Cats [2019]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 18. Dezember 2019
Genre: Musik / Komödie / FantasyOriginaltitel: Cats
Laufzeit: 110 min.
Produktionsland: Großbritannien / USA
Produktionsjahr: 2019
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung
Regie: Tom Hooper
Musik: Andrew Lloyd Webber
Besetzung: Francesca Hayward, Laurie Davidson, Jennifer Hudson, Idris Elba, Robert Fairchild, Rebel Wilson, Judi Dench, Ian McKellen, Taylor Swift, James Corden, Mette Towley, Ray Winstone
Kurzinhalt:
Die junge Katze Victoria (Francesca Hayward) wird des nachts in einer Gasse in London ausgesetzt. Dort tummeln sich aller Arten andere Katzen und Kater. Victoria wird von ihnen skeptisch angenommen, während sich der schüchterne, magisch begabte Mr. Mistoffelees (Laurie Davidson) zu ihr hingezogen fühlt. Doch diese Nacht im Kreise der Jellicle-Katzen ist besonders. Von der Alten Deuteronomy (Judi Dench) wird eine ausgewählt, in die himmlische Sphäre aufzusteigen und in einem besseren Leben zurückzukehren. Für diese selten gewährte Ehre gibt es viele Bewerberinnen und Bewerber, die die speziellen Eigenheiten ihrer Katzenart und weshalb sie es wert sind, auserwählt zu werden, im Gesang vortragen. Darunter ist auch die verstoßene Grizabella (Jennifer Hudson). In ihnen allen sieht der ebenso charmante wie hinterhältige Kater Macavity (Idris Elba) eine Gefahr und greift zu unlauteren Mitteln, um zu gewinnen. So lernt Victoria im Laufe dieser Nacht nicht nur die übrigen Katzen kennen, sondern entdeckt am Ende auch, ob sie künftig Teil dieser neuen Gemeinschaft sein will oder kann …
Kritik:
Es geschieht manchmal, dass man als Kritiker einen Film danach bewertet, was er hätte sein können und nicht danach, was er ist. Dabei soll eine Kritik den Film an sich so beurteilen, wie er sich tatsächlich präsentiert. Im Fall der Musical-Verfilmung Cats jedoch gäbe es am letztendlichen Film Vieles zu kritisieren – bis man die Frage andersherum stellt: Ausgehend vom Musical, was hätte der Film anderes sein können? Regisseur Tom Hooper orientiert sich stark an der Vorlage, die von 1981 an 21 Jahre auf Londons Bühnen aufgeführt wurde. Andrew Lloyd Webbers Ode an die Katzenwelt, basierend auf Gedichten von T. S. Eliot, stammt aus einer anderen Zeit. Genau dieser Umstand wird der Verfilmung letztlich zum Verhängnis.
Gleich vorweg: Wer einen Blick in die Filmvorschau geworfen hat und zumindest einmal ein Bild des Bühnenmusicals gesehen hat, wird bemerken, dass die Macher die Kostüme und Masken der Vorlage hier ausgetauscht haben. Die Geschichte, die aus Sicht von herrenlosen Katzen erzählt wird, ist zwar von realen Darstellerinnen und Darstellern vorgetragen, deren Aussehen bis auf wenige Ausnahmen jedoch computerunterstützt katzenhaft gestaltet wurde. Das reicht vom allgemeinen Fell über den Katzenschwanz bis hin zu den sich frei bewegenden Ohren und den Schnurrhaaren. Der Look der anthropomorphen Katzen ist anfangs überaus befremdlich. Die Mischung einer katzenhaften Gestalt mit menschlichem Gesicht sowie Händen und Füßen statt Pfoten wirkt eingangs seltsam und hätte man sich insbesondere bei der Mund- und Nasenpartie zu einer felineren Gestalt entschieden, würden die Figuren mehr überzeugen, doch tritt dieser Umstand nach etwa 10 Minuten merklich in den Hintergrund. Zumal die tricktechnikgestützte Verwandlung bis auf wenige Momente durchweg konstant ist.
Anders hingegen sieht es bei den Bewegungen aus, die an manchen Stellen, insbesondere bei Sprüngen der Figuren, so offensichtlich computeranimiert sind, dass sie sich in die übrige Präsentation nicht einfügen. Der Gesamteindruck der Adaption mit dem aus Sicht der Katzen vergrößerten Bühnenbild, der Studiobeleuchtung und den gezeichneten Hintergründen lässt dabei nie die Ursprünge dieser Elemente vergessen, was kein Kritikpunkt sein soll. Allerdings wirken die Proportionen von einer Szene zur anderen verschoben und die Präsentation stellt letztlich nur das halbe Erlebnis dar. Die andere Hälfte besteht aus der Geschichte und der Musik, durch die sie erzählt wird.
„Eine Geschichte aus Sicht einer Gruppen von streunenden Katzen, die ihre Eigenheiten und Fähigkeiten besingen, während sie an einem Ball teilnehmen, an dessen Ende eine von ihnen gen Himmel in ein besseres Leben aufsteigen soll, während ein egoistischer Kater mit übernatürlichen Fähigkeiten den Wettbewerb zu seinen Gunsten sabotiert.“ Würde man heute Produzenten für eine neue Produktion suchen, die mit dieser Zusammenfassung beworben wird, dürfte es schwerfallen, die erforderliche Unterstützung zu unterhalten. Und doch beschriebt dies Cats recht gut.
Dass Tom Hoopers Adaption über die Prämisse des Musicals nicht hinauswächst, kann man ihm an sich nicht zum Vorwurf machen, ohne das Musical selbst zu bewerten. Als Verfilmung dieser Story im Kleid der vorgegebenen Lieder, ist Cats nicht schlecht gelungen, auch wenn nicht alle Szenenwechsel innerhalb der Gesangsnummern Sinn ergeben. Doch nimmt man dem Bühnenmusical die Bühnenbilder und tauscht die Akrobatik samt Tanzkunst der Künstler auf der Bühne durch computergenerierte Bewegungen aus, erscheint das Ergebnis weit weniger anspruchsvoll und kann auch nur wenig begeistern. Zumal heute Andrew Lloyd Webbers Synthesizerklänge an manchen Stellen merklich angestaubt wirken und die fehlenden Charakterzeichnungen der Figuren im Film umso stärker auffallen. Nur sind diese Kritikpunkte nicht auf die Verfilmung beschränkt. Und so wie das Musical durchaus seine Highlights besitzt, finden sich dieselben auch in der filmischen Umsetzung wieder. Die Songs „Macavity“ und insbesondere „Memory“ gehören zu den Highlights aber auch das Titelthema „Jellical Songs for Jellical Cats“ bleibt in Erinnerung.
Der Aufwand hinter der Choreografie, dem Bühnenbild, den Kostümen, der Tricktechnik und der generellen Inszenierung, die im letzten Drittel allerdings weniger einfallsreich ausfällt, ist dem Film durchweg anzusehen und dies verdient auch Anerkennung. Es ist eine Aussage, die man letztlich gleichermaßen auf die deutsche Synchronfassung anwenden kann. Auch hier wurde offensichtlich viel Mühe und Arbeit investiert, die Lieder und die Geschichte von Cats ins Deutsche zu übertragen, doch das Ergebnis kann – in Anbetracht der Anforderungen an eine Verfilmung im Vergleich zu einem mit deutschen Texten vorgetragenen Musical – nicht überzeugen. Die Texte ergeben stellenweise inhaltlich keinen wirklichen Sinn und dass der Gesang oft nicht lippensynchron vorgetragen wird, dürfte selbst Laien auffallen. Hier wäre es vermutlich die bessere Wahl gewesen, die Verfilmung im Englischen Original mit deutschen Untertiteln zu belassen.
All das sind leichte Kritikpunkte an der Filmumsetzung des erfolgreichen Musicals. Doch die Hauptursache, weshalb der Film für ein Großteil des Publikums nicht funktionieren wird, liegt schlicht daran, dass Cats ein Musical seiner Zeit war und ist. Im Rampenlicht der Kinoleinwand fällt dies umso stärker auf – oder wird hier einfach nur bewusst.
Fazit:
Wird beim Musical Vieles durch die Entfernung zur Bühne, das Licht und den körperlichen Einsatz der Tänzerinnen und Tänzer kaschiert, legt Filmemacher Tom Hooper seine Inszenierung unter das sprichwörtliche Mikroskop der Kinoleinwand. Dass hier die Schwachpunkte, die inhaltlich der Vorlage entstammen, umso stärker auffallen, ist nicht verwunderlich. Aber verzichtet man auf die allzu leichte Häme angesichts der Schwächen und fragt sich stattdessen, wie die Macher Cats anders hätten für die Leinwand adaptieren sollen, muss man festhalten, dass dies vermutlich die beste und werkgetreuste Verfilmung ist, die man sich vorstellen kann. Fans des Musicals werden hier entsprechend glücklich werden. Allen anderen bietet sich ein Anblick, den man so nie zuvor gesehen hat, um es so wertfrei wie möglich zu formulieren. Als reine Unterhaltung ist dies nach einer Eingewöhnungsphase zu Beginn nicht gänzlich misslungen, kann aber rein inhaltlich nicht überzeugen. Das Bühnenbild wirkt oft künstlich, die Entscheidung, die Mäuse von Kindern spielen zu lassen, ebenso befremdlich wie das sichtlich am Computer veränderte Aussehen der Besetzung. Vielleicht wäre es die bessere Wahl gewesen, einen reinen Zeichentrickfilm zu machen. Die dürftige Story hat ihre Ursache aber, wie schon gesagt, in der Vorlage. Es gibt nun einmal Erfolgsgeschichten, die sich nicht von einer Bühne auf die andere übertragen lassen. Andrew Lloyd Webbers Cats ist offensichtlich so eine. Allen Aufwands und der immer noch eingängigen Songs zum Trotz.