C.S.I.: NY – "Im Augenblick des Todes" [2004]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 14. August 2005
Genre: Thriller / DramaOriginaltitel: C.S.I.: NY – "Blink"
Laufzeit: 39 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2004
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Deran Sarafian
Musik: Bill Brown, Clint Mansell, The Who (Titel-Thema)
Darsteller: Gary Sinise, Melina Kanakaredes, Carmine Giovinazzo, Vanessa Ferlito, Hill Harper, Eddie Cahill
Kurzinhalt:
Als die Leiche einer vermissten Frau gefunden wird, wird das CSI-Team um Detective Mac Taylor (Gary Sinise), bestehend aus Stella Bonasera (Melina Kanakaredes), Danny Messer (Carmine Giovinazzo) und Aiden Burn (Vanessa Ferlito) mit der Lösung des Falls beauftragt. Der Gerichtsmediziner Dr. Sheldon Hawkes (Hill Harper) entdeckt Hinweise, dass die Frau womöglich längere Zeit bewegungslos bei Bewusstsein gehalten wurde.
Zusammen mit Detective Joe Flack (Eddie Cahill) macht sich Taylor auf die Suche nach den Angehörigen der Toten, da taucht eine zweite Frauenleiche auf, deren Genick gebrochen wurde. Es scheint, als würde der Mörder brutaler vorgehen und Taylor läuft die Zeit davon – bis sie auf einen Hinweis stoßen, der den Fall in eine ganz neue Richtung lenkt.
Kritik:
Als 2000 C.S.I. - Tatort Las Vegas zum ersten Mal über die Bildschirme flimmerte, hätte kaum jemand erahnen können, was für weitreichende Folgen das Konzept für das Fernsehen haben sollte. Der Stil der Kriminalserie mit dem besonderen Flair für optische Bonbons wurde inzwischen in vielerlei Filmen und Serien kopiert, ohne jedoch jemals ihren Standard zu erreichen. C.S.I. ist inzwischen zu einem regelrechten Franchise geworden, nur zwei Jahre später startete CSI: Miami [seit 2002] und als da die erste Staffel ausgelaufen war, war bereits klar, dass ein weiterer Ableger des Konzepts starten würde. Lange Zeit rankten sich die Gerüchte, auch wenn für New York schon früher eine eigene Serie geplant war, doch nach den Anschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2001, schien es nicht passend, eine Serie in der gebrochenen Stadt anzusiedeln.
Wie der Produzent und Hauptdarsteller von C.S.I. zu den Spin-Offs steht, verheimlicht er nicht, er warf dem Studio vor, das eigene Pferd zu Tode reiten zu wollen und weigert sich weiterhin, einen Gastauftritt in einem der anderen Serien zu absolvieren. CSI: Miami begann ansich auch nicht mit der ersten Episode, sondern in einer Crossover-Folge von C.S.I., als die Ermittler des Las Vegas-Teams nach Miami gereist sind. Mit C.S.I.: NY verhält es sich gleich, in der zweiten Staffel von CSI: Miami reiste Hauptdarsteller David Caruso nach New York und traf dort auf Gary Sinise, Hauptfigur der neuen Serie. Doch auch wenn die Fans dem dritten Einstand im C.S.I.-Universum kritisch gegenüber standen, allein der Schauplatz der neuen Serie versprach ein gänzlich anderes Herangehen an das Geschehen und so verwundert es nicht, dass auch der Pilotfilm bereits mit einem vollkommen anderen Setting überrascht und einer Erzählweise, die selbst für C.S.I.-Verhältnisse extrem ruhig und düster geraten ist. Wer auf Farbenspiele wie in Miami hofft, wird enttäuscht, dafür überzeugt die neue Serie unter der Regie von Produzent Deran Sarafian mit einem sehr guten, erschütternden und ernsten Fall, der im Zuge seiner Lösung auch die tiefe Wunde von New York charakterisiert, die seit September 2001 in der Mitte der Stadt klafft.
Das Drehbuch beginnt dabei gar nicht viel anders, als man es von den übrigen Serien des Franchise gewohnt ist, erneut wird das Team damit beauftragt, ein Verbrechen aufzuklären, als dann auch noch offensichtlich wird, dass es sich um einen Serientäter handelt, spitzt sich die Lage zu. Überraschend ist hier jedoch, dass nicht die technischen Spielereien und Kamera-Gimmicks im Vordergrund stehen, sondern Hauptfigur Mac Taylor, der auch gleich einen interessanten Hintergrund zugeschrieben bekommt. So gibt sich der Fall ebenso niederschmetternd wie kaltblütig, vor allem deswegen, weil einem als Zuschauer lange Zeit die Motivation des Täters vorenthalten bleibt.
Dramaturgisch kommt der Fall allerdings doch recht schnell zum Abschluss und bietet gerade im Bezug auf den Täter wenig Überraschungsmomente. Hier hätte man sich eher gewünscht, dass dem Pilotfilm 20 Minuten mehr Zeit eingeräumt würden, um der Story noch ein oder zwei Wendungen zu verpassen. Die Dialoge machen einen sehr durchdachten Eindruck und werden zu den düsteren Bildern spärlich eingesetzt. Charakterzeichnungen kann man in Bezug auf einen Großteil der Stammbesetzung noch nicht abschätzen, dass sehr viel Arbeit in Mac Taylor geflossen ist, sieht man ihm aber an. Als gebrochener Held, dessen innerer Kampf auf schmerzliche Weise tagtäglich verloren und aufs neue aufgenommen wird, überzeugt er vollends und wirkt von Beginn an sympathisch, wenn auch in gleichem Zug mysteriös.
Insgesamt gibt sich das Drehbuch Mühe, einen interessanten und erschreckenden Fall vorzutragen, der auch bis auf seine Auflösung keine Wünsche offen lässt. Schade ist nur, dass vom Täter zu wenig bekannt ist, die Schlusseinstellung entschädigt hierfür aber ohne weiteres und spiegelt die erdrückende Stimmung der neuen Serie sehr gut wieder.
Von den Darstellern sticht bislang vor allem Gary Sinise hervor, der in der Rolle aufzugehen scheint (sie wurde ursprünglich Andy Garcia angeboten); seiner Filmfigur verleiht er die notwendigen Facetten, um trotz seiner Vorgänger in den anderen Serien interessant zu wirken. Wirklich in Aktion bei seiner Arbeit hat man ihn aber bislang nicht gesehen, doch nach einer Episode ist das schwer einzuschätzen. Darstellerisch bewegt er sich in den ersten 40 Minuten jedoch bereits auf Kinoniveau und sollte er dies halten können, ist er auch ein guter Anwärter auf eine Auszeichnung.
Melina Kanakaredes entwickelt sich wohl zur zweiten Hauptfigur der Serie und kann im Pilotfilm Sinise auch ohne weiteres Paroli bieten, einzig über ihre Vergangenheit ist bislang nichts bekannt und auch ihr Spezialgebiet wurde bislang nicht offen gelegt. Bekannt ist sie unter anderem aus New York Cops - NYPD Blue [1993-2005], und man darf gespannt sein, wie sich sich weiter entwickelt.
Von der übrigen Besetzung sticht bislang einzig Eddie Cahill (als Gaststar bei Friends [1994-2004] zu sehen gewesen) hervor, der wenigstens ein wenig zu tun bekommt; von Hill Harper, Carmine Giovinazzo und Vanessa Ferlito war bislang nicht viel zu sehen, und wenn man Serienerfinder Anthony E. Zuiker glauben möchte, spielt der übrige Cast ohnehin nur eine untergeordnete Rolle, da sich die Serie auf zwei Hauptfiguren konzentrieren soll. Allerdings wirken alle Beteiligten überaus talentiert (wenn auch bis auf Sinise sehr jung), so dass man ohne weiteres auf gute Episoden hoffen darf.
Visuell geht Deran Sarafian mit dem Pilotfilm gänzlich neue Wege, neben den bekannten Farbfiltern, die hier allesamt in Blau- und Grautönen gehalten sind, wechseln sich in C.S.I.: NY interessante Kamerawinkel mit beunruhigend ausgesuchten Perspektiven ab, viele Räume innerhalb des Präsidiums sind ungewöhnlich hoch, vermitteln damit eher den Eindruck einer kleinen Kapelle oder Kathedrale und auch die Ausleuchtung der Räume ist markant, lässt sie doch viele Winkel im Dunkeln und erzeugt so eine unheimliche Atmosphäre.
Die schmutzigen Sets wirken natürlich und mit der Choreographie außerdem noch beunruhigend; gepaart mit den sehr guten, aber verstörenden Rückblicken, die nie aufgesetzt oder fehlplatziert wirken, ergibt das ein sehr nervenaufreibendes Gesamtbild.
Zwei Szenen stechen dabei besonders hervor, einerseits eine kleine Sequenz, in der Mac Taylor anhand eines Modellkopfes die Abdrücke am Hals eines der Opfer nachvollziehen möchte, andererseits die sehr beunruhigende und erschütternde Sequenz, in der Taylor eine Patientin im Wachkoma auf Spuren des Täters untersucht. Dieser zweieinhalb Minuten lange Abschnitt jagt einem als Zuschauer selbst einen Schauer über den Rücken und gehört zu den niederschmetterndsten, die es seit langem sowohl im Fernsehen, als auch im Kino zu sehen gab.
Am ehesten lässt sich die Inszenierung mit derjenigen von David Finchers Sieben [1995] und Alien3 [1992] vergleichen, setzt ebenso sehr auf Szenenaufbau und ungewöhnliche Einstellungen, zieht den Zuschauer aber gleichsam mit den melancholischen, düsteren Bildern in den Bann. Sarafian gelang eine der best-inszeniertesten und überraschendsten Episoden aus dem C.S.I.-Franchise, gerade bei einem Pilotfilm hätte man diesen gänzlich anderen Stil aber nicht erwartet, was einem gerade in der letzten Minute der Episode in Erinnerung gerufen wird.
Den sehr guten Eindruck hinterlässt C.S.I.: NY aber auch auf Grund der sehr guten musikalischen Untermalung von Bill Brown, der ein interessantes, eingängiges und doch temporeiches Thema geschrieben hat. Seine Musik passt sehr gut zu den Bildern und wirkt nie störend; besonders in den voran genannten Szenen baut sie eine sehr düstere Atmosphäre auf und unterscheidet sich trotzdem vollkommen von den Themen der jeweiligen Komponisten bei CSI: Miami und C.S.I..
Worauf Fans des Franchise aber bei der Musik am meisten gespannt sind, ist das Titelthema der neuen Serie. Mit dem The Who-Song "Who are you?" hat C.S.I. Kultstatus erlangt und auch CSI: Miami überraschte mit "Won't get fooled again". Für das New Yorker Thema wollten Zuiker ansich den Song "Behind Blue Eyes" (das Original stammt ebenfalls von The Who, wurde aber durch das Cover von Limp Bizkit wieder bekannt) lizensieren, doch der Kopf des Studios CBS entschied für den Song "Baby O'Riley", der letztendlich auch genommen wurde. Das Thema, soviel sei gesagt, ist wirklich sehr gut, der Vorspann hingegen steht dem von CSI: Miami nach, der was die Szenenkomposition angeht, immer noch der beste im Franchise ist. Insbesondere die kleinen Schnipsel bei der Vorstellung der Darsteller, die verdeutlichen, was die jeweiligen Charaktere in der Serie für ein Spezialgebiet haben, ist hervorragend gelungen. Allerdings ist der Titelsong der Miami-Serie nicht so eingängig wie der von New York. Das beste Thema hingegen beansprucht weiterhin C.S.I. für sich.
Was nach den ersten 40 Minuten bleibt ist ein wirklich sehr guter Serieneinstand, der mit einem ausgesprochen guten und engagiertem Hauptdarsteller aufwartet und eindeutig eine andere Stimmung erschafft, als die beiden Vorgängerserien. Auch wenn die Verbrechen nicht grausamer sind, als bislang, allein die Umgebung im angeschlagenen, immer noch verletzlichen New York, drei Jahre nach den Attentaten, birgt ein gänzlich anderes Konfliktpotential, das einen als Zuschauer anders berührt, als bislang angenommen. Und wenn man in den letzten Minuten erfährt, dass im heutigen New York die 'Ortsangabe' "Ground Zero" genügt, um zu wissen, wohin man möchte, dann ist dies erdrückend und deprimierend zugleich.
Fazit:
In der ersten Episode der neuen Serie C.S.I.: NY macht Serienerschaffer Anthony E. Zuiker sein Versprechen wahr und präsentiert eine Atmosphäre, die sich gänzlich von denen der bisherigen Serien unterscheidet. Ob er das halten kann und ob die Zuschauer dem gewachsen sind, wird sich weisen. Mit Gary Sinise wurde ein hervorragender Darsteller verpflichtet, der der Bürde seines Charakters ohne Zweifel gewachsen ist, und der den Pilotfilm sichtlich trägt.
Der Fall ist interessant und erschütternd, aber im letzten Drittel nicht ausgenutzt. Was die zweite Spin-Off-Serie von C.S.I. letztendlich auszeichnet ist die düstere Stimmung und die von Deran Sarafian wirklich exzellent umgesetzte, melancholisch-unheimliche Optik, die dank des 16:9-Formats der Serie auch perfekt zum Ausdruck kommt. Der kinoreifen Inszenierung von C.S.I. und CSI: Miami steht C.S.I.: NY in nichts nach, nun müssen in den kommenden Episoden nur noch die Stories stimmen.