Birds of Prey: The Emancipation of Harley Quinn [2020]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 5. Februar 2020
Genre: Action / Thriller / Komödie

Originaltitel: Birds of Prey: And the Fantabulous Emancipation of One Harley Quinn
Laufzeit: 109 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2019
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Cathy Yan
Musik: Daniel Pemberton
Besetzung: Margot Robbie, Mary Elizabeth Winstead, Jurnee Smollett-Bell, Rosie Perez, Ella Jay Basco, Ewan McGregor, Chris Messina, Bojana Novakovic, Greice Santo, Ali Wong, Charlene Amoia


Kurzinhalt:

Harley Quinn (Margot Robbie) hat es getan – sie hat sich vom Joker getrennt. Tatsächlich hat er sie rausgeworfen und mit der Tatsache geht Quinn nicht hausieren, immerhin bekommt sie überall in Gotham City Vergünstigungen, wenn die Menschen glauben, sie sei noch mit dem Joker liiert. Doch in einer wenig überlegten Aktion macht sie die Trennung publik und sieht sich zahlreichen Gestalten der Unterwelt gegenüber, die sich endlich dafür rächen wollen, was Harley ihnen angetan hat. So bietet sie dem sadistischen Gangster Roman Sionis (Ewan McGregor) einen Deal an. Wenn sie die Taschendiebin Cassandra Cain (Ella Jay Basco) ausfindig macht, soll Roman Harley verschonen. Cain hatte Romans rechter Hand Zsasz (Chris Messina) etwas gestohlen, das Roman unter allen Umständen bekommen will. Auf ihrer Suche muss Quinn feststellen, dass Roman ein abgekartetes Spiel spielt und sie, die Polizistin Montoya (Rosie Perez), die Bogenschützin Huntress (Mary Elizabeth Winstead) und sogar die unscheinbare Black Canary (Jurnee Smollett-Bell) alle eines verbindet: Nur gemeinsam können sie Roman besiegen …


Kritik:
Die Verfilmungen der Comics des DC-Verlags befinden sich in einer sehr schwierigen Situation, und das nicht nur in Hinblick auf die immens erfolgreichen Leinwandumsetzungen der Marvel-Comics. Nach dem mäßigen Neubeginn von Superman, versuchten sich die Produzenten an einem Superhelden-Treffen in Justice League [2017] und hatten bereits zuvor den Gegenentwurf mit Suicide Squad [2016] präsentiert – einem Treffen von Superschurken. Hierzu ist Birds of Prey: The Emancipation of Harley Quinn eine Fortsetzung, lässt aber den letztjährigen Solofilm Joker [2019] ausser Betracht. Es ist eben kompliziert, für das Gelegenheitspublikum, das sich mit den Hintergründen der Produktionen nicht beschäftigt, nur umso mehr. An wen richtet sich nun also dieser Comic-Film und in welchem Universum spielt er letztendlich? Ersteres lässt sich leicht mit „an Erwachsene“ beantworten. Letzteres gestaltet sich nicht so einfach.

Vielleicht wird dies deutlicher, wenn man sich die Story von Birds of Prey ansieht. Dies ist keine Ursprungsgeschichte von Titelfigur Harley Quinn, der psychopathischen Psychologin, die sich sporadisch in einer Beziehung zum diabolischen Joker befindet. Ihr Ursprung wird zwar kurz geschildert, sowohl in einem animierten Teaser als auch innerhalb des Films. Die Geschichte beginnt aber vielmehr, nachdem sie sich vom Joker (einmal mehr) getrennt hat und erkennen muss, dass sie viele Bösewichte in Gotham City verärgert hat, die sich nur deshalb bislang nicht an ihr gerächt haben, weil sie unter dem Schutz des Jokers stand. Ihre größte Bedrohung ist dabei nicht die Polizei, sondern der brutale Gangster Roman Sionis, herrlich überdreht gespielt von Ewan McGregor. Er verleiht der Figur eine psychotische Unvorhersehbarkeit, die Quinn fehlt. Im Grunde wäre Quinns Tod für ihn nur ein schnelles Vergnügen zwischendurch, doch Roman ist auf der Suche nach einem Diamanten, den ein Mädchen in Gotham gestohlen hat. Quinn bietet an, ihn zurückzubringen, entdeckt aber unterwegs so etwas wie ihre gute Seite. Und einige Mitstreiterinnen, die ebenso auf Romans Abschussliste stehen.

Die Story klingt nicht sonderlich komplex und tatsächlich ist sie das auch nicht. Aber sie ist auf so komplizierte Art erzählt, dass es den Anschein hat, sie wäre es. Dabei bedient sich Filmemacherin Cathy Yan gleich mehrmals desselben erzählerischen Tricks: Beispielsweise betritt Harley ein Polizeirevier und beginnt, die dort befindlichen Polizisten mit Waffen anzugreifen, die sich kaum beschreiben lassen. Mitten im Geschehen hält die Erzählung an, springt eine Woche in die Vergangenheit, erzählt den Grund, was bzw. wen Harley in den Polizeirevier sucht, springt dann wieder vor und erzählt die Sequenz zu Ende. Das Bedauerliche daran ist, dass die an sich toll aufgebaute und sehenswert umgesetzte Sequenz unnötigerweise in zwei Teil zerrissen wird. Dies geschieht mehrmals im Film, teils mit sehr langen Passagen, und wird auch durch die selbstironischen Kommentare aus dem Off durch Harley Quinn, die den Film nicht nur kommentiert, sondern sich auch unmittelbar ans Publikum richtet, nicht aufgewogen.

Dabei kann die Optik von Birds of Prey mit dem passend eingesetzten Neon-Look oder den ausgesuchten Perspektiven durchweg überzeugen. Selbst dann, wenn einige Zeitlupen zu kurz hintereinander eingespielt werden. Die Action ist durchaus einfallsreich inszeniert, würde aber mehr mitreißen, wenn nicht jede einzelne Sequenz von gesungenen Songs untermalt würde. Der Soundtrack wirkt deutlich präsenter, als er sollte und durch die vielen Lieder gewinnt der Comic-Film das Flair eines überlangen Musikvideoclips.
Vielleicht soll das darüber hinwegtäuschen, dass dem Film eines spürbar fehlt: Figuren, in deren Schicksal das Publikum merklich investiert ist. Denn auch wenn Harley Quinn, Black Canary oder auch Huntress, die sie im Verlauf der Geschichte trifft, durchaus interessant genug sind, sich von ihrem Kampf gegen Roman unterhalten zu lassen, woran es allen Figuren mangelt, ist ein wirklicher Hintergrund. Sie bekommen zwar notdürftigst einen Werdegang verpasst, aber tiefergehende oder gar ernste Charaktermomente sucht man vergebens. Oder irgendein Dilemma, dem sie sich gegenüberstehen würden und das sie zwingt, sich zu entscheiden. Und so bleibt auch die Erkenntnis am Schluss erhalten, dass keine der Figuren wirklich sympathisch ist. Davon, greifbare Heldinnen in Gotham City zu sein, sind diese Damen am Ende immer noch weit entfernt.


Fazit:
Dass die gesamte Erzählung von Harley Quinn vollkommen überdreht und darüber hinaus verspielt erscheint, passt zu der Figur ebenso wie die gelegentlichen Momente der analytischen Klarheit, die sie zeigt. Dass alle Superschurkinnen wenig zimperlich, um nicht zu sagen ausgesprochen brutal vorgehen, überrascht ebensowenig. Teils aber durchaus der Gewaltgrad, der von Oberbösewicht Roman Sionis ausgeht. Durch die sehr blumige, schimpfwortreiche Sprache und die Brutalität richten sich die Macher eindeutig an ein erwachsenes Publikum, das aber mit den Figuren und der Comic-Welt in Gotham City vertraut sein sollte, um beides einschätzen zu können. Aber genau dieses Comic-Universum stellt das Drehbuch kaum vor und auch charakterliche Entwicklungen oder Tiefe sucht man bei den Titelfiguren vergebens. Wer sich mit dem durchaus eigenen Humor anfreunden kann, der findet in Birds of Prey: The Emancipation of Harley Quinn einen unterhaltsamen, stellenweise witzigen und temporeich erzählten Comic-Film für Erwachsene, der sich zu keinem Moment ernst nimmt und spürbar von seiner gut gelaunten Besetzung, angeführt von der in der Rolle merklich aufblühenden Margot Robbie, lebt. Das klingt doch durchaus vielversprechend.