Bohemian Rhapsody [2018]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 16. September 2019
Genre: Drama / Biografie

Originaltitel: Bohemian Rhapsody
Laufzeit: 124 min.
Produktionsland: Großbritannien / USA
Produktionsjahr: 2019
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren

Regie: Bryan Singer
Musik: John Ottman
Besetzung: Rami Malek, Lucy Boynton, Gwilym Lee, Ben Hardy, Joseph Mazzello, Aidan Gillen, Allen Leech, Tom Hollander, Mike Myers, Aaron McCusker, Meneka Das, Ace Bhatti, Priya Blackburn, Dermot Murphy


Kurzinhalt:

Als Freddie Mercury (Rami Malek) zu den Musikern Brian May (Gwilym Lee) und Roger Taylor (Ben Hardy) stößt, ist deren alte Band gerade in Auflösung begriffen. Mit seinen neuen Ideen und der Ermunterung, in größeren Dimensionen zu denken, gelingt es Mercury, als Sänger der in Queen umbenannten Band in Großbritannien zu achtbaren Erfolgen zu verhelfen. Ergänzt um John Deacon (Joseph Mazzello) haben sich vier Musiker gefunden, die hervorragend zusammenpassen und sich ideal ergänzen, auch wenn Freddie Mercury mit seinen extravaganten Auftritten das Aushängeschild bleibt. Während sie zur erfolgreichsten Rockband der Welt aufsteigen, ist die geerdete Mary Austin (Lucy Boynton) für Freddie wie eine Stimme der Vernunft in seinem Leben. Doch mit dem Erfolg gerät er in einen Strudel von Abhängigkeiten. Dadurch droht er nicht nur, die Band auseinander zu reißen, sondern auch, sich selbst damit in den Abgrund zu stürzen …


Kritik:
Bohemian Rhapsody ist ein guter Film mit einer herausragenden Darbietung, bei dem vor allem das ältere Publikum abwechselnd Gänsehaut bekommen oder ein breites Grinsen im Gesicht haben dürfte. Beides liegt an der unvergleichlichen und unvergesslichen Musik der Rockband Queen und ihrem Lead-Sänger Freddie Mercury, dessen Werdegang hier umrissen wird. Doch für eine Biografie, sowohl seiner Person als auch der Musikgruppe, ist der Blick zu eingeschränkt und setzt zu sehr auf Nostalgie, anstatt hinter die Kulissen zu blicken.

So erfährt man beispielsweise nichts über die Kindheit des unter dem Namen Farrokh Bulsara auf Sansibar geborenen Ausnahmemusikers. Stattdessen konzentriert sich Filmemacher Bryan Singer einzig auf die Zeit, in der Mercury mit der von ihm benannten Band weltweit Erfolge feierte. Mag sein, dass dies ein interessanterer Abschnitt seines Lebens gewesen ist, doch bleiben sein Studium und wie es ihn schließlich zur Musik gezogen hat, vollkommen unerwähnt. Ebenso verhält es sich mit der Zeit nach der Entdeckung seiner HIV-Infektion bis zu seinem Tod – mit einer Ausnahme.

Der Film beginnt im Jahr 1970, als Mercury, damals noch unter seinem bürgerlichen Namen und entgegen der Wünsche seines Vaters, eine Karriere in der Musikbranche anstrebt. Schon zu jener Zeit ist offensichtlich, dass der junge Sänger mit dem markanten Überbiss anders ist – furchtloser und in der Lage, das Publikum auf eine Art und Weise mitzureißen, dass man sich seinem Temperament kaum entziehen kann. Entgegen interner Widerstände des Plattenlabels gehen Queen ihren Weg und werden eine der erfolgreichsten Bands der Welt. Auch wenn Filmemacher Singer diese Szenen mit Hilfe von Tricktechnik zum Leben erweckt, die Menschenmassen in den Stadien zu sehen und gleichzeitig diese Lieder im Film zu hören, lässt einen erahnen, wie es damals gewesen sein muss, als Musik nicht für scheppernde Brüllwürfel oder Handy-Lautsprecher optimiert war, sondern von echten Instrumenten ohne Stimmverzerrung zum Leben erweckt wurde. Die Stimmung von Bohemian Rhapsody ist ansteckend greifbar.

Das liegt vor allem an der hervorragenden und preisgekrönten Verkörperung der Musik-Ikone Freddie Mercury durch Rami Malek. Sein Auftreten und seine Bewegungen ergeben zusammen mit den extravaganten Outfits und der unvergleichlichen Musik ein so überzeugendes Bild jenes Mannes, dass man sich geradezu in die 1970er- und 80er-Jahre transportiert fühlt. Aber selbst zusammen mit den ausladenden Musikeinlagen täuscht das nicht darüber hinweg, dass Bohemian Rhapsody nur selten tiefer geht, als diese Oberflächlichkeit. Vom Erfolg verwöhnt, stürzt der Protagonist in eine Welt aus Alkohol und Drogen ab, umgeben von Menschen, die ihm genau das sagen, was er hören möchte. Und früher oder später kommt es auch zum Bruch mit den übrigen Band-Mitgliedern. Aber weder nimmt sich der Filmemacher Zeit, die Auswirkungen von Freddies Verhalten auf die anderen Musiker der Gruppe zu beleuchten, noch wird deutlich, wie er mit der erschütternden Diagnose AIDS damals umgegangen ist. Dafür bekommt das Publikum in sich wiederholenden Collagen gezeigt, wo auf dem Globus Queen überall auftrat und wie das Publikum darauf reagierte.

Nichts davon ist schlecht dargebracht und das Zeitkolorit ist durchweg fantastisch eingefangen. Auch an der übrigen Besetzung gibt es nichts zu beanstanden. Nur tritt die Entwicklung der Figuren lange Zeit auf der Stelle und was in Freddie Mercury vorgeht, wird über die oberflächliche Charakterisierung nie greifbar. Bohemian Rhapsody stellt das Idol auf einen Podest und blickt nicht weiter hinter die Kulissen, als es Berichte in den Boulevardzeitungen tun würden. So kann man sich einer beinahe überlebensgroßen Figur der Musikgeschichte aber nur bedingt nähern.


Fazit:
Regisseur Bryan Singer gelingt es auf der einen Seite, die Attraktivität der Musik jener unscheinbar zusammengewürfelten Musikgruppe aufzuzeigen, gleichzeitig aber auch, einige ihrer Besonderheiten zu erklären. Sei es, warum ihre Songs das Publikum derart mitreißen, oder weshalb sie heute wie damals in kaum eine Schublade zu passen scheinen. Doch für ein Porträt jener Band werden die übrigen Musiker schlicht zu wenig beachtet. Selbst, was aus ihnen geworden ist, wird verschwiegen. Als Charakterstudie des Lead-Sängers Freddie Mercury, überspringt der Film zu viele entscheidende Abschnitte in dessen Leben und blickt zu selten hinter das, was gemeinhin über ihn bekannt ist. Die sich wiederholenden Collagen im Mittelteil mögen dank der fantastischen und sehenswerten Verkörperung Mercurys durch Rami Malek gefallen, machen den Film aber auch länger, als er sein müsste. So ist Bohemian Rhapsody am Ende insbesondere für Kenner der Musik ein toller Trip in eine Zeit, in der Musik live ebenso geklungen hat, wie auf dem Album, und eine Würdigung eines Musikers, der es wie kaum ein anderer verstanden hat, das Publikum mitzureißen. Als Biografie oder aufschlussreiche Charakterstudie jedoch, ist der Film schlicht zu wenig.