entdeckt, die als Siedlerin der zweiten Welle auf die „Neue Welt“ gekommen und deren Landekapsel abgestürzt ist. Dass ihre Gedanken nicht sichtbar sind, macht den Kontakt für Todd nur noch seltsamer. Bürgermeister Prentiss (Mads Mikkelsen) sieht in den Siedlern der zweiten Welle eine Gefahr und als Viola von einem Plan erfährt, den Prentiss schmiedet, macht sie sich mit Todd auf, die nächstgelegene Kolonie aufzusuchen, um ihr Raumschiff zu kontaktieren. Aber nicht nur, dass Prentiss zusammen mit dem fanatischen Priester Aaron (David Oyelowo) vor nichts haltmachen wird, Viola aufzuhalten, die „Neue Welt“ lauert voller Gefahren, denen sich auch Todd nie allein stellen musste …


Kritik:
Filmemacher Doug Liman gelingt es in der ersten Hälfte von Chaos Walking so gut, die Schwächen seiner Erzählung zu überspielen, dass es umso mehr enttäuscht, wenn sie in der zweiten unübersehbar werden. Die einfallsreiche Idee von einer Welt, in der Gedanken hör- und sichtbar werden, zusammen mit einem Setting, das gelungen die Brücke zwischen Western und Science Fiction schlägt, ist so faszinierend, dass es geradezu unverständlich ist, wie wenig das Drehbuch daran interessiert scheint, sie zu erforschen.

Angesiedelt im Jahr 2257, spielt die Geschichte auf einem erdähnlichen Planeten, genannt „Neue Welt“. Die zweite Generation an menschlichen Siedlern lebt inzwischen dort, darunter Todd Hewitt, dessen Name man im Lauf des Films geradezu unvorstellbar oft hören wird. Denn: Die Gedanken aller Männer sind dort hör- oder auch sichtbar. Sie umgeben den Kopf wie einen Schleier, der „Lärm“ genannt, und es kann sogar dazu führen, dass man mit seinen Gedanken ein Streitgespräch führt – auch gegeneinander. Die Siedlung, in der Todd, wie die meisten, in der Landwirtschaft arbeitet, besteht nur aus Männern. Die Frauen, unter ihnen auch Todds Mutter, wurden von einer einheimischen Spezies des Planeten, den Spackle, ermordet. So fristen die Siedler ihr Dasein in einer Welt, in der Gedanken verräterisch sein können. Manchen gelingt es besser, ihren Lärm zu verbergen, als anderen und Todd wiederholt, wenn er nicht will, dass man seine Gedanken liest, ständig seinen Namen. Seine Welt wird auf den Kopf gestellt, als er eine junge Frau findet, eine Siedlerin der zweiten Welle, deren Landekapsel gerade abgestürzt ist.

Dass die erste Frau, die Todd sieht, seine Gedanken in neue Richtungen kreisen lässt, verwundert nicht, aber auch der Bürgermeister seiner Siedlung, Prentiss, hat etwas zu verbergen. Als die junge Viola, davon erfährt, flieht sie und Todd soll sie zur nächstgelegenen Kolonie bringen, wo sie ihr Schiff im Orbit kontaktieren und warnen kann. Im Grunde bietet Chaos Walking alles, was es brauchen würde, eine neue Fantasy-/Science Fiction-Welt zu erschaffen, inklusive einer sympathischen Besetzung mit einem charmanten Tom Holland und einer nicht weniger einnehmenden Daisy Ridley. Dass Doug Limans Film bereits im Jahr 2017 gedreht wurde und ursprünglich vor zwei Jahren den Weg auf die Leinwand hätte finden sollen, lässt jedoch erahnen, dass hier Einiges im Argen liegt. Als „unveröffentlichbare Katastrophe“ soll die erste Filmfassung sogar vom Studio bezeichnet worden sein, so dass umfangreiche Nachdrehs und auch ein neues Ende in Auftrag gegeben wurden. Die verhackstückte Entstehungsgeschichte merkt man dem Endergebnis bedauerlicherweise durchaus an.

Immer wieder springt die Geschichte, so dass es passieren kann, dass aus Sonnenbrillen urplötzlich normale Brille werden, zwischen zwei Schnitten. Oder dass Todd von einem Moment auf den anderen gefesselt ist, ohne dass man erfahren würde, weshalb. Figuren ziehen sich aus einem Kampf aus unerfindlichen Gründen zurück, um wenig später wieder aufzutauchen und bei Violas Auseinandersetzung mit dem Priester kann man nur erahnen, was tatsächlich geschieht. Auch wie die Geschichte erzählt wird, ergibt keinen großen Sinn und ist nur leidlich spannend. Soll Todd Viola anfangs in die nächstgelegene Siedlung bringen, wird ihnen dort gesagt, dass sie in die größte Kolonie weiterreisen müssten, „Haven“. Doch mehr erfährt das Publikum über sie nicht und die Reise dorthin wird auch nicht abgeschlossen. Die einheimische Spezies der Spackle wird zwar vorgestellt, aber der Konflikt in keiner Weise vertieft. Es gibt so viele Gedanken in Chaos Walking, die nicht weiterverfolgt werden, dass man sich wünschen würde, die Macher könnten das Universum in einer Fortsetzung weiter erforschen. Als filmisches Erlebnis erinnert dies ein wenig an die Adaption Der Dunkle Turm [2017] von Stephen Kings gleichnamiger Fantasy-Reihe, insbesondere, was das verschenkte Potential anbelangt. Das ist am Ende weniger ärgerlich, als einfach nur schade.


Fazit:
Basierend auf der ursprünglich unter dem Titel New World [2008-2010] veröffentlichten Jugendbuch-Trilogie legt Filmemacher Doug Liman hier viele Grundsteine für eine packende Erzählung. Das Setting, das an Western erinnert, mit Siedlungen auf einer fremden Welt, in denen die Menschen in Scheunen und Baracken leben oder zu Pferd unterwegs sind, erinnert an einen ursprünglichen Pioniergeist. Die bekannten, tödlichen Auswirkungen des Kolonialismus auf die indigenen Völker werden angerissen, aber nicht vertieft. Dafür aber, wie eine Welt aussehen könnte, in der Gedanken ständig gehört und gesehen werden können. Wenn sich Todds Aufregung nach der Entdeckung der Landekapsel wie ein Lauffeuer verbreitet, ist dies ein tolles Sinnbild und die Besetzung wäre alledem auch mühelos gewachsen (Daisy Ridleys bereits äußerliche Ähnlichkeit mit Milla Jovovichs Figur in Das fünfte Element [1997] ist unübersehbar). Aber sind die ersten Actionszenen noch recht gelungen, verlieren sie im weiteren Verlauf spürbar bereits den inhaltlichen Zusammenhalt, von der unübersichtlichen Inszenierung ganz zu schweigen. Die Szenenaneinanderreihung allein erweckt den Anschein, als wären die einzelnen Aufnahmen immer wieder umgestellt worden, so dass nicht nur der vielversprechende Inhalt vollkommen auf der Strecke bleibt. Es ist bedauerlich, wie wenige der guten Ideen Chaos Walking nutzt. So ist der Film am Ende eher ein Ausblick auf was er hätte sein können und auch wenn Genrefans durchaus einiges werden entdecken können, das Ergebnis ist einfach enttäuschend.