BFG: Big Friendly Giant [2016]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 21. Oktober 2017
Genre: Fantasy / Komödie

Originaltitel: The BFG
Laufzeit: 117 min.
Produktionsland: USA / Indien
Produktionsjahr: 2016
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung

Regie: Steven Spielberg
Musik: John Williams
Darsteller: Ruby Barnhill, Mark Rylance, Penelope Wilton, Jemaine Clement, Rebecca Hall, Rafe Spall, Bill Hader, Ólafur Darri Ólafsson, Adam Godley, Michael Adamthwaite


Kurzinhalt:

Es ist Herbst des Jahres 1983. Die junge Waise Sophie (Ruby Barnhill) weiß, dass die wirkliche Geisterstunde nicht um Mitternacht ist, sondern morgens um drei Uhr, wenn sie als einzige im Waisenhaus noch wach ist. Als sie beobachtet, wie ein Riese durch die Gassen Londons streift, wird dieser auf sie aufmerksam und nimmt sie kurzum mit in das Land der Riesen. Dort ist der freundliche Riese, den sie BFG nennt, noch der kleinste der insgesamt zehn Giganten. Während sich BFG (Mark Rylance) von Gemüse ernährt, ziehen die anderen nachts aus und rauben aus der Welt der Menschen Kinder, die sie verspeisen. So fasst Sophie den Plan, die Riesen zusammen mit BFG aufzuhalten, der von ihnen unterdrückt und gehänselt wird. Doch allein können sie das kaum schaffen – nur wen könnten sie um Hilfe bitten, um die Riesen aufzuhalten?


Kritik:
Basierend auf dem 1982 veröffentlichten Kinderbuch Sophiechen und der Riese von Autor Roald Dahl, der unter anderem Geschichten wie James und der Riesenpfirsich [1961], Charlie und die Schokoladenfabrik [1964] und Der fantastische Mr. Fox [1970] erschuf, erzählt Regisseur Steven Spielberg von dem Waisenmädchen Sophie, das auf einen großen, freundlichen Riesen trifft, den BFG: Big Friendly Giant. Herausgekommen ist ein Kinderfilm, der für ein ganz junges Publikum sicher etwas zu lang geraten ist, aber das Herz am rechten Fleck hat.

Angesiedelt in England im Jahr 1983 erzählt die junge Sophie, die in einem Waisenhaus aufwächst, wie sie eines Nachts von einem Riesen entführt wird. Er nimmt sie mit ins Land der Riesen, in dem selbst der acht Meter hohe freundliche Riese noch ein Winzling ist. Er lebt dort mit neun anderen Riesen, die nachts in die Welt der Menschen kommen, wo sie Kinder rauben und dann auffressen.
Obwohl die Story recht düster klingt, ist sie nie in irgendeiner Weise beängstigend dargebracht. Schnell wird klar, dass der Riese, der Sophie entführt hat, ihr nichts Böses möchte. Ganz im Gegenteil. Das Land der Riesen ist eine farbenfrohe, grüne und friedvolle Welt. Die Leichtigkeit der Geschichte kommt auch in der Sprache der Riesen zum Ausdruck, die viele sonderbare Wörter und Begriffe beinhaltet. Als "Gobblefunk" bezeichnet, besitzt ihre Art zu sprechen einen ureigenen Rhythmus, der nicht nur Kindern im Publikum ein Lächeln aufs Gesicht zaubern wird.

Unzweifelhaft richtet sich Spielbergs Adaption des Romanstoffes auch an ein solches Publikum. Das gemeinsame Abenteuer von Sophie und dem Riesen, die sich gegen die übrigen Riesen zur Wehr setzen müssen, um nicht nur den BFG, sondern auch die Kinder, die sie entführen und verspeisen würden, zu beschützen, besitzt eine schöne Aussage. Wer mit der Vorlage nicht vertraut ist, wird sich auch wundern, welchen Pfad die Story einschlägt. Allerdings wird BFG: Big Friendly Giant damit auch bedeutend länger, als ein Kinderfilm idealerweise sein sollte. Mit beinahe zwei Stunden ist er gute 20 Minuten zu lang, was man im visuell unstreitig gelungenen Mittelteil auch spürt.

Darin lernt Sophie, was BFG tut und weshalb er überhaupt in der Welt der Menschen war: Er fängt Träume und verteilt sie anschließend unter den Menschen. Filmemacher Steven Spielberg fängt das in tollen Bildern ein, die sich am besten damit beschreiben lassen, dass er die Kamera durch die Augen eines Kindes blicken lässt. Über die gesamte Laufzeit behält er sich ein Gefühl des Staunens und der Neugier. Was immer Sophie sieht, beobachtet sie nicht mit Argwohn, sondern aufgeschlossen und interessiert. BFG: Big Friendly Giant bewahrt sich diese warme Stimmung bis zum Schluss.
Allenfalls den Erwachsenen im Publikum wird, mit geschultem Auge, auffallen, dass so gelungen und stimmig die Optik hier auch ist, Sophie in der Welt der Riesen wie ein Fremdkörper erscheint. Dies mag daran liegen, dass sie als einzige menschliche Figur in einer künstlichen Welt agiert, doch es stört in gewisser Hinsicht die Vision jener an sich phantasievollen Umgebung.

Der Humor bewegt sich durchweg auf kindgerechtem Niveau, ist aber selten ansteckend lustig. Es bleibt am Ende das Gefühl, als wollte Steven Spielberg mehr das Gefühl einfangen, das man als Kind besaß, als man Märchen und phantastische Geschichten zum ersten Mal hörte. Es gelingt ihm mit BFG: Big Friendly Giant überaus gut, selbst wenn der Film das gewisse Etwas von Spielbergs meisten Projekten vermissen lässt. Denkt man beispielsweise an E.T. - Der Außerirdische [1982], hat man als Zuseher egal welchen Alters eher das Gefühl, unmittelbar Zugang zu den Figuren zu haben. Dies ist hier nur bei Sophie der Fall. BFG bleibt, so gutherzig er ist, dennoch kaum greifbar.
Aber auch das ist ein Punkt, der ein sehr junges Publikum nicht stören wird. Bei der Laufzeit allerdings mag dies anders aussehen.


Fazit:
Lässt man den rein computeranimierten Die Abenteuer von Tim und Struppi - Das Geheimnis der Einhorn [2011] außen vor, war der letzte Film, den Regisseur Steven Spielberg hauptsächlich für ein Kinder-Publikum gedreht hat, Hook [1991] – mit verhaltenem Erfolg bei Kritik und Zusehern. BFG: Big Friendly Giant ist nicht ganz so "zuckersüß" wie beispielsweise Charlie und die Schokoladenfabrik [2005], auch sind die Farben weniger aggressiv. Doch hier erschafft der Filmemacher ebenso eine Welt, in der sich am ehesten junge Zuschauerinnen und Zuschauer verlieren können. Die Geschichte besitzt einen guten Kern mit einer schönen und wichtigen Aussage. Mit Sophie als taffer und intelligenter Heldin ist Ruby Barnhill auch eine Entdeckung. Nur bleibt man vom Riesen seltsam distanziert. Das mag unter anderem daran liegen, dass Sophie im Land der Riesen heraussticht, weil sie als einziges Element im Bild wirklich "echt" ist.
Trotz der Lauflänge, die im Mittelteil länger erscheint, als sie ist, ist BFG: Big Friendly Giant ein warmherziges Familienabenteuer, fantasievoll und mit toller Botschaft. Nur für die Erwachsenen gibt es hier wenig zu entdecken.